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Perrin ließ sein Pferd neben Abell stehenbleiben. »Die Nachricht kam durch, daß sie aus dem Norden und aus dem Süden gleichzeitig kommen«, sagte er leise. »Aber beobachtet alles trotzdem ganz genau.« »Wir werden die Augen aufmachen. Und ich bin auch bereit, die Hälfte meiner Männer überall dorthin zu schicken, wo sie gebraucht werden. Sie werden sich an den Männern der Zwei Flüsse ganz schön die Zähne ausbeißen.« Abells Grinsen erinnerte stark an das seines Sohnes.

Es machte Perrin verlegen, als die Männer ihm rauh zujubelten, während er vorbeiritt, die ›Kameraden‹ und die Flagge hinter sich: »Goldauge! Goldauge!« Hier und da hörte man auch: »Lord Perrin!« Ihm war klar, daß er das von Beginn an energisch hätte unterdrücken müssen.

Im Süden war Tams Bezirk. Sein Gesicht wirkte grimmiger als das Abells, und er schritt beinahe wie ein Behüter die Ränge ab, immer eine Hand auf dem Schwertgriff. Die wölfische, tödliche Eleganz wirkte fremdartig an dem stämmigen, grauhaarigen Bauern. Doch das, was er zu Perrin sagte, unterschied sich kaum von Abells Worten: »Wir Leute von den Zwei Flüssen sind zäher, als den meisten klar ist«, sagte er leise. »Mach dir keine Sorgen: Wir werden uns heute teuer verkaufen.« Alanna stand an einem der hier aufgebauten sechs Katapulte und kümmerte sich gerade um einen mächtigen Steinbrocken, der in die Schale am Ende des dicken Holzarms gelegt werden sollte. In ihrer Nähe saß Ihvon in seinem farbenändernden Behüterumhang auf dem Pferd, schlank wie eine Stahlklinge und wachsam wie ein Habicht. Es gab keinen Zweifel daran, daß er seinen Standort, selbstverständlich bei Alanna, sorgfältig gewählt hatte, und daß er alles daransetzen würde, sie lebend hier herauszubringen. Er sah kaum zu Perrin hinüber. Doch die Aes Sedai unterbrach ihre Tätigkeit. Ihre Hände schwebten über dem Stein, aber ihre Blicke folgten ihm, als er vorbeiritt. Er konnte fast fühlen, wie sie kalkulierte und abwog und urteilte. Auch der Jubel folgte ihm.

Wo der Pfahlwald die wenigen Häuser östlich der Weinquellenschenke hinter sich ließ, waren Jon Thane und Samel Crawe gemeinsam verantwortlich. Perrin sagte ihnen dasselbe, was er Abell gesagt hatte, und er bekam so ziemlich die gleiche Antwort. Jon, der ein Kettenhemd mit einigen durchgerosteten Stellen übergeworfen hatte, hatte den Qualm seiner brennenden Mühle gesehen, und Samel mit dem Pferdegesicht und der langen Nase war sicher, daß der Rauch einer weiter draußen befindlichen Qualmwolke von seinem Hof stamme. Keiner von ihnen erwartete einen leichten Tag, aber beide trugen ihre eiserne Entschlossenheit wie einen Umhang.

Perrin hatte sich entschlossen, selbst den Norden zu übernehmen. Er fühlte nach dem Band, das ihm über ein Revers herunterhing, und spähte in Richtung Wachhügel, der Richtung, in die Faile geritten war. Dabei fragte er sich, warum er ausgerechnet die Nordseite gewählt hatte. Flieg nur, Faile. Flieg, mein Herz. Na ja, es war ein ebenso guter Ort zum Sterben wie jeder andere.

Bran war für diesen Teil offiziell verantwortlich. Mit seiner Stahlkappe und dem Wams mit den aufgenähten Metallscheiben angetan, schritt er die Reihen der Männer hinter dem Pfahlwald ab. Allerdings unterbrach er seinen Weg und verbeugte sich vor Perrin, soweit sein Bauch dies gestattete. Gaul und Chiad standen bereit, die Schufa um den Kopf gewickelt und die Gesichter bis auf die Augen hinter den schwarzen Schleiern verborgen. Seite an Seite, wie Perrin auffiel. Was sich auch zwischen ihnen abspielte, schien schwerer zu wiegen als die Blutfehde ihrer Clans.

Loial hielt in jeder Hand eine Holzfälleraxt. Die Äxte wirkten in seinen riesigen Pratzen wie Spielzeuge. Seine behaarten Ohren standen wild entschlossen nach vorn, und sein breites Gesicht trug einen grimmigen Ausdruck.

Glaubst du, ich würde weglaufen? hatte er gefragt, als Perrin ihm vorschlug, hinter Faile her in die Nacht hinauszuschlüpfen. Seine Ohren waren müde und beleidigt herabgesunken. Ich bin mit dir gekommen, Perrin, und ich bleibe bei dir, bis du gehst. Und dann hatte er plötzlich gelacht, ein tiefes, hallendes Lachen, das die Teller beinahe zum Klappern gebracht hatte. Vielleicht wird eines Tages sogar jemand eine Legende von mir erzählen. Wir halten nicht viel von so etwas, aber warum sollte es nicht auch einen Ogier-Helden geben? Ein Scherz, Perrin. Ich habe nur einen Scherz gemacht. Lach doch! Komm, wir erzählen uns gegenseitig Witze. Du sollst lachen und an Faile denken, wie sie frei und hoch fliegt.

»Es ist kein Scherz, Loial«, murmelte Perrin, als er die Reihen der Männer entlangritt und sich bemühte, ihren Jubel bei seinem Anblick zu überhören. »Du bist ein Held, ob du es nun sein willst oder nicht.« Der Ogier grinste ihn nervös an, bevor er wieder hinüber zur anderen Seite des Pfahlwalds blickte, wo sie freies Sicht- und Schußfeld geschaffen hatten. Stöcke mit weißen Streifen markierten jeweils hundert Schritt Abstand. Bis auf fünfhundert Schritt hatten sie auf diese Art markiert, um ihre eigene Schußweite genauer berechnen zu können. Dahinter lagen Stoppelfelder. Die Tabakpflanzen und der Hafer, die dort gewachsen waren, waren den früheren Angriffen zum Opfer gefallen. Dann folgten Hecken und niedrige Steinbegrenzungen und anschließend kleine Wäldchen mit Lederblattbäumen, Kiefern und Eichen.

Perrin erkannte so viele Gesichter in den Reihen der wartenden Männer. Der kräftige Eward Candwin und Paet al'Caar mit seinem eckigen Kinn. Der weißhaarige Buel Dowtry, der Pfeilmacher, der natürlich bei den Bogenschützen stand. Dort stand der untersetzte, grauhaarige Jac al'Seen mit seinem kahlköpfigen Cousin Wit und daneben der ewig griesgrämige Flann Lewin, eine schlacksige Bohnenstange von Mann wie alle aus der männlichen Linie seiner Familie. Jaim Torfinn und Hu Marwin waren da, die zu den ersten gehört hatten, die ihm nachritten. Sie hatten sich einer Gruppe wie den ›Kameraden‹ nicht anschließen wollen, als habe die Tatsache, daß sie den Hinterhalt im Wasserwald nicht miterlebt hatten, eine Kluft zwischen ihnen geöffnet. Elam Dowtry und Dav Ayellin und Ewin Finngar, Hari Coplin und sein Bruder Darl, der alte Bili Congar, Berin Thane, der Bruder des Müllers, und der fette Athan Dearn, und Kevrim al'Azar, dessen Enkel bereits erwachsene Söhne hatten, und Tuck Padwhin, der Zimmermann, und...

Perrin zwang sich, mit dem Zählen aufzuhören, und ritt hinüber zu Verin, die unter Tomas' wachsamen Blicken an einem der Katapulte stand. Tomas saß auf seinem Grauen. Die mollige, in Braun gekleidete Aes Sedai musterte Aram einen Augenblick lang, und dann ruhte ihr vogelgleicher Blick auf Perrin. Sie zog eine Augenbraue hoch, als wolle sie fragen, wieso er sie belästige.

»Ich bin ein wenig überrascht, daß Ihr und Alanna noch hier seid«, sagte er zu ihr. »Mädchen aufzuspüren, die das Talent haben, mit der Macht umzugehen, kann ja wohl nicht wert sein, daß man sich dafür umbringen läßt.

Genausowenig, wie einen Ta'veren als Marionette behalten zu wollen.« »Tun wir das denn?« Sie faltete die Hände vor dem Bauch und neigte den Kopf nachdenklich zur Seite. »Nein«, fuhr sie schließlich fort, »ich bin nicht der Meinung, daß wir jetzt schon gehen können. Ihr seid ein hochinteressantes Studienobjekt, auf Eure Art genauso interessant wie Rand. Und der junge Mat. Wenn ich mich nur in drei teilen und jedem von Euch Tag und Nacht folgen könnte, selbst wenn ich Euch dazu heiraten müßte.« »Ich habe bereits eine Frau.« Es war ein eigenartiges Gefühl, das zu sagen. Eigenartig und gut. Er hatte eine Frau, und sie war in Sicherheit.

Dann zerschlug sie den porzellangleich erstarrten Augenblick des Schwelgens. »Ja, das stimmt. Aber Ihr wißt überhaupt nicht, was es bedeutet, mit Zarene Bashere verheiratet zu sein, oder?« Sie faßte nach oben und drehte die Axt in ihrer Schlaufe am Gürtel ein wenig herum. Sie musterte die Waffe genau. »Wann werdet Ihr die aufgeben und statt dessen den Hammer wählen?« Er sah die Aes Sedai mit großen Augen an, richtete Traber einen Schritt nach rückwärts aus und nahm ihr die Axt aus der Hand, bevor ihm das selber bewußt war. Was es bedeutete, mit Faile verheiratet zu sein? Die Axt aufgeben? Was meinte sie damit? Was wußte sie?