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Dieser Blick machte Min Sorgen. Sie hatte sich eigentlich zurückhalten und nicht soviel sagen wollen, wie sie es nun tatsächlich getan hatte. Sie hatte immer noch nicht alles erzählt, aber eigentlich hätte sie wissen sollen, daß man einer Aes Sedai keine Gelegenheit nachzuhaken bieten durfte, auch wenn ihr nicht klar war, wie sie dieses Wissen benützen könnte. Doch die Aes Sedai hatten Übung darin. »Mutter, ich habe Moiraines Botschaft überbracht und Euch alles berichtet, was ich über die Bedeutung meiner Visionen weiß. Jetzt gibt es keinen Grund mehr, warum ich nicht meine eigene Kleidung wieder anlegen und gehen kann.« »Wohin willst du gehen?« »Nach Tear.« Nachdem sie sich mit Gawyn unterhalten und sich versichert hatte, daß er nicht irgendwelche Narreteien vorhatte. Sie hätte ja am liebsten gefragt, wo sich Egwene und die anderen beiden befanden, aber wenn die Amyrlin das nicht einmal Elaynes Bruder sagen wollte, würde sie es wohl kaum ihr anvertrauen. Und in Siuan Sanches Augen lag noch immer dieser berechnende Blick. »Oder eben dorthin, wo Rand ist. Ich bin vielleicht närrisch, aber sicher nicht die erste Frau, die sich eines Mannes wegen zum Narren macht.« »Aber die erste, die sich des Wiedergeborenen Drachens wegen zum Narren macht. Es wird gefährlich, sich in der Umgebung Rand al'Thors aufzuhalten, sobald die Welt einmal herausfindet, wer er ist und was er ist. Und falls er jetzt Callandor in Händen hält, wird es die Welt schnell genug erfahren. Die Hälfte wird sowieso versuchen, ihn umzubringen, in der Hoffnung, daß sie dadurch die Letzte Schlacht vermeiden können und den Dunklen König daran hindern, wieder freizukommen. Viele, die sich in seiner Nähe aufhalten, werden sterben. Es könnte besser für dich sein, wenn du hierbleibst.« Die Amyrlin klang verständnisvoll, doch Min nahm ihr das nicht ab. Sie glaubte einfach nicht, daß Siuan Sanche viel Verständnis für andere aufbringen könne. »Ich riskiere es; vielleicht kann ich ihm helfen. Mit meinen Visionen. Und es ist ja nicht so, daß er in der Burg sicherer wäre, solange es auch nur noch eine Rote Schwester hier gibt. Sie würden nur einen Mann sehen, der mit der Macht umgehen kann, und darüber die Letzte Schlacht und die Prophezeiungen des Drachen vergessen.« »Viele andere auch«, unterbrach Siuan sie gelassen. »Alte Denkweisen werden nur schwer abgelegt, bei den Aes Sedai genau wie anderswo.« Min sah sie fragend an. Sie schien nun auf einmal auf ihrer Seite zu stehen. »Es ist kein Geheimnis, daß ich mit Egwene und Nynaeve befreundet bin, und auch keines, daß sie aus dem gleichen Dorf kommen wie Rand. Für die Roten Ajah wird diese Verbindung völlig ausreichen. Wenn die Burg herausfindet, was er ist, dann werde ich wahrscheinlich noch vor Ende dieses Tages festgenommen. Egwene und Nynaeve auch, falls Ihr sie nicht irgendwo versteckt habt.« »Dann darf man dich eben nicht erkennen. Man fängt keinen Fisch, der das Netz sieht. Ich schlage vor, du vergißt deinen Mantel und die Hosen für eine Weile.« Die Amyrlin lächelte sie an wie eine Katze die Maus.

»Welchen Fisch wollt Ihr denn mit mir als Köder fangen?« fragte Min mit schwacher Stimme. Sie glaubte, es bereits zu wissen, und hoffte verzweifelt, unrecht zu haben.

Ihre Hoffnung hielt jedoch die Amyrlin nicht davon ab, zu sagen: »Die Schwarzen Ajah. Dreizehn von ihnen flohen, aber ich fürchte, es sind noch einige hier übrig. Ich kann nicht sicher sein, wem ich vertrauen kann. Eine Weile lang habe ich überhaupt niemandem mehr vertraut. Du bist kein Schattenfreund, das weiß ich, und dein ganz besonderes Talent mag vielleicht hilfreich sein. Zumindest aber habe ich mit dir ein weiteres Paar vertrauenswürdiger Augen.« »Das habt Ihr doch geplant, seit ich hier hereinspaziert bin, oder? Deshalb wollt Ihr, daß Gawyn und Sahra schweigen.« Der Zorn begann in Min zu kochen wie das Wasser im Kessel. Die Frau sagte: ›Frosch‹ und erwartete, daß die Leute hüpften. Daß sie das gewöhnlich auch taten, machte die Dinge nur noch schlimmer. Sie war kein Frosch und keine Marionette. »Habt Ihr das mit Egwene und Nynaeve und Elayne gemacht? Sie hinter den Schwarzen Ajah hergejagt? Das würde ich Euch zutrauen.« »Flick deine eigenen Netze, Kind, und laß diese Mädchen ihre Netze flicken. Soweit es dich betrifft, arbeiten sie zur Strafe auf einem Bauernhof. Drücke ich mich klar aus?« Dieser unbeirrbare Blick ließ Min nervös auf ihrem Stuhl umherrutschen. Es war leicht, der Amyrlin zu widersprechen, bis sie anfing, einen mit diesen scharfen, kalten, blauen Augen festzunageln. »Ja, Mutter.« Die Demut in ihrer Antwort stank zum Himmel, aber ein Blick in die Augen der Amyrlin überzeugte sie, daß es besser sei, es damit bewenden zu lassen. Sie zupfte an der feingesponnenen Wolle ihres Kleides. »Ich denke, es wird mich nicht umbringen, wenn ich das hier noch ein Weilchen länger trage.« Plötzlich blickte Siuan amüsiert drein. Min spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten.