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«Da konntet ihr die Reden halten, so lang es euch beliebte, «fiel Old Shatterhand ein.»Die Bleichgesichter aber lieben es, sich kurz zu fassen, und dies wollen wir jetzt thun.«

Wenn der Rote ein Palaver hält, so findet er kein Ende. Die jetzige Unterredung hätte vielleicht Stunden in Anspruch genommen, wenn Old Shatterhand nicht schon die Einleitung abgeschnitten hätte. Der Rote warf ihm einen halb verwunderten, halb zornigen Blick zu, setzte sich wieder nieder und sagte:»Der» alte Donner «ist ein berühmter Häuptling. Er zählt viel mehr Jahre als Old Shatterhand und ist nicht gewohnt, sich von jungen Männern unterbrechen zu lassen. Wenn die Bleichgesichter mich beleidigen wollen, so brauchten sie mich nicht kommen zu lassen. Ich habe gesprochen. Howgh!«

«Ich habe nicht die Absicht gehabt, dich zu kränken. Ein Mann kann viele Jahre zählen und doch weniger erfahren haben als ein jüngerer. Du wolltest von den Zeiten reden, in denen es noch keine Bleichgesichter gab; wir aber haben die Absicht, von dem heutigen Tage zu sprechen. Und wenn ich es bin, der dich rufen ließ, so werde ich auch derjenige sein müssen, welcher zuerst spricht, um dir zu sagen, was ich von dir will. Auch ich habe gesprochen. Howgh!«

Das war scharf zurechtgewiesen. Er deutete den Roten dadurch an, daß er es sei, der hier zu sprechen und zu fordern habe. Sie schwiegen, und darum fuhr er fort:»Du hast meinen Namen genannt und kennst mich also. Kennst du auch die beiden Krieger, welche hier neben mir sitzen?«

«Ja. Es ist Old Firehand und Winnetou, der Häuptling der Apachen.«

«So wirst du wissen, daß wir stets die Freunde der roten Männer gewesen sind. Kein Indianer kann sagen, daß wir ihm unbeleidigt entgegengetreten sind; ja, wir haben oft auf unsre gerechte Rache verzichtet und verziehen, wo wir hätten strafen sollen. Warum verfolgt ihr uns?«

«Weil ihr die Freunde unsrer Feinde seid.«

«Das ist nicht wahr. Der» große Wolf «hat uns gefangen genommen, ohne daß wir ihm geringste Feindseligkeit erwiesen hatten. Er trachtete uns wiederholt nach dem Leben und brach mehreremal sein Wort. Um unser Leben zu retten, mußten wir uns gegen die Utahs wehren.«

«Habt ihr nicht im Walde des Wassers den alten Häuptling niedergeschlagen und andre Häuptlinge und Krieger mitgenommen?«

«Wieder nur, um uns zu retten.«

«Und jetzt befindet ihr euch bei den Navajos und Timbabatschen, welche unsre Feinde sind!«

«Aus Zufall. Wir wollten nach dem Silbersee und trafen hier auf sie. Wir hörten, daß es zum Kampfe zwischen euch und ihnen kommen werde, und beeilen uns, Frieden zu stiften.«

«Wir wollen Rache, aber keinen Frieden, und aus euren Händen am allerwenigsten.«

«Ob ihr ihn annehmt, das ist eure Sache; wir halten es für unsre Pflicht, ihn euch anzubieten.«

«Wir sind Sieger!«

«Bis vorhin, aber nun nicht mehr. Ihr seid schwer gekränkt worden; das wissen wir; aber es ist ungerecht von euch, euch an Unschuldigen zu rächen. Unser Leben hat wiederholt auf dem Spiele gestanden. Wäre es auf euch angekommen, so wären wir längst am Marterpfahle gestorben, wie die andern Bleichgesichter im Thale der Hirsche.«

«Was wißt ihr davon?«

«Alles. Wir haben ihre Leiber begraben.«

«So warst du dort?«

«Ja. Wir waren mitten unter euch. Wir haben gehört, was die Utahs sprachen, und gesehen, was sie thaten. Wir standen unter den Bäumen, als die Navajos kamen, und sahen, daß ihr sie von dannen getrieben habt.«

«Das ist unmöglich; das ist nicht wahr.«

«Du weißt, daß ich nicht lüge. Fragt die Häuptlinge der Utahs, welche dabei gewesen sind.«

«Wo sollen wir sie fragen? Sie sind verschwunden.«

«Wohin?«

«Wissen wir es?«

«Sind sie von den Navajos getötet worden?«

«Nein. Wir glaubten es, aber wir fanden ihre Leiber nicht. Dann glaubten wir, sie seien gefangen; aber wir haben die Navajos hart verfolgt und keinen einzigen Gefangenen bei ihnen gesehen, während viele von ihnen in unsre Hände geraten sind. Die Häuptlinge der Utahs befinden sich nicht bei den Navajos.«

«Aber verschwunden können sie doch nicht sein!«

«Der große Geist hat sie zu sich genommen.«

«Nein. Der große Geist mag von so treulosen und verräterischen Männern nichts wissen. Er hat sie in unsre Hände gegeben.«

«In eure Hände?«

«Ja, in die Gewalt der Bleichgesichter, welche ihr verderben wolltet.«

«Deine Zunge ist falsch; sie spricht solche Worte, um uns den Frieden abzuzwingen.«

«Ja, ich will und werde euch den Frieden abzwingen, ich sage die Wahrheit. Als wir des Abends im Thale der Hirsche bei euch waren, haben wir die drei Häuptlinge gefangen genommen.«

«Ohne daß ihre Krieger es merkten?«

«Niemand konnte es sehen oder hören. Wir haben sie niedergeschlagen, ohne daß sie ein Wort zu sprechen vermochten. Nennt man mich nicht Old Shatterhand?«

«Es ist nicht wahr. Man hätte euch sehen müssen.«

«Es gibt im Thale der Hirsche ein Versteck, welches wir kennen, aber nicht ihr. Ich will dir beweisen, daß ich die Wahrheit spreche. Was ist das?«

Er zog einen schmalen Riemen aus der Tasche, welcher mit walzenförmig geschnittenen Knöpfen aus der Schale der Venusmuschel besetzt war, und hielt ihm denselben vor das Gesicht.

«Uff!«rief der» alte Donner «erschrocken.»Der Wampun der» gelben Sonne«! Ich kenne ihn genau.«

«Und dieser hier?«

Er brachte einen zweiten Riemen hervor.

«Der Wampun des Häuptlings» vier Büffel«! Auch den kenne ich.«

«Und dieser dritte Wampun?«

Als er auch noch einen dritten Riemen zeigte, wollte dem Alten das Wort im Munde stocken. Er machte eine Bewegung des Entsetzens und stieß in abgerissenen Sätzen hervor:»Kein Krieger gibt sein Wampun her; er ist ihm heilig über alles. Wer den Wampun eines andern besitzt, hat denselben getötet oder gefangen genommen. Leben die drei Häuptlinge noch?«

«Ja.«

«Wo sind sie?«

«In unsrer Gewalt, gut aufgehoben.«

«Am Silbersee?«

«Du fragst zu viel. Bedenke, wer sich außer ihnen noch bei uns befindet! Es sind lauter Häuptlinge und tapfere Krieger, welche später ganz gewiß Häuptlinge werden.«

«Was wollt ihr mit ihnen thun?«

«Leben gegen Leben, Blut gegen Blut! Macht Frieden mit den Navajos und Timbabatschen, so geben wir die Gefangenen heraus!«

«Auch wir haben Gefangene gemacht. Tauschen wir sie um, Mann für Mann.«

«Hältst du mich für einen Knaben, daß du meinst, ich wisse nicht, daß man einen Häuptling für wenigstens dreißig Krieger austauscht? Überlege dir meinen Vorschlag, und denke, daß es besser ist, die Freiheit dieser Anführer zu erhalten, als noch hundert oder zweihundert Feinde umzubringen.«

«Und die Beute rechnest du nicht?«

«Beute? Pshaw! Von Beute ist keine Rede, denn ihr werdet keine machen, weil ihr nicht wieder siegen werdet. Jetzt stehen wir euch gegenüber, fünfzig weiße Jäger. Wir sind die Gefangenen der Utahs gewesen und haben ihrer doch gelacht; sie mußten uns gehen lassen und uns sogar ihre Häuptlinge mitgeben. Das thaten wir, als wir gefesselt und in Banden lagen. Was werden wir vermögen, wenn wir frei und ungehindert sind! Ich sage dir, wenn du nicht deinen Frieden mit uns machst, so werden die wenigsten von euch ihre heimatlichen Wigwams wiedersehen!«