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«Ambition?«antwortete Droll, wegen seines Körperumfanges vom Laufen beinahe atemlos.»Die habe mer wohl im Leib, aber wer de Ambition behalte will, der muß vor alle Dinge den Leib ze rette suche. Darum bin ich fortgerannt.«

«Aber das war doch eegentlich gar nich erlaubt!«

«So? Warum soll das nicht erlaubt gewese sein?«

«Weil es unsre Pflicht war, unsre Freunde zu retten.«

«So! Und off welche Weise hättest se denne rette wolle?«

«Wir hätten uns off diese Roten werfen müssen, um sie zusammenzuhauen und niederzuschtechen.«

«Hihihihi! Zusammenhaue und niederschteche!«lachte Droll in seiner eigenartigen Weise.»Da hätte mer weiter nischt erreicht, als daß mer ooch mit gefange worde wäre.«

«Gefangen. Meenste etwa, daß unsre Gefährten nur gefangen worden sind, nicht erschossen, erschtochen und erschlagen?«

«Nee, umgebrunge hat mer se nich, das schteht fest. Ich weeß es genau.«

«Das könnte mich beruhigen!«

«Gut, so beruhige dich. Haste denn Schüsse gehört?«

«Ja.«

«Und wer is es denn, der geschosse hat? Etwa de Indianersch?«

«Nee, denn was ich hörte, das waren Revolverschüsse.«

«Also! De Indianersch habe ihre Gewehre gar nich gebraucht; es is also ihre Absicht gewest, de Bleichgesichter bei lebendige Leibe gefange ze nehme, um se schpäter desto mehr martern ze könne. Darum bin ich fort. Jetzt sind wir zwee beede gerettet und könne für unsre Leute mehr thun, als wenn mer mit gefange genomme worde wäre.«

«Da haste recht, Vetter, da haste recht! Es fällt mir een gewaltiger Schteen vom Herzen. Soll es etwa von dem weltberühmten Hobble-Frank heeßen, daß er, während seine Kameraden sich in Lebensgefahr befanden, das Hasenpanier angegriffen habe! Bei Leibe nich! Lieber schtürze ich mich ins dickste Kampfgewühl und haue um mich wie een rasender Hufeland. Es is geradezu gräßlich. Wer hätte in seinem schtillen, friedfertigen Temparamente ahnen können, daß so etwas geschehen werde! Ich bin ganz außer mir!«

«Ooch ich bin ganz ergriffe und erschrocke; aber verblüffe laß ich mich dennoch nich. Solche Leute wie Winnetou, Firehand und Shatterhand darf mer nich eher verlore gebe, als bis se in Wirklichkeet verlore sind. Und die sind doch ooch nich mal alleene, sondern es befinde sich Kerle bei ihnen, die Haare off de Zähne habe. Warte mersch also nur ruhig ab!«

«Das is sehre leicht gesagt. Was für Indianer mögen es nur gewesen sein?«

«Utahs natürlich. Der» große Wolf «is nich in sein Lager zurückgekehrt, sondern er hat gewußt, daß noch andre Utahs sich in der Nähe befinde, und diese herbeigeschafft.«

«Der Halunke! Und vorher hat er mit uns die Friedenspfeife geraucht! Von welcher Seite mag er wohl gekommen sein?«

«Ja, wenn ich das wüßte, dann wäre ich gescheiter, als ich jetzt bin. Da oben am Lagerplatze hält er sich gewiß nich off, sondern er läßt de Gefangene fortschaffe. Da wir nicht wisse, nach welcher Richtung er sich wende wird, so dürfe mer hier nich schtehe bleibe; mer müsse fort, viel weiter fort, bis mer eenen Ort finde, wo mer uns gut verschtecke könne.«

«Und dann?«

«Dann? Nun, mer werde warte, bis es Tag geworde is; dann untersuche mer de Schpure und loofe so lange hinter de Indianersch her, bis mer wisse, was mer für unsre Freunde thun könne. Jetzt aber fort. Komm!«

Er nahm Frank wieder beim Arme und berührte dabei den Stutzen.

«Was?«fragte er.»Zwee Gewehre haste?«

«Ja. Ich fand, als wir nach dem Wasser krochen, Old Shatterhands Henrystutzen.«

«Das is gut; das is ausgezeichnet. Der kann uns viel Nutze bringe. Aber verschtehste denn ooch, dermit ze schieße?«

«Natürlich! Ich bin so lange bei Old Shatterhand, daß ich sein Gewehr genau so kenne, wie er selbst. Aber jetzt vorwärts! Wenn's den Roten einfällt, flußab zu reiten, so holen sie uns ein, und wir sind perdüh. Ich aber muß mein teures Leben in acht nehmen, um es für die Rettung meiner Freunde offzuopfern. Wehe den Indianern, und wehe dem ganzen wilden Westen, wenn eenem von unsern Leuten een falsches Haar gekrümmt wird! Ich bin een guter Mensch; ich bin so zu sagen zwee Seelen und een Gedanke; aber wenn ich rabbiat werde, so haue ich die ganze formidable Weltgeschichte in die Pfanne. Du wirst mich schon noch kennen lernen. Ich bin een Sachse. Verschtehste mich! Wir Sachsen sind schtets een schtrategisch amüsantes Volk gewesen und haben in allen Kriegen und diatonischen Schtreitigkeeten die schwersten Prügel ausgeteelt.«

«Oder gekriegt!«versetzte Droll, indem er den Gefährten fortzog.

«Schweig!«antwortete dieser.»Ihr Altenburger seid nur Käsesachsen; wir aber an der Elbe sind die richtigen. So lange die menschliche Lippe von Kulturereignissen spricht, sind Moritzburg und Perne die symplegaden Mittelpunkte aller kalospinthechromokrenen Größe und Anschtändigkeet gewesen. Bei Leipzig wurde Napoleon geschlagen, und in Räcknitz bei Dresden is Moreau um seine zwee eenzigen beeden Beene gekommen; an der Weißeritz liegt die Pflanzschtätte der Kühnheet und der Tapferkeet, die ich in meinem Busen konsumiere, und so will ich den Roten nich raten, es bei mir bis zur Berserkerwut kommen zu lassen. Ich bin adstringiert in meinem Zorne und incapabel in meinem Grimme. Morgen, morgen schpreche ich weiter mit euch, morgen, wenn der Schtrahl der erschten Sonne dos à dos mit dem letzten Scheine der Finsternis ins blutige Gefilde schtürzt!«Er ballte die Faust und schüttelte sie drohend hinter sich. Noch nie im Leben war er so aufgeregt und wütend gewesen wie jetzt; das zeigte sich nicht bloß in seinen Worten, sondern auch in der Weise, wie er jetzt trotz der Finsternis vorwärts stürmte, als gelte es, die Feinde zu ereilen, welche er doch hinter sich hatte.

Und doch war die Richtung, welche die beiden eingeschlagen hatten, die richtige und für sie am besten geeignete, an die Roten zu kommen, wie sie zu ihrer Überraschung später erkennen sollten. Um ja nicht von den Indianern eingeholt zu werden, beschleunigten sie ihre Schritte so sehr, wie es bei der herrschenden Dunkelheit möglich war. Das Wasser rechts und die Felsenwand zur linken Hand, gingen sie immer südwärts, bis nach ungefähr einer Stunde der Canon eine Wendung nach Osten machte. Über dem dadurch gebildeten Winkel erschien zu ihrer rechten Hand und zu ihrer Überraschung der Mond am Himmel, nach welchem empor sich ein freier Blick dadurch öffnete, daß von dieser Seite ein Neben- in den Hauptcanon mündete. Droll blieb stehen und sagte:»Halt! Hier müsse mer überlege, wohin mer uns wende wolle, nach 'rebber oder nach 'nebber.«

«Darüber kann's gar keenen Zweifel geben, «meinte Frank.»Wir müssen in das Nebenthal.«

«Warum?«

«Weil mit absoluter Konsekration anzunehmen is, daß die Roten im Hauptcanon bleiben werden. Verschtecken wir uns in den Nebencanon, so ziehen sie an uns vorüber, und wir können uns dann früh mit obligatorischer Hypnologie an ihre hintersten Fersen heften. Meenste nich?«

«Hm, der Gedanke is nich übel, zumal der Mond grad über dem Seitenthale schteht und uns den Weg beleuchtet.«

«Ja, Luna schtrahlt mir Trost ins Herz und küßt mir die brausenden Schtröme meiner Thränen aus dem vor Wut vertrockneten Gemüte. Folgen wir ihrem süßen Schtrahle! Vielleicht führt uns der traute Schein an eenen Ort, wo wir uns gut verschtecken können, was in unsrer imponderabeln Situation die Hauptsache is.«

Sie sprangen über das Wasser und drangen in den Seitencanon ein, in welchem jetzt kein Wasser floß, doch gab es Anzeichen genug, daß zu einer andern Jahreszeit die ganze Sohle des schmalen Thales ein Wasserbett bildete. Ihre Richtung war jetzt genau westlich. Sie mußten tief in den Canon eindringen, um nicht von den Indianern doch entdeckt zu werden. Wohl eine halbe Stunde lang waren sie demselben gefolgt, als sie plötzlich, auf das angenehmste überrascht, stehen blieben. Die Felswand zu ihrer Rechten hörte nämlich plötzlich auf, um mit einer von Norden kommenden Wand eine scharfe Ecke zu bilden. Da lag nun vor ihnen nicht etwa freies Terrain, sondern Wald, ein wirklicher Wald, wie kein Fremder ihn hier hatte ahnen können. Über nur wenigem Unterholz wölbten sich die Wipfel so dicht, daß das Licht des Mondes nur an einzelnen Stellen durchzudringen vermochte. Es war der Wald des Wassers, in welchem die Utahs ihr Kriegslager aufgeschlagen hatten.