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»Wenn Sie mir sagen wollen, womit ich Ihnen dienen kann…«

»Ich bin es eher, der gekommen ist, um Ihnen einen Dienst zu erweisen. Sind Sie der Inhaber dieses Ladens?«

»Nein. Der Inhaber ist mein Vater.«

»Und der Name ist…?«

»Meiner oder der meines Vaters?« Er lächelte gerieben.

»Ich werde mir also vorstellen, das Firmenschild Sempere und Söhne gilt für beide.«

»Sie sind sehr scharfsinnig. Darf ich fragen, welches der Grund Ihres Besuches ist, wenn Sie nicht an einem Buch interessiert sind?«

»Der Grund meines Besuchs, eines Höflichkeitsbesuchs, ist es, Ihnen mitzuteilen, daß mir zu Ohren gekommen ist, daß Sie beide mit anrüchigen Leuten Umgang pflegen, insbesondere mit Invertierten und Bösewichten.« Ich schaute ihn verdutzt an.

»Wie bitte?« Er bohrte seinen Blick in meinen.

»Ich rede von Schwulen und Gaunern. Sagen Sie nicht, Sie wissen nicht, wovon ich spreche.«

»Ich fürchte, ich habe nicht die leiseste Ahnung und auch nicht das geringste Interesse, Ihnen weiter zuzuhören.« Er nickte, jetzt feindlich und zornig.

»Sie werden aber verdammt noch mal müssen. Ich nehme an, Sie sind auf dem laufenden über die Aktivitäten des Bürgers Federico Flaviá.«

»Don Federico ist der Uhrmacher des Viertels, ein vortrefflicher Mensch, und ich bezweifle sehr, daß er ein Übeltäter ist.«

»Ich sprach von Schwulen. Ich weiß genau, daß diese Schwuchtel in Ihrem Laden verkehrt, vermutlich, um Liebesromänchen und Pornographie zu kaufen.«

»Und darf ich Sie fragen, was Sie das angeht?« Anstatt zu antworten, zog er seine Brieftasche hervor und legte sie offen auf den Ladentisch. Ich erkannte einen schmuddeligen polizeilichen Dienstausweis mit dem Gesicht des Mannes, als er noch etwas jünger war. Ich las bis zu den Worten ›Chefinspektor Francisco Javier Fumero Almuñiz‹.

»Junger Mann, mir gegenüber haben Sie Respekt zu zeigen, sonst stauche ich Sie und Ihren Vater zusammen, daß Ihnen die Haare ausfallen, weil Sie bolschewistischen Schund verkaufen. Ist das klar?« Ich wollte eine Antwort geben, aber die Worte waren mir auf den Lippen eingefroren.

»Aber nun gut, es ist nicht dieser warme Bruder, was mich heute herführt. Der wird früher oder später auf dem Revier landen wie alle seines Schlages, und dann werde ich ihm schon Dampf machen. Was mir Sorge bereitet, ist, daß mir Berichte vorliegen, wonach Sie einen gemeinen Dieb beschäftigen, einen Schurken der übelsten Art.«

»Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen, Inspektor.« Fumero lachte sein klebriges Lächeln.

»Weiß Gott, welchen Namen er sich jetzt zugelegt hat. Vor Jahren hat er sich Wilfredo Camagüey genannt, ein As des Mambo, und hat behauptet, Voodoospezialist, Tanzlehrer von Don Juan de Borbón und Geliebter von Mata Hari zu sein. Andere Male nimmt er Namen von Botschaftern, Varietékünstlern oder Stierkämpfern an. Wir haben den Überblick schon lange verloren.«

»Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann, aber ich kenne niemand namens Wilfredo Camagüey.«

»Gewiß nicht, aber Sie wissen, wen ich meine, nicht wahr?«

»Nein.«

»Sie komplizieren die Dinge gern, wie? Schauen Sie, ich bin als Freund gekommen, um Sie zu benachrichtigen und zu warnen, daß, wer einen Lumpen bei sich aufnimmt, sich am Ende selber die Finger verbrennt, und Sie behandeln mich als Lügner.«

»Keineswegs. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch und Ihre Warnung, aber ich versichere Ihnen, daß wir nicht…«

»Erzählen Sie mir keinen Scheiß — wenn’s mich ankommt, geb ich Ihnen eine in die Fresse und mach die Bude hier dicht, kapiert? Aber heute bin ich gut gestimmt, also lass ich Sie mit der Warnung allein. Sie müssen wissen, welche Gesellschaft Sie wählen. Wenn Sie Schwule und Diebe mögen, dann haben Sie wohl selber von beiden etwas. Für mich müssen die Dinge klar sein. Entweder Sie sind auf meiner Seite oder gegen mich. So ist das Leben. Wie verbleiben wir also?« Ich sagte nichts. Fumero nickte und lächelte wieder.

»Sehr gut, Sempere. Wie Sie wollen. Wir beide fangen nicht gut an. Wenn Sie Schwierigkeiten wollen, können Sie sie haben. Das Leben ist nicht wie in den Romanen, wissen Sie. Im Leben muß man Partei ergreifen. Und es ist klar, welche Sie gewählt haben. Die Partei von denen, die verlieren, weil sie Esel sind.«

»Darf ich Sie jetzt bitten zu gehen, wenn Sie so gut sein wollen.« Er wandte sich mit seinem widerlichen Lächeln zur Tür.

»Wir werden uns wiedersehen. Und sagen Sie Ihrem Freund, Inspektor Fumero habe ihn im Auge und lasse ihn herzlich grüßen.« Der Besuch des unseligen Inspektors und der Nachhall seiner Worte vergifteten mir den Nachmittag. Nachdem ich eine Viertelstunde mit verknoteten Eingeweiden hinter dem Ladentisch hin und her getigert war, schloß ich die Buchhandlung vorzeitig, trat auf die Straße hinaus und ging ziellos umher. Ich brachte die Andeutungen und Drohungen dieses Killertypen nicht aus dem Kopf und fragte mich, ob ich meinem Vater und Fermín von diesem Besuch erzählen mußte, aber vermutlich war genau das die Absicht Fumeros gewesen — Zweifel, Angst und Unsicherheit unter uns zu säen. Ich beschloß, dieses Spiel nicht mitzuspielen. Anderseits alarmierten mich die Andeutungen über Fermíns Vergangenheit. Und sogleich schämte ich mich, als ich feststellte, daß ich den Worten des Polizisten einen Augenblick Glauben geschenkt hatte. Nachdem ich mir lange den Kopf darüber zerbrochen hatte, dachte ich, am besten versiegle ich die Episode in einem Winkel meines Gedächtnisses und denke nicht mehr an das, was sie mit sich bringen mochte.Auf dem Heimweg kam ich an der Uhrmacherei des Viertels vorbei. Durchs Schaufenster sah ich Don Federico hinter seinem Tisch sitzen und mich hereinwinken. Er war ein leutseliger, stets gut aufgelegter Mann, der nie vergaß, einem schöne Feiertage zu wünschen, und der für jede denkbare Schwierigkeit eine Lösung wußte. Mich schauerte bei dem Gedanken, daß er auf Inspektor Fumeros schwarzer Liste stand, und ich fragte mich, ob ich ihn wohl warnen sollte. Ratlos trat ich in den Laden.

»Wie geht’s, Daniel? Du machst ja ein merkwürdiges Gesicht.«

»Ein schlechter Tag. Wie läuft’s denn, Don Federico?«

»Wie geschmiert. Die Uhren werden immer schlechter, und ich komme mit der Arbeit nicht mehr nach. Wenn das so weitergeht, werde ich einen Gehilfen einstellen müssen. Dein Freund, der Erfinder, hätte der kein Interesse? Sicher hätte er eine geschickte Hand dafür.« Ich konnte mir unschwer ausmalen, was Tomás Aguilars Vater von der Aussicht hielte, daß sein Sohn eine Beschäftigung bei Don Federico annähme, der offiziellen Tunte des Viertels.

»Ich werde es ihm sagen.«

»Übrigens, Daniel, da ist der Wecker, den mir dein Vater vor zwei Wochen gebracht hat. Ich weiß auch nicht, was er damit angestellt hat, aber er würde besser einen neuen kaufen, als den da reparieren zu lassen.« In stickigen Sommernächten ging mein Vater manchmal auf dem Balkon schlafen.

»Er ist ihm auf die Straße runtergefallen«, sagte ich.

»So was hab ich mir gleich gedacht. Ich hätte da einen Radiant zu einem sehr guten Preis für ihn. Wenn du willst, kannst du ihn gleich mitnehmen, er soll ihn ausprobieren.«

»Vielen Dank, Don Federico.« Er packte mir den Wecker ein.

»Hochtechnologie«, sagte er.

»Übrigens hat mich das Buch entzückt, das mir Fermín neulich verkauft hat. Eins von Graham Greene. Dieser Fermín ist ein prima Kerl.« Ich nickte.

»Ja, der ist Gold wert.«

»Mir ist aufgefallen, daß er nie eine Uhr trägt. Sag ihm, er soll mal vorbeikommen, dann regeln wir das.«

»Werde ich. Danke, Don Federico.« Als er mir den Wecker aushändigte, sah mich der Uhrmacher aufmerksam an und zog die Brauen in die Höhe.