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»Vor fast einem Monat hat ein Künstler einen Zauber gezeichnet, damit der Sucher gefangen werden konnte. Er hat den Künstler getötet, aber gefangen wurde er trotzdem. Von einer Mord-Sith.«

Die Farbe wich aus Kahlans Gesicht. Sie wurde weiß wie eine Lilie.

Zedd fühlte sich, als hätte er einen Stich ins Herz bekommen. Hätte er gekonnt, er wäre vor Schmerz zu Boden gefallen.

»Nein«, flüsterte sie mit aufgerissenen Augen.

»Doch«, äffte er ihren Tonfall nach. »Von einer besonders bösartigen Mord-Sith übrigens. Denna ist ihr Name. Selbst ich mache einen großen Bogen um sie. Sie ist der Liebling von Meister Rahl, wegen ihres…« — er grinste — »Geschicks. Nach dem, was ich gehört habe, hat sie sich an dem Sucher regelrecht verausgabt. Ich habe sie sogar selbst an einem Tag gesehen, beim Essen. Sie war von Kopf bis Fuß mit seinem Blut verschmiert.«

Kahlan zitterte leicht, ihre Augen wurden feucht. Zedd war sicher, daß sie noch blasser wurde.

»Aber er lebt noch«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme.

Demmin grinste selbstgefällig, er war glücklich, es ihr erzählt zu haben und ihre Reaktion zu sehen. »Um genau zu sein, Mutter Konfessor, als ich den Sucher das letzte Mal gesehen habe, kniete er vor Darken Rahl und hatte Dennas Strafer am Hinterkopf. Ich glaube, er wußte nicht mal mehr seinen eigenen Namen. Meister Rahl wirkte derzeit nicht gerade glücklich. Und wenn Meister Rahl unglücklich ist, gibt es immer Tote. Nach seinen Worten zu urteilen, als ich ging, hat sich der Sucher nie wieder von den Knien erhoben. Seine Leiche ist sicher mittlerweile verfault.«

Zedd weinte, weil er sie nicht trösten konnte, weil sie ihn nicht trösten konnte.

Kahlan wurde totenstill.

Langsam hob sie die Arme in die Luft, reckte die Fäuste gen Himmel. Ihr Kopf fiel in den Nacken.

Sie stieß einen unfaßbaren Schrei aus. Er fuhr durch Zedd wie tausend Nadeln aus Eis, hallte von den Bergen zurück, durch die Täler, ließ die Bäume ringsum erzittern. Raubte Zedd den Atem. Demmin und die beiden anderen torkelten ein paar Schritte zurück.

Wäre es nicht bereits passiert, die Angst vor dem, was sie jetzt tat, hätte ihn zu Stein erstarren lassen. Sie hätte dazu nicht fähig sein dürfen.

Sie holte tief Luft, reckte die Fäuste höher. Tränen strömten ihr übers Gesicht.

Kahlan schrie ein zweites Mal. Lang, durchdringend, wie aus einer anderen Welt. Der Ton wälzte sich wie eine Lawine durch die Luft. Kiesel tanzten über den Boden. Das Wasser tanzte in den Seen ringsum. Sogar die Luft tanzte, begann sich zu bewegen. Die Männer hielten sich die Ohren zu. Das hätte Zedd auch getan, hätte er es gekonnt.

Sie holte noch einmal tief Luft. Ihr Rücken bog sich, als sie sich in den Himmel reckte.

Der dritte Schrei war noch schlimmer. Sein Zauber zerschlug das Gewebe der Luft. Zedd fühlte sich, als würde sein Körper auseinandergerissen. Die Luft begann um sie zu kreisen, wirbelte Staub auf.

Finsternis senkte sich, die Magie des Schreis raubte sogar das Licht und zog die Dunkelheit an wie den Wind. Licht und Dunkelheit umwirbelten die Mutter Konfessor, als sie mit dem Schrei einen uralten Zauber freisetzte.

Zedd erstickte fast vor Angst. Er hatte dies zuvor erst einmal gesehen, und es hatte kein gutes Ende genommen. Sie verband die Magie des Konfessors, die additive Magie, die Liebe, mit seinem Gegenstück aus der Unterwelt, dem Haß.

Kahlan stand schreiend im Mittelpunkt eines Mahlstromes. Das Licht wurde in sie hineingesogen. Dunkelheit legte sich über alles. Wo Zedd stand, wurde es schwarz wie die Nacht. Das einzige vorhandene Licht leuchtete rings um Kahlan. Nacht umgab den Tag, Ein Blitz zerriß tosend die Schwärze des Himmels, zuckte rasend schnell in jede Richtung, gabelte, verdoppelte sich wieder und wieder, bis der Himmel brannte. Donner grollte übers Land, verschmolz zu steter Raserei, vermischte sich mit dem Schrei und wurde zu einem Teil von ihm.

Der Erdboden bebte. Der Schrei wurde zu mehr als einem Geräusch, zu etwas völlig anderem. Ringsum brach der Boden, formte Spalten. Aus den Spalten schossen violette Lichtbalken in die Höhe. Die blau-violetten Lichtvorhänge vibrierten, tanzten und wurden in den Wirbel hineingesogen, zu Kahlan. Sie wurde zu einer glühenden Lichtgesalt in einem Meer der Finsternis. Nur sie existierte noch, alles andere war pures Nichts, frei selbst von Licht. Außer Kahlan konnte Zedd nichts erkennen.

In der Luft ringsum gab es einen fürchterlichen Schlag. In einem kurzen, gewaltigen Aufzucken des Lichts sah Zedd, wie die umstehenden Bäume plötzlich ihrer Nadeln beraubt wurden, als jeder einzelne von ihnen inmitten einer Wolke aus Grün zu Boden gedrückt wurde. Eine Wand aus Staub und Sand prallte gegen sein Gesicht, als wollte sie ihm in ihrer explosionsartigen Ausdehnung die Haut von den Knochen reißen.

Die Heftigkeit der Erschütterung riß die Finsternis mit sich fort. Das Licht kehrte zurück.

Die Verbindung war abgeschlossen.

Zedd sah, daß Chase staunend neben ihm stand. Die Arme waren ihm noch immer auf den Rücken gebunden. Grenzposten, überlegte Zedd, waren zäher, als man es für möglich hielt.

Fahlblaues Licht verschmolz zu einer zerrissen-eiförmigen Gestalt um sie und nahm an Leuchtkraft, Wirkung und irgendwie auch Brutalität zu. Kahlan drehte sich um. Ein Arm, der gebrochene, hing an ihrer Seite. Der andere machte auf halbem Wege halt. Sie streckte die Hand nach dem Zauberer aus. Das blaue Licht strömte aus dem Ring, der sie umgab, und sammelte sich in dem Punkt, an dem sich ihre Faust befand. Es schien sich zu vereinigen und schoß, plötzlich freigesetzt, als Lichtbalken durch den leeren Raum zwischen den beiden. Es prallte deutlich spürbar gegen ihn und erleuchtete ihn im Augenblick des Aufpralls, als wäre er mit Kahlan durch einen Faden lebendigen Lichts verbunden. Es hüllte ihn in einen fahlblauen Glanz. Der Zauberer spürte die vertraute Berührung der additiven Magie und das unbekannte Prickeln der aus der Unterwelt. Er wurde einen Schritt zurückgeschleudert, und das Netz, das ihn gefesselt hatte, zerbarst. Er war frei. Der Lichtfaden erlosch wie von selbst.

Zedd drehte sich zu Chase um und zertrennte die Taue mit einem raschen Zauber. Chase stöhnte vor Schmerzen auf, als seine Arme plötzlich wieder frei waren.

»Zedd«, flüsterte er, »was im Namen der Propheten geht hier eigentlich vor? Was hat sie getan?«

Kahlan fuhr mit den Fingern durch das fahlblaue Licht, das sie umgab, streichelte es zärtlich, badete darin. Demmin Nass und einer seiner Männer beobachteten sie dabei, wichen jedoch nicht von der Stelle und warteten ab. Kahlans starrer Blick war auf Dinge gerichtet, die sie nicht sehen konnten. Ihre Augen waren in einer anderen Welt. Ihre Augen, das wußte Zedd, sahen die Erinnerung an Richard.

»Man nennt es Con Dar. Den Blutrausch.« Zedds Blick schwenkte langsam von Kahlan zum Grenzposten hinüber. »Nur die stärksten Konfessoren sind dazu in der Lage. Und eigentlich dürfte sie es überhaupt nicht können.«

Chase runzelte die Stirn. »Wieso nicht?«

»Weil es von ihrer richtigen Mutter gelehrt werden muß, nur die Mutter kann einem beibringen, wie es ausgelöst wird, wenn das Verlangen stark genug ist. Es handelt sich um einen uralten Zauber, so alt wie die Magie der Konfessoren, wird jedoch selten benutzt. Er kann nur gelehrt werden, wenn die Tochter ein gewisses Alter erreicht hat. Kahlans Mutter starb, bevor sie es ihr beibringen konnte. Das hat Adie mir erzählt. Kahlan dürfte das eigentlich gar nicht können. Und doch hat sie es getan. Daß sie dazu allein durch Instinkt und ihren Willen in der Lage war, spricht in den Prophezeiungen für große Gefahr.«

»Aber warum hat sie es dann nicht schon vorher getan? Warum hat sie nicht schon vorher all dem ein Ende gemacht?«

»Kein Konfessor kann den Zauber für sich allein beanspruchen, sondern nur für einen anderen. Sie hat ihn in Richards Namen erfleht. Aus Zorn über seine Ermordung. Wir stecken in größten Schwierigkeiten.«

»Wieso?«

»Der Con Dar wird aus Rache eingesetzt. Konfessoren überleben ihn nur selten, sie verschreiben ihr Leben einem Ziel, damit die Rache ausgeführt werden kann. Kahlan setzt ihre Macht gegen Darken Rahl ein.«