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«Gibt es denn nicht irgend eine Arbeit, mit welcher Ihr Euch länger darin beschäftigen müßt?«

«Nein — oder doch! Da fällt mir etwas ein. Die Fenster sind schmutzig; ich könnte sie putzen.«

«Wird das nicht auffallen?«

«Nein. Da der Salon stets besetzt ist, so kann diese Arbeit nicht zu einer Zeit vorgenommen werden, in welcher niemand da ist.«

«Aber Ihr seid es nicht, der sie zu verrichten hat.«

«Das schadet nichts. Sie ist eigentlich des Stewards Sache; diesem aber thue ich den größten Gefallen, wenn ich sie ihm abnehme.«

«Aber er kann Verdacht fassen.«

«Nein. Er weiß, daß ich kein Geld habe und doch gern einen Brandy trinke. Ich sage, daß ich Durst habe, und an seiner Stelle für ein Glas die Fenster putzen will. Da wird er kein Mißtrauen fassen. Ihr braucht keine Sorge zu haben, Sir, ich werde es gewiß ermöglichen. Also wie viele Dollar versprecht Ihr mir?«

«Ich zahle nach dem Werte der Nachricht, welche Ihr mir bringt, zum wenigsten aber drei Stück.«

«All right; es wird gemacht. Schenkt mir noch einmal ein, dann will ich gehen.«

Als er sich entfernt hatte, wurde der Cornel gefragt, was er eigentlich mit dem erteilten Auftrage bezwecke. Er antwortete:»Wir sind arme Tramps und müssen überall sehen, wo wir bleiben. Wir haben hier Passage zahlen müssen, und so will ich wenigstens den Versuch machen, zu erfahren, ob wir dieses Geld nicht auf irgend eine Weise wieder bekommen können. Für den weiten Marsch, welchen wir vorhaben, müssen wir Vorbereitungen treffen, welche viel Geld kosten, und ihr wißt, daß unsre Beutel ziemlich leer geworden sind.«

«Wir wollen sie ja aus der Eisenbahnkasse füllen!«

«Wißt ihr so genau, daß uns dieser Plan gelingen wird? Wenn wir schon hier Geld machen können, so wäre es die größte Thorheit, die Gelegenheit unbenutzt vorübergehen zu lassen.«

«Also, daß ich es gerade heraussage, Diebstahl hier an Bord? Das ist gefährlich. Man kann doch nicht dann augenblicklich fort, und wenn der Betreffende den Verlust entdeckt, so gibt es ganz sicher ein schauderhaftes Hallo, dem eine Durchsuchung sämtlicher Personen und aller Winkel des Schiffes folgen wird. Gerade wir werden die ersten sein, auf welche der Verdacht fällt.«

«Du bist der größte Kindskopf, der mir vorgekommen ist. So eine Sache ist gefährlich und auch nicht, ganz je nachdem, wie sie angefaßt wird. Und ich bin nicht derjenige, der sie bei der falschen Seite faßt. Wenn ihr mir in allem folgt, so muß uns alles, auch dann der letzte große Coup gelingen.«

«Der droben am Silbersee? Hm! Wenn man dir da nur nicht einen Bären aufgebunden hat.«

«Pshaw! Ich weiß, was ich weiß. Es kann mir nicht einfallen, euch jetzt schon einen ausführlichen Bericht zu geben. Wenn wir an Ort und Stelle sind, werde ich, euch unterrichten. Bis dahin müßt ihr mir vertrauen schenken und mir glauben, wenn ich euch sage, daß es da oben Reichtümer gibt, welche für uns alle lebenslang ausreichen. Jetzt wollen wir alles unnötige Geschwätz vermeiden und lieber ruhig abwarten, was der dumme Nigger uns für einen Bericht bringt.«

Er lehnte sich an die Schanzverkleidung und schloß die Augen zum Zeichen, daß er nun nichts mehr hören wolle und nichts mehr sagen werde. Auch die andern machten es sich so bequem wie möglich. Die einen gaben sich Mühe, einzuschlafen, ohne aber diesen Zweck zu erreichen, die andern flüsterten leise miteinander über den großen Plan, zu dessen Ausführung sie sich auf Leben und Tod verbunden hatten.

Der» dumme Nigger «schien seiner Aufgabe doch gewachsen zu sein. Hätte er ein unüberwindliches Hindernis gefunden, so wäre er gewiß zurückgekehrt, um es zu melden. So aber war er erst nach dem Bedienungsraume gegangen, wohl um mit dem Steward zu sprechen, und dann im Eingange zum Salon verschwunden, ohne wieder gesehen zu werden. Es verging weit über eine Stunde, ehe er auf dem Deck erschien. Er hatte mehrere Wischtücher in der Hand, trug diese fort und kam dann zu der sogleich munter werdenden Gesellschaft, bei welcher er sich niederließ, ohne die vier Augen zu sehen, von denen er und die Tramps scharf beobachtet wurden. Diese vier Augen gehörten den beiden Indianern, dem alten und dem jungen Bär.

«Nun?«fragte der Cornel gespannt.»Wie habt Ihr Euch meines Auftrages entledigt?«

Der Gefragte antwortete mißgestimmt:»Ich habe mir alle Mühe gegeben, glaube aber nicht, daß ich für das, was ich gehört habe, mehr als die ausgemachten drei Dollar bekommen werde.«

«Warum?«

«Weil mein Lauschen vergeblich gewesen ist. Ihr habt Euch nämlich geirrt, Sir.«

«Worin?«

«Der Riese heißt allerdings Old Firehand, ist aber gar nicht Farmer und kann also diesen Tom und die Tante Droll auch nicht zu sich eingeladen haben.«

«Das wäre!«fuhr der Cornel auf, indem er den Ton der Enttäuschung nachahmte.

«Ja, es ist so, «bekräftigte der Neger.»Der Riese ist ein berühmter Jäger und will weit hinauf ins Gebirge.«

«Wohin?«

«Das sagte er nicht. Ich habe alles gehört und es ist mir kein einziges Wort des Gesprächs entgangen. Die drei Männer saßen mit dem Vater des Mädchens, welches der Panther fressen wollte, beisammen, abseits von den übrigen.«

«Will er allein hinauf?«

«Nein. Dieser Vater heißt Butler und ist ein Ingenieur; auch er will mit.«

«Ein Ingenieur? Was werden diese beiden in den Bergen wollen!«

«Vielleicht wurde eine Mine entdeckt, welche Butler untersuchen soll.«

«Nein, denn Old Firehand versteht das selbst besser als der klügste Ingenieur.«

«Sie wollen erst den Bruder Butlers aufsuchen, welcher in Kansas eine großartige Farm besitzt. Dieser Bruder muß ein sehr reicher Mann sein. Er hat Vieh und Getreide nach New Orleans geliefert und der Ingenieur hat das Geld dafür jetzt einkassiert, um es ihm mitzubringen.«

Das Auge des Cornels leuchtete auf; aber weder er noch einer der Tramps verriet durch eine Bewegung oder Miene, wie wichtig diese Mitteilung war.

«Ja, in Kansas gibt es steinreiche Farmer, «bemerkte der Anführer in gleichgültigem Tone.»Dieser Ingenieur aber ist ein unvorsichtiger Mensch. Ist die Summe groß?«

«Er flüsterte von neuntausend Dollar in Papier; ich habe es aber dennoch verstanden.«

«So eine Summe trägt man doch nicht mit sich herum. Wozu wären denn die Banken da. Wenn es den Tramps in die Hände fällt, so ist das Geld verloren.«

«Nein; sie würden es nicht finden.«

«O, die sind verschlagene Kerls.«

«Aber da, wo er es hat, werden sie gewiß nicht suchen.«

«So kennt Ihr das Versteck?«

«Ja. Er zeigte es den andren. Er that zwar heimlich dabei, weil ich zugegen war. Ich wendete ihnen den Rücken zu, und so glaubten sie, daß ich die Fingerzeige nicht sehen werde; aber sie dachten nicht an den Spiegel, in welchen ich blickte und in dem ich alles sah.«

«Hm, ein Spiegel ist trügerisch. Wer vor demselben steht, der sieht bekanntlich seine rechte Seite links und die linke rechts.«

«Das habe ich noch nicht beobachtet und verstehe nichts davon; aber was ich gesehen habe, das habe ich gesehen. Der Ingenieur hat nämlich ein altes Bowiemesser mit einem hohlen Griffe, in welchem die Noten stecken. Die Tramps mögen, falls er ihnen in die Hände fiele, ihn immerhin ausrauben. So ein altes, schlechtes Messer nimmt selbst der ärgste Räuber seinem Opfer nicht, weil er es eben nicht selbst braucht und dem Beraubten doch wenigstens eine Waffe, ein Werkzeug lassen muß, ohne welches er im Westen verloren wäre.«

«Das ist freilich sinnreich. Aber wo hat er denn das Messer? Er trägt keinen Jägeranzug, keinen Gürtel.«

«Er hat den Gürtel unter der Weste, und von demselben hängt die Ledertasche, in welcher es steckt, an der linken Seite unter dem Rockschoße herab.«

«So! Nun, das kann uns freilich nicht interessieren. Wir sind keine Tramps, sondern ehrliche Erntearbeiter. Es thut mir nur leid, daß ich mich in dem Riesen geirrt habe. Die Ähnlichkeit mit dem Farmer, den ich meine, ist sehr groß, und er führt auch ganz denselben Namen.«