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«Je berühmter sie sind, desto größer sollen ihre Qualen sein, «fügte der dritte hinzu.

«Meine Brüder haben gut gesprochen, «lobte der Alte.»Wir werden diese Hunde lebendig ergreifen.«

«Der alte Häuptling mag bedenken, welche Männer unter ihnen sind!«warnte der» große Wolf«.»Old Shatterhand drückt den Kopf eines Büffels nieder, und Old Firehand ist nicht schwächer. In ihren Waffen stecken alle bösen Geister. Und Winnetou ist ein großer Krieger — «

«Aber ein Apache!«fiel der Alte zornig ein.»Gehören die Navajos, welche gegen uns heranziehen, etwa nicht zu den Apachen? Er ist unser Todfeind und soll mehr gemartert werden als die Bleichgesichter. Ich weiß, welche Kräfte und Geschicklichkeiten diesen berühmten Bleichgesichtern gegeben sind, aber wir haben Krieger genug, sie zu erdrücken. Du hast das erste Recht zur Rache und sollst also der Anführer sein. Ich gebe dir dreihundert Krieger mit, und du wirst mir die Bleichgesichter lebendig bringen.«

«Darf ich mir dann, wenn sie an den Marterpfahl gebunden werden, die Skalpe von Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou nehmen?«

«Sie gehören dir, aber nur dann, wenn kein Weißer vorher getötet wird. Der vorzeitige Tod eines jeden bringt uns um die Wonne, ihre Qualen sehen zu können. Du hast bereits fünfzig Männer bei dir; da kommen auf jeden Weißen sieben Rote. Wenn ihr euch gut anschleicht, so muß es euch gelingen, sie zu umschlingen und zu binden, bevor sie recht erwachen. Nehmt genug Riemen mit! Jetzt komm; ich werde wählen, wer dich begleiten soll. Die Zurückbleibenden werden sich grämen; aber sie sollen dafür die vordersten an den Marterpfählen sein.«

Sie standen auf und machten einen Rundgang von Feuer zu Feuer, um die Auserwählten zu bestimmen. Bald waren dreihundert Mann beisammen und außerdem noch fünfzig zur Bewachung der Pferde, welche ja nicht ganz bis hin zu den Weißen mitgenommen werden konnten. Der» große Wolf «erklärte diesen Leuten, um was es sich handelte, beschrieb ihnen die Situation genau und setzte ihnen dann seinen Angriffsplan auseinander. Dann stiegen die Roten auf und begannen ihren für die Weißen so verhängnißvoll sein sollenden Ritt. Die Namen Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou klangen in aller Ohren. Welch ein Ruhm, solche Helden gefangen und an den Marterpfahl gebracht zu haben!

Es ging genau denselben Weg zurück, den der» große Wolf «gekommen war, doch nur bis in den Hauptcanon. Dort stieg man ab, um die Pferde unter dem Schutze der Fünfzig zurückzulassen. Bei der gegebenen Übermacht konnte das Unternehmen fast völlig gefahrlos genannt werden. Dennoch war das Gelingen nicht zu garantieren, und zwar in Rücksicht auf die Pferde. Der» große Wolf «wußte nur zu gut, daß die Pferde der Weißen einen anschleichenden Roten leicht mit der Witterung nehmen. Bei einer Schar von dreihundert Indianern war anzunehmen, daß die Pferde die Annäherung derselben durch große Unruhe und lautes Schnauben verraten würden. Was war dagegen zu thun? Der Häuptling sprach diese Frage nicht leise für sich aus, sondern laut, so daß es die Umstehenden hörten. Da bückte sich einer derselben nieder, riß eine Pflanze aus, hielt sie ihm hin und sagte:»Hier ist ein sicheres Mittel, den Geruch irre zu führen.«

Der Häuptling erkannte die Pflanze an dem Dufte derselben. Es war Salbei. Es gibt im fernen Westen Strecken, viele Quadratmeilen groß, welche ganz mit Salbei bedeckt sind. Auch in diesem Canon, dessen Grund die Sonne erreichen konnte, stand die Pflanze in Massen. Der Rat war gut und wurde sofort befolgt. Die Roten rieben ihre Hände und Kleider mit Salbei ein. Das gab einen so starken Duft, daß alle Hoffnung auf die Täuschung der Pferde vorhanden war. Außerdem bemerkte der» große Wolf«, daß der geringe Luftzug, welchen es gab, von abwärts heraufkam, also den Roten zu Gunsten. Diese hatten sich in Anbetracht ihrer numerischen Überlegenheit nicht mit Schießgewehren, sondern nur mit den Messern bewaffnet. Es galt, die Weißen so zu überrumpeln und zusammenzudrücken, daß es zu gar keinem Kampfe kommen konnte.

Nun wurde der Weitermarsch zu Fuße angetreten, ein Weg von drei englischen Meilen. Zunächst konnte man rüstig vorwärts schreiten; aber als zwei Meilen zurückgelegt waren, galt es, vorsichtiger zu sein.

Erst jetzt kam dem Häuptling der Gedanke, daß die Weißen aus Vorsicht ihr Lager an einem andern Orte aufgeschlagen haben könnten; er wurde durch denselben in eine fast fieberhafte Unruhe versetzt. Weiter ging es und weiter, leise und schlangengleich. Sechshundert Füße, und doch war nicht das mindeste Geräusch zu vernehmen; kein Steinchen wurde von seinem Orte bewegt, kein Zweig geknickt. Da — da blieb der voranschreitende Wolf stehen. Er sah das Wachtfeuer brennen. Es war gerade die Zeit, in welcher Old Firehand die Posten revidierte. Der Häuptling hatte am Tage gesehen, daß ein solcher ober- und ein andrer unterhalb aufgestellt worden war. Diese Wächter standen jedenfalls jetzt noch; sie waren es, welche zuerst unschädlich gemacht werden mußten.

Er gebot leise Halt und bedeutete nur zweien, ihm zu folgen. Sich auf die Erde legend, krochen sie weiter. Bald kamen sie zu dem oberen Posten, er sah Old Firehand nach, der ihn soeben verlassen hatte und kehrte den Roten den Rücken zu. Plötzlich legten sich zwei Hände um seinen Hals und vier andre ergriffen ihn an den Armen und Beinen. Er konnte nicht atmen, die Besinnung schwand ihm, und als er wieder zu sich kam, war er gefesselt und in dem Munde steckte ein Knebel, welcher ihn am Schreien verhinderte. Neben ihm saß ein Indianer, welcher ihm die Spitze seines Messers auf die Brust gesetzt hielt. Das erkannte er, obgleich der Schein des Mondes nicht herunter auf die Sohle des Canons drang.

Inzwischen war das Feuer verlöscht, und der Häuptling hatte abermals zwei Krieger zu sich beordert. Es galt dem untern Posten. Man mußte also am Lager vorüber. Da dasselbe diesseits des Wassers lag, so war es geraten, den Weg jenseits desselben zurückzulegen. Die drei wateten hindurch und krochen drüben weiter, ein nicht sehr gefährliches Beginnen. Es war anzunehmen, daß beide Posten in gleicher Entfernung von dem Lager placiert seien, und so konnte man leicht berechnen, welche Strecke zurückgelegt werden mußte. Das Wasser schimmerte phosphoreszierend, und das Plätschern konnte zum Verräter werden. Darum krochen die Roten noch eine Strecke weiter, gingen dann hinüber, legten sich wieder nieder und schoben sich dann auf Händen und Füßen wieder aufwärts. Nicht lange, so sahen sie den Posten; er stand sechs Schritte von ihnen, das Gesicht zur Seite gekehrt. Noch eine kurze Minute, ein Sprung, ein leises, kurzes Stampfen, und auch er war überwältigt. Die zwei Roten blieben bei ihm zurück, und der» große Wolf «ging allein über das Wasser, um nun den Hauptschlag auszuführen. Die Pferde standen in zwei Gruppen zwischen dem Lager und den beiden Posten. Sie hatten sich bis jetzt vollständig ruhig verhalten; es war aber nicht anzunehmen, daß dies auch fernerhin geschehen werde. Sie mußten, falls die Indianer nahe an ihnen vorüberkamen, trotz des Salbeigeruches Verdacht schöpfen. Darum hielt der» große Wolf «es für geraten, seine Leute auch über das Wasser gehen zu lassen. Dies geschah mit wirklich meisterhafter Geräuschlosigkeit. Drüben angekommen, legten sich alle nieder, um die Strecke von hundert Schritten kriechend zurückzulegen, bis sie sich dem Lager gegenüber befanden. Die größte Schwierigkeit dabei lag in der Überwindung des Umstandes, daß sich so viele Menschen auf engem Raum zusammengedrängt bewegen mußten, und zwar vollständig unhörbar. Als sie nun nebeneinander lagen, den Menschen und Pferden gegenüber, begannen die letzteren doch unruhig zu werden. Es galt, schnell zu handeln. Von einem leisen Überschreiten des Wassers konnte keine Rede sein.

«Vorwärts!«erklang die unterdrückte und doch von allen Roten vernehmbare Stimme des» großen Wolfes«.

Das Flüßchen wurde schnell übersprungen. Keiner der Weißen war noch wach; sie lagen alle im ersten Schlafe. Die nun folgende Scene ist nicht zu beschreiben. Die Bleichgesichter lagen nahe bei einander, so daß die dreihundert Indianer gar nicht Raum für ihre Bewegungen hatten. Ihrer fünf und sechs und noch mehr warfen sich auf einen Weißen, rissen ihn empor und schleuderten den Schlaftrunkenen den hinter ihnen Stehenden zu, um augenblicklich einen zweiten, dann dritten und vierten zu erfassen. Das kam über die Schlafenden so schnell, daß sie sich in der Gewalt der Indianer befanden, ehe sie nur recht wach geworden waren.