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«Das hat seine Richtigkeet. Also jetzt wieder nieder off de Erde, und dann weiter fort! Ich krieche voran.«

«Warum denn du?«

«Weil ich länger im Westen gewesen bin und mich offs Anschleichen besser verschtehe als du.«

«Ach, rede nich! Bilde dir nur nich solche große Rosinen ein! Ich bin erfahren in allen kontrapretiosen Angelegenheeten des westlichen Daseins. Die ungeheure Anbequemlichkeet, mit welcher ich selbst den schwierigsten Gegenschtand als reenes Kinderspiel begreife, hat mein Offfassungsvermögen zu eener solchen Terpsichorität gebracht, daß es überhaupt gar nischt geben kann, worin ich nich sofort Meester bin. Aber weil du mein geliebter Vetter bist, will ich dir den Vortritt lassen. Aber paß nur genau off! Will dich vorn eener totschtechen, so sag nur eenen Mux, damit ich dir von hinten beischtehen kann. Ich laß dich nich im Schtich!«

Der kleine Sachse bewies jetzt wirklich, daß er bei Old Shatterhand in einer vortrefflichen Schule gewesen war. Er machte seine Sache ausgezeichnet. Trotzdem er zwei Gewehre zu tragen hatte, bewegte er sich gewandt und geräuschlos vorwärts. Sein Vordermann hatte freilich den schwierigeren Teil der Aufgabe zu überwinden, welcher darin bestand, jeden Gegenstand, welcher zur Deckung geeignet war, zu benutzen.

Sie kamen vielleicht in einer Entfernung von fünfzig Schritten an den Häuptlingen vorüber und wendeten sich nach dem nächsten Feuer, welches glücklicherweise dasjenige war, an welchem die Gefangenen lagen. Droll sagte sich natürlich, daß dieselben nicht an einer dunkeln Stelle zu suchen seien. Sicher, wenn auch langsam, aber doch stetig kamen sie näher, was freilich nicht ohne alle Gefahr bewerkstelligt werden konnte. Es kam einigemale vor, daß ein Roter ganz nahe an ihnen vorüberhuschte. Einmal mußte Frank sich blitzschnell zur Seite werfen, um nicht von dem Fuße eines vorbei eilenden Indianers berührt zu werden. Später aber hörte dieses Hin- und Herlaufen auf. Diejenigen, welche den Totengesang übernommen hatten, hockten um die Leiche, und die andern hatten sich ausgestreckt, um eine Stunde zu schlafen.

So gelangten die beiden bis hinter die Wachen, welche den Platz der Gefangenen umstanden. Droll lag hinter einem Baume und Frank hinter dem nächsten. Der Mann, welcher das Feuer zu unterhalten hatte, war einmal fortgegangen, um bei der Leiche in das Klagelied einzustimmen, und einige der zwölf Wächter hatten dasselbe gethan. Die Flamme war zusammengesunken und gab ein sehr ungenügendes Licht. Die Gestalten der Gefangenen waren kaum zu erkennen. Droll kroch einige Schritte nach rechts, dann eine kleine Strecke weit nach links, ohne aber einen Wächter zu erblicken. Als er dann zu Frank zurückkam, flüsterte er diesem zu:»Der Oogenblick scheint mer günstig zu sein. Siehste Old Shatterhand?«

«Ja. Er is ja hier gleich der erschte.«

«Kriech zu ihm hin und bleib so steif bei ihm liegen, als ob du ooch gefesselt wärscht!«

«Und du?«

«Ich mach mich zu Old Firehand und Winnetou, die da drüben liegen.«

«Das is gefährlich!«

«Ooch nich mehr als hier. Was wird Old Shatterhand für Freede habe, wenn er seinen Stutzen wieder hat! Mach schnell!«

Der Hobble-Frank hatte keine große Strecke, höchstens acht Schritte zurückzulegen. Eben fiel die Flamme so weit nieder, daß es schien, als ob das Feuer vollständig verlöschen wolle; es wurde so dunkel, daß man die Gestalten der Gefangenen nicht mehr zu unterscheiden vermochte. Einer der Wächter ging hin, um neues Holz aufzulegen; aber ehe dasselbe vom Feuer ergriffen wurde, hatten Droll und Frank die Dunkelheit benutzt; beide befanden sich an Ort und Stelle.

Frank hatte sich neben Old Shatterhand gelegt. Er streckte die Beine aus, als ob er gefesselt sei, schob seinem Nachbar den Henrystutzen hin und zog dann die Arme an, damit die Wächter denken sollten, sie seien ihm an den Leib gebunden.

«Frank, du?«fragte Old Shatterhand leise, aber nicht etwa im Tone des Staunens.»Wo ist Droll?«

«Drüben liegt er, bei Firehand und Winnetou.«

«Gott sei Dank, daß ihr die Fährte gefunden habt und noch vor Tage kommen konntet!

«Wußten Sie denn, daß wir kommen würden?«

«Natürlich! Als die Kerle das Feuer anbrannten, sah ich, daß ihr nicht unter den Gefangenen waret.«

«Wir konnten doch noch in der Spalte schtecken und ergriffen werden!«

«Pshaw! Die Roten suchten ja dort nach meinem Gewehre. Ich hatte Angst, ob sie euch drin finden würden; aber sie kamen ohne euch heraus, und mein Stutzen war verschwunden; das sagte mir alles. Ich habe so fest geglaubt, ihr werdet uns nicht verlassen, daß ich dem» großen Wolfe «mit dem Tode gedroht habe.«

«Das is kühn!«

«Lieber Frank, nur dem Kühnen gehört die Welt!«

«Ja, dem Kühnen und dem Hobble-Frank. Habe ich meine Sache nich tribunal gemacht? Sind wir unsern kameradlichen Verpflichtungen und Obliegenheeten nich ganz pizzicato nachgekommen?«

«Ausgezeichnet habt ihr euch verhalten, ausgezeichnet!«

«Ja, ohne uns wären Sie futsch gewesen!«

«Das nun gerade nicht. Du weißt, daß ich mein Spiel erst dann verloren gebe, wenn es wirklich zu Ende ist. Hier aber gibt es nicht nur Karten, sondern sogar noch Trümpfe genug. Wäret ihr nicht gekommen, so hätten wir uns auf andre Weise helfen müssen. Da, schau her!«

Frank blickte zu ihm hin und sah, daß der Jäger ihm die freie Rechte zeigte.

«Diese Hand habe ich schon losgemacht, «fuhr derselbe fort;»die andre würde in einer Viertelstunde auch frei gewesen sein. Ich habe in meiner kleinen, verborgenen Tasche ein Federmesser, welches von Mann zu Mann gegangen wäre, so daß wir alle in kurzer Zeit unsre Riemen zerschnitten hätten. Dann schnell aufgesprungen und zu den Waffen gerannt, welche drüben bei den Häuptlingen liegen — «

«Das wissen Sie auch?«

«Ich wäre ein schlechter Westmann, wenn mir das hätte entgehen können. Ohne Waffen gibt es keine Rettung für uns; also habe ich gleich von Anfang an scharf aufgepaßt, wohin sie gethan wurden. Jetzt vor allen Dingen muß ich wissen, wie ihr hierher gekommen seid. Ihr seid den Roten gefolgt?«

«Nee, das nich; wir sind ja schon viel eher fort als sie.«

«Um sie zu beobachten und ihnen nachzugehen?«

«Ooch nich. Wir sind ganz inflexibel ausgerissen, immer den Canon hinab, bis wir in een Seitenthal kamen, in welches wir uns kompromittieren konnten. Wir hatten die Absicht, dann schpäter beim hellen Tageslicht die Fährte der Roten offzusuchen, um zu sehen, was wir für Sie thun könnten.«

«Ach! So ist es also eigentlich nicht euer Verdienst, daß ihr diesen Wald gefunden habt?«

«Nee, den Wald haben wir eegentlich nich verdient; aber da der Zufall ihn uns eemal entgegengeworfen hat, werden Sie es uns wohl nich übelnehmen, daß wir nachher so frei gewesen sind, Ihnen die schuldige Neujahrsvisite abzuschtatten.«

«Du wirst ironisch.«

«Das weniger; ich möchte hiermit nur kontrahiert haben, daß es keene Leichtigkeet war, uns durch den Wald und diese Roten zu Ihnen hindurch zu assimilieren.«

«Das weiß ich wohl zu würdigen, alter Frank. Ihr habt euer Leben für uns gewagt, und wir werden euch das nie vergessen. Darauf kannst du dich verlassen. Aber, zieh dein Gewehr an dich! Es kann leicht gesehen werden. Und gieb dein Messer her, damit ich meinen Nachbar frei mache; der wird es dann weiterreichen.«

«Und nachher, wenn die Fesseln fort sind, was thun wir dann? Erscht zu den Waffen, nachher zu den Pferden rennen, und dann fort?«

«Nein; wir bleiben.«

«Alle Teufel! Is das Ihr subhastierter Ernst? Da bleiben! Wird das von Ihnen Rettung genannt?«

«Ja.«