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Lanfear drehte sich langsam um und betrachtete noch einmal den großen Platz. »Ihr habt diese Stadt genauso gründlich zerstört, wie es ein ganzes Heer vermocht hätte.« Aber sie betrachtete nicht wirklich, wie sie vorgab, die Ruinen der Paläste, sondern den Schutt und die Überreste der Ter'Angreal und was sonst noch hier gestanden hatte. Ihre Mundwinkel waren straff gespannt, als sie sich wieder Rand zuwandte, und in ihren dunklen Augen stand auch etwas an unterdrücktem Ärger. »Gebrauche das, was er dich lehrt, weise, Lews Therin. Die anderen warten immer noch dort draußen: Sammael, der dich so beneidet, Demandred mit seinem Haß, Rahvin und sein Machthunger. Falls — wenn — sie erfahren, daß du dies in Händen hältst, werden sie ihre Anstrengungen, dich zu stürzen, noch verstärken!« Ihr Blick huschte zu der fußhohen Figur in seinen Händen, und einen Moment lang hatte er das Gefühl, sie erwäge, sie ihm zu entreißen. Nicht, um ihm den Rücken den anderen gegenüber freizuhalten, sondern weil sie fürchtete, er könne zu stark für sie werden. Jetzt gerade war er wahrscheinlich zu schwach, um ihre Hände abzuwehren. Im einen Augenblick überlegte sie, ob sie ihm den Ter'Angreal überlassen solle, und im nächsten schätzte sie den Grad seiner Erschöpfung ab. So oft sie auch von ihrer Liebe zu ihm sprach, wollte sie doch möglichst weit weg sein, wenn er sich erholt hatte und das Ding benützt. Ihr Blick wanderte noch einmal kurz über den Platz. Sie schürzte die Lippen. Doch dann öffnete sich neben ihr eine Tür, aber keine in die Dunkelheit, sondern in etwas, das wie ein Raum in einem Palast aussah — alles in weißem Marmor gehalten und mit seidenen Wandbehängen.

»Welche von ihnen wart Ihr?« fragte er, als sie darauf zutrat, und sie blieb stehen und sah sich nach hinten zu ihm um. Ihr Lächeln wirkte nun geradezu kokett.

»Glaubst du, ich könne es ertragen, die fette, häßliche Keille zu sein?« Sie strich mit den Hände über ihren schlanken Körper, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Isendre dagegen... Die schlanke, schöne Isendre. Ich dachte mir, wenn du einen Verdacht hättest, würde der Isendre gelten. Aber mein Stolz ist ausgeprägt genug, um, wenn es notwendig ist, auch ein wenig Fett zu ertragen.« Das Lächeln entblößte nun ihre Zähne. »Isendre glaubte, sie habe es mit einfachen Schattenfreunden zu tun. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie gerade dabei wäre, einigen zornigen Aielfrauen verzweifelt zu erklären, warum eine Menge von ihren goldenen Halsketten und Armreifen am Grund ihrer Truhe entdeckt wurde. Sie hat auch tatsächlich einige davon gestohlen.« »Ich habe mich wohl verhört, als Ihr sagtet, Ihr hättet niemandem etwas angetan?« »Jetzt kommt wohl wieder dein weiches Herz zum Vorschein. Ich kann auch ein zartes Frauenherz heraushängen, wenn ich will. Ich glaube nicht, daß du sie vor einer Prügelstrafe bewahren kannst, und das verdient sie auch, wenn ich bedenke, welche Blicke sie mir zugeworfen hat, aber wenn du schnell zurückkehrst, kannst du die anderen daran hindern, sie mit nur einem Wasserschlauch ausgerüstet zu Fuß durch dieses glühende Land zurückzuschicken. Wie es scheint, sind diese Aiel recht streng, was Diebe betrifft.« Sie lachte erheitert und schüttelte den Kopf. »So anders, als sie einmal waren. Man konnte einem Da'schain ins Gesicht schlagen, und er fragte lediglich, was er getan habe. Und wenn man noch mal zuschlug, fragte er höchstens, ob er provoziert habe. Das änderte sich nicht, und wenn man den ganzen Tag so weitermachte.« Sie warf Asmodean einen verächtlichen Seitenblick zu und fügte hinzu: »Lerne nur schnell und gut, Lews Therin. Ich will, daß wir gemeinsam regieren, und deshalb will ich auch nicht erleben, wie Sammael dich tötet oder Graendal dich ihrer Sammlung schöner junger Männer einverleibt. Lerne gut und schnell.« Sie trat in den mit weißem Marmor und Seide ausgestatteten Raum, und die Tür schien sich zur Seite zu drehen, zu verengen, und verschwand.

Rand atmete zum erstenmal seit ihrem Auftauchen richtig tief ein. Mierin. Eine Name, an den er sich von den Glassäulen her erinnerte. Die Frau, die im Zeitalter der Legenden das Gefängnis des Dunklen Königs gefunden und sich einen Weg hineingebahnt hatte. Hatte sie damals gewußt, was es war? Wie war sie diesem feurigen Verderben entronnen, das er gesehen hatte? Hatte sie sich sogar damals schon dem Dunklen König hingegeben?

Asmodean rappelte sich mühsam hoch. Er stand unsicher da und stürzte beinahe wieder. Er blutete nicht mehr, aber dünne Blutgerinnsel zogen sich immer noch von den Ohren an den Seiten seines Halses entlang nach unten, und Mund und Kinn waren blutverschmiert. Sein schmutziger roter Mantel war zerrissen, die weißen Spitzen verfilzt und zerfetzt. »Es war meine Verbindung zum Großen Herrn, die mir ermöglicht hat, Saidin zu berühren, ohne wahnsinnig zu werden«, sagte er heiser. »Alles, was Ihr fertiggebracht habt, war, mich genauso verwundbar zu machen, wie Ihr es seid. Ihr könnt mich genausogut laufen lassen. Ich bin kein sehr guter Lehrer. Sie hat mich nur deshalb dafür ausgewählt, weil... « Seine Lippen verzogen sich, als wolle er seine Worte zurückholen.

»Weil es niemand anderen dafür gibt«, beendete Rand den Satz und wandte sich ab.

Auf zittrigen Beinen überquerte Rand den breiten Platz, wobei er sich den Weg durch den Schutt bahnen mußte. Er und Asmodean waren von Avendesora aus halb um den Wald aus Glassäulen herumgeschleudert worden. Kristallsockel lagen zwischen umgestürzten Statuen von Männern und Frauen. Einige waren zu Bruchstücken zerbrochen, andere wiesen noch nicht einmal Scharten auf. Ein großer, abgeflachter Ring aus silbrigem Metall lag schief über aus Metall und Stein gefertigten Stühlen, anderen eigenartigen Gegenständen aus Metall und Kristall und Glas, alles in einem Schutthaufen unter zerschmetterten Brocken begraben. Obenauf stand ein schwarzer Metallschaft vollkommen aufrecht in unmöglich scheinendem Gleichgewicht. Aber so ähnlich sah es auf dem ganzen Platz aus.

Er suchte vom großen Baum aus ein wenig herum und hatte auch schnell gefunden, wonach er gesucht hatte. Er trat Bruchstücke von spiralförmigen Glasrohren aus dem Weg, schob einen einfachen, aus rotem Kristall geschnittenen Stuhl zur Seite und nahm eine fußhohe, weiße Steinfigur in die Hand, eine Frau mit ernstem, würdigem Gesicht in einer langen Robe. Sie hielt eine durchsichtige Kugel in einer Hand. Und die war noch ganz. Für ihn, wie für jeden Mann, war sie genauso nutzlos wie ihr männlicher Zwilling für Lanfear. Er überlegte, ob er sie zerbrechen solle. Wenn er diese Figur auf die Pflastersteine schmetterte, würde die Kristallkugel bestimmt zerplatzen.

»Danach hat sie gesucht.« Er hatte nicht bemerkt, daß ihm Asmodean gefolgt war. Wankend rieb sich der Mann über den blutverschmierten Mund. »Sie wird Euch das Herz aus dem Leib reißen, um das in die Hand zu bekommen.« »Oder Eures, weil Ihr es vor ihr geheimgehalten habt.

Sie liebt mich.« Licht, hilf mir. Als würde man von einer tollwütigen Wölfin geliebt.

Nach einem Augenblick der Überlegung nahm er die weibliche Statuette neben die männliche in seine Armbeuge. Er konnte sie vielleicht doch einmal gebrauchen. Und ich will nicht noch mehr zerstören. Doch als er sich umsah, entdeckte er außer Zerstörung noch etwas. Der Nebel war fast ganz von der Ruinenstadt gewichen. Nur ein paar hauchdünne Nebelschleier schwebten noch zwischen den Gebäuden, die unter der sinkenden Sonne noch immer aufrechtstanden. Der Boden des Tals senkte sich jetzt steil nach Süden zu, und aus dem großen Spalt quer durch die Stadt quoll Wasser! Die Spalte mußte tief sein und bis auf den großen, verborgenen Ozean hinabreichen, der sich dort unten befand. Jetzt lief bereits das untere Ende des Tals voll. Ein See. Er würde sich vielleicht einmal bis zur Stadt hin erstrecken. Ein möglicherweise drei Meilen langer See in einem Land, wo die Menschen schon über ein Wasserloch von zehn Fuß Durchmesser staunten. Menschen würden in dieses Tal ziehen und sich hier ansiedeln. Er sah schon die umgebenden Berge vor sich, wie man an den Hängen Terrassenfelder angelegt hatte, auf denen es grün sproß. Sie würden Avendesora pflegen, den letzten Chorabaum. Vielleicht würden sie sogar Rhuidean neu erbauen. Dann hatte auch die Wüste ihre Stadt. Ob er wohl lange genug leben würde, um das noch zu erleben?