«Thunder-storm! Willst du etwa das Schiff anbohren?«fuhr der andre auf.
«Allerdings will ich das.«
«Daß wir alle ersaufen.«
«Pshaw! Mache dich nicht lächerlich! Vom Ertrinken ist keine Rede. Ich will nur den Kapt'n zwingen, ans Ufer zu legen.«
«Ah so! Aber wird das gelingen?«
«Jedenfalls. Wenn das Schiff Wasser zieht, muß ein Leck da sein, und wenn ein Leck da ist, fährt man an das Ufer, um der Gefahr zu entgehen und das Schiff mit Muße zu untersuchen.«
«Aber wenn man es zu spät bemerkt!«
«Sei doch nicht so ängstlich. Wenn das Schiff sinkt, was sehr langsam geschieht, so steigt die Wasserlinie außen. Das muß der Offizier oder Steuermann bemerken, wenn er nicht blind ist. Es wird das einen solchen Lärm und Schreck geben, daß der Ingenieur zunächst gar nicht an sein Messer denken wird. Wenn er dann den Verlust entdeckt, sind wir längst fort.«
«Und wenn er doch an das Messer denkt und zwar am Ufer anlegt, aber keinen Menschen aussteigen läßt? Man muß alles überlegen.«
«So wird man auch nichts finden. Wir binden das Messer an eine Schnur, lassen es an derselben ins Wasser hinab und befestigen das andre Ende draußen am Schiffe. Wer es da findet, der muß geradezu allwissend sein.«
«Dieser Gedanke ist freilich nicht übel. Was aber dann, wenn wir vom Schiffe sind? Wir wollten doch eigentlich so weit wie möglich mit demselben fahren.«
«Für neuntausend Dollar läuft man gern eine Strecke. Wenn wir teilen, kommt auf den Kopf eine Summe von weit über vierhundert Dollar. Übrigens werben wir uns nicht zu lange auf unsre Beine zu verlassen brauchen. Ich denke, daß wir bald eine Farm oder ein Indianerlager treffen, wo wir uns Pferde kaufen können, ohne sie zu bezahlen.
«Das lasse ich gelten. Und dann reiten wir wohin?«
«Zunächst nach dem Black-bear-Flusse.«
«Etwa zu den Rafters, von denen der Nigger sprach?«
«Ja. Es ist sehr leicht, ihr Lager auszukundschaften. Natürlich lassen wir uns dort nicht sehen, sondern lauern den Schwarzbärtigen ab, um auch ihm sein Geld abzunehmen. Ist das geschehen, so haben wir genug, um uns für unsern weiten Ritt ausrüsten zu können.«
«Auf die Eisenbahnkasse wollen wir also dann verzichten?«
«Keineswegs. Sie wird viele, viele Tausende enthalten, und wir werden uns dieses Geld holen. Wir wären aber Thoren, wenn wir nicht schon vorher alles mögliche mitnähmen. Und nun wißt ihr, woran ihr seid. Heute abend gibt's zu thun, und an Schlaf ist nicht zu denken. Darum legt euch jetzt aufs Ohr, damit ihr dann frisch seid und gut marschieren könnt.«
Dieser Weisung wurde Folge geleistet. Es herrschte überhaupt infolge der großen Hitze auf dem Schiffe eine ganz ungewöhnliche Stille und Ruhe. Die Landschaft rechts und links des Flusses bot nichts, was die Aufmerksamkeit der Passagiere auf sich zu ziehen vermochte, und so verbrachte man die Zeit schlafend oder wenigstens in jenem Hindämmern, welches das Mittelding zwischen Schlafen und Wachen ist und weder dem Körper noch dem Geiste eine wirkliche Erholung gewährt.
Erst gegen Abend, als die Sonne sich dem Horizonte näherte, gab es wieder Bewegung auf dem Deck. Die Hitze hatte nachgelassen und ein leidlich frischer Luftzug war wach geworden. Die Ladies und Gentlemen kamen aus ihren Kabinen, um diese Frische zu genießen. Auch der Ingenieur befand sich unter ihnen. Er hatte seine Frau und Tochter mit, welch letztere sich von ihrem Schrecken und dem unfreiwilligen Wasserbade vollständig erholt hatte. Diese drei Personen suchten die Indianer auf, da die beiden Damen denselben noch nicht gedankt hatten.
Der alte und der junge Bär hatten den ganzen Nachmittag mit echt indianischer Ruhe und Unbeweglichkeit auf derselben Kiste zugebracht, auf welcher sie schon gesessen hatten, als sie von Tante Droll begrüßt worden waren. Sie saßen auch jetzt noch da, als der Ingenieur mit Frau und Tochter zu ihnen kam.»He — el bakh schai — bakh matelu makik — jetzt werden sie uns Geld geben, «sagte der Vater in der Tonkawasprache zu seinem Sohne, als er sie kommen sah.
Sein Gesicht verfinsterte sich, da die von ihm angegebene Art und Weise der Dankbarkeit für einen Indianer eine Beleidigung ist. Der Sohn hielt die rechte Hand, mit dem Rücken nach oben gerichtet, vor sich hin und ließ sie dann rasch sinken, was soviel bedeutet, daß er mit seinem Vater nicht derselben Ansicht sei. Sein Auge ruhte mit Wohlgefallen auf dem Mädchen, welches er gerettet hatte. Dieses kam mit raschen Schritten auf ihn zu, nahm seine Hand zwischen die ihrigen beiden, drückte sie herzlich und sagte:»Du bist ein guter und mutiger Knabe. Schade, daß wir uns nicht nahe wohnen, ich würde dich lieb haben.«
Er sah ihr ernst in das rosige Gesichtchen und antwortete:»Mein Leben würde dir gehören. Der große Geist diese Worte hören, er wissen, daß sie wahr sind.«
«So will ich dir wenigstens ein Andenken geben, damit du dich meiner erinnerst. Darf ich?«
Er nickte nur. Sie zog einen dünnen Goldring von ihrem Finger und steckte ihm denselben an den linken kleinen Finger, an welchen er gerade paßte. Er blickte auf den Ring und dann auf sie, griff unter seine Zunidecke, nestelte etwas vom Halse los und gab es ihr. Es war ein kleines, starkes, viereckiges Lederstück, weiß gegerbt und glatt gepreßt, auf welches einige Zeichen eingepreßt waren.
«Ich dir auch geben Andenken, «sagte er.»Es ist Totem von Nintropan-homosch, nur Leder, kein Gold. Aber wenn du kommen in Gefahr bei Indianer und es vorzeigen, dann Gefahr gleich zu Ende. Alle Indianer kennen und lieben Nintropan-homosch und gehorchen sein Totem.«
Sie verstand nicht, was ein Totem sei und welch einen großen Wert es unter Umständen haben kann. Sie wußte nur, daß er ihr für den Ring ein Stück Leder als Gegengabe schenkte; aber sie zeigte sich nicht enttäuscht. Sie war zu mild- und gutherzig, als daß sie es über das Herz gebracht hätte, ihn durch die Zurückweisung seiner scheinbar armseligen Gabe zu kränken. Darum band sie sich das Totem um den Hals, wobei die Augen des jungen Indianers vor Vergnügen leuchteten, und antwortete:»Ich danke dir! Nun besitze ich etwas von dir und du hast etwas von mir. Das erfreut uns beide, obgleich wir uns auch ohne diese Gaben nicht vergessen würden.«
Jetzt bedankte sich auch die Mutter des Mädchens und zwar durch einfachen Händedruck. Dann sagte der Vater:»Wie soll nun ich die That des kleinen Bären belohnen? Ich bin nicht arm; aber alles, was ich habe, wäre zu wenig, für das, was er mir erhalten hat. Ich muß also sein Schuldner bleiben, aber auch sein Freund dazu. Nur ein Andenken kann ich ihm geben, mit welchem er sich gegen seine Feinde schützen kann, wie er meine Tochter gegen den Panther verteidigt hat. Wird er diese Waffen nehmen? Ich bitte ihn darum.«
Er zog zwei neue, sehr gut gearbeitete Revolver, deren Kolben mit Perlmutter ausgelegt waren, aus der Tasche und hielt sie ihm entgegen. Der junge Indianer brauchte sich keinen Augenblick über das, was er zu thun habe, zu besinnen. Er trat einen Schritt zurück, richtete sich kerzengerade auf und sagte:»Der weiße Mann bietet mir Waffen; das große, große Ehre für mich, denn nur Männer erhalten Waffen. Ich nehmen sie an und sie nur brauchen dann, wenn verteidigen gute Menschen und schießen auf böse Menschen. Howgh!«
Er nahm die Revolver und steckte sie unter der Decke in seinen Gürtel. Jetzt konnte sein Vater sich nicht länger halten. Man sah es seinem Gesichte an, daß er mit seiner Rührung kämpfte. Er sagte zu Butler:»Auch ich weißem Mann danken, daß nicht geben Geld wie an Sklaven oder Menschen, die keine Ehre haben. So sein es großer Lohn, den wir nie vergessen. Wir stets Freunde des weißen Mannes, seiner Squaw und seiner Tochter. Er gut bewahren Totem von jungem Bär; es sein auch das meinige. Der große Geist ihm stets schicken Sonne und Freude!«