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Beide begannen zu raten, wie es den Erzgräbern gelungen sein mochte, das furchtbare Tier zu zähmen. Dabei richteten sie wieder ihr Fernrohr auf ,die Wiesen mit den roten und gelben Gräsern und auf die fernen braunen Hügel . . .

Der Löwe, Totoschka und Kaggi-Karr waren neugierig, was Charlie und Elli in solche Aufregung versetzt hatte, und die beiden mußten ihnen den Platz an der Öffnung abtreten. Auf den Löwen machte das Bild keinen besonderen Eindruck.

Totoschka jedoch begann vor Erregung zu zittern, als er durch das Loch blickte, er knurrte,

kläffte und konnte sich lange Zeit nicht beruhigen. Kaggi-Karr erbot sich, in das

geheimnisvolle Land auf Kundschaft zu fliegen. Bei der Rückkehr, sagte sie,

werde sie den Freunden ihre Beobachtungen haargenau erzählen. Doch da gewahrte sie

unter den Wolken einen dunklen Punkt, der schnell näher kam, und sie gab ihre Absicht

auf, was sehr vernünftig war, wie sich gleich herausstellen sollte.

Elli, die die Krähe am Fenster abgelöst hatte, schrie auf. Mit bloßem Auge erkannte sie ein

Ungeheuer, das an eine tausendfach vergrößerte Eidechse erinnerte und geradewegs auf sie

zuflog.

Der Drache schwang zwei riesige Flügel, sein gewaltiger Rachen war weit aufgesperrt, zwischen den langen spitzen Zähnen zuckte eine feuerrote Zunge, die gelben tellergroßem Augen waren von den Lidern halb verdeckt, der Rücken war schwarz, und unter dem mit schmutziggelben Schuppen bedeckten Bauch ragten zwei mächtige Tatzen mit scharfen Krallen. Ein furchterregender und abscheulicher Anblick! Das Erstaunlichste aber war, daß auf dem Rücken des Tieres ein Mann saß. „Bei allen Wasserfällen der Welt!" sagte der Seemann leise. „Diese Erzgräber müssen aber tüchtige Kerle sein!

Wie haben sie es nur fertiggebracht, den Sechsfüßer und dieses niedliche Vöglein zu zähmen?"

Der Mann auf dem Drachen war mit einem braunen Wams und einem Spitzhut bekleidet und sah sehr kriegerisch aus. Er hatte ein längliches blasses Gesicht mit einer Adlernase. Seine Zähne waren zusammengepreßt, und die großen, weit auseinanderstehenden schwarzen Augen funkelten böse.

Elli erinnerte sich an Kaminas Warnung. Die Erzgräber, hatte die Mäusekönigin gesagt, dulden es nicht, daß man sie beobachtet.

Der Mann auf dem Drachen zog einen langen Pfeil aus dem Köcher, den er auf dem Rücken trug.

„Vorsicht!" schrie Elli, warf sich zu Boden und riß den Seemann mit sich. Wahrhaftig, keinen Augenblick zu früh: Schon schwirrte der Pfeil über ihre Köpfe hinweg, prallte gegen die Felswand des Ganges und zerbrach. Im nächsten Augenblick kam Totoschka, die Pfeilspitze zwischen den Zähnen, herbeigesprungen. Die scharfe Eisenspitze war so hart, daß sie trotz des Aufpralls unversehrt geblieben war. „Bei allen Klippen und Sandbänken!" rief der Seemann. „Mit diesen unterirdischen Männern ist nicht gut Kirschen essen! Wenn es ihnen einfallen sollte, an die Oberfläche zu steigen, würde ich keinen Pfifferling für das Leben der Käuer oder der Zwinkerer geben! Doch wir wollen keine Zeit verlieren, laßt uns gehen!"

„Aber Onkel, wir haben uns ja noch nicht alles angeschaut, und der Mann ist ja auch schon fortgeflogen . . ."

„Fortgeflogen, sagst du? Hm, laß mal sehen."

Der Seemann setzte die Mütze auf die Spitze seines Stocks und hob sie an die Öffnung.. Im gleichen Augenblick wurde sie von einem gut gezielten Pfeil weggerissen. „Na, hast du gesehen? Und was tun wir, wenn es dem Herrn einfällt, näher an unser Fenster heranzukommen?"

Hastig verließen die Fünf den gefährlichen Ort. Erst als sie sich außer Gefahr wußten,

fingen sie wieder zu sprechen an.

„Tatsächlich, ein Land der Wunder!" sagte Charlie Black.

Dann ging er voraus, und die anderen folgten ihm.

Nach einer Weile kamen sie an eine große Tür, die fest verschlossen war.

Siehst du, nicht umsonst haben wir so viele Gefahren auf uns genommen!" rief Charlie

Black erfreut aus. „Der Gang führt wirklich bis zum Turm!"

„Brech die Tür auf, Onkel Charlie", schlug Elli vor.

„Das geht nicht", erwiderte Charlie, „man könnte uns hören."

Von draußen drangen der tiefe Baß eines hölzernen Unteroffiziers und die schrillen

Stimmen der Polizisten zu ihnen.

Der Durchbruch mußte ohne Lärm geschehen. Charlie holte aus seinen Taschen das notwendige Werkzeug hervor, bohrte nebeneinander mehrere Löcher, erweiterte sie mit dem Messer und begann mit der Handsäge zu arbeiten. In einer halben Stunde hatte er eine viereckige Öffnung ausgesägt, durch die ein Mensch schlüpfen konnte. „Elli", sagte der Seemann, „geh jetzt hinauf und sag dem Scheuch und dem Holzfäller, daß wir da sind und auf sie warten. Aber sei vorsichtig, und auch die beiden sollen aufpassen, daß die Wache nichts merkt."

„Und was geschieht mit Din Gior und Faramant?" fragte das Mädchen. „Wenn der Scheuch und der Eiserne Holzfäller fliehen, wird Urfin seinen Zorn an ihnen auslassen." Der Seemann kratzte sich den Nacken.

„Ja, da hast du recht, daran hab ich nicht gedacht. Aber was sollen wir denn tun?" „Ich glaube, der Scheuch und der Holzfäller müssen hier bleiben, bis wir Din Gior und Faramant aus dem Kerker befreit I haben. Aber wie wir's tun sollen, weiß ich nicht. Vielleicht kann uns der Scheuch mit einer guten Idee helfen?" „Richtig! Das Treppensteigen fällt mir zwar schwer, doch es bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen gemeinsam beraten."

Elli stieg langsam die steile Treppe hinauf, hinkend folgte ihr Charlie. Der Löwe blieb unten, denn das Loch in der Tür war für seinen mächtigen Körper zu klein. Oben angekommen, schaute Elli vorsichtig in den Raum, wo sich ihre Freunde befanden. Sie legte den Zeigefinger an den Mund, womit sie den Freunden zu verstehen gab, daß sie sich ruhig verhalten sollten. Sie befürchtete nämlich, die beiden könnten bei ihrem Anblick in ein Jubelgeschrei ausbrechen.

Ihre Befürchtungen erwiesen sich jedoch als unbegründet. Der Eiserne Holzfäller wußte sich schon seit jeher zu beherrschen, und dem Scheuch war der Karzer eine bittere Lehre gewesen. Von der Feuchtigkeit des unterirdischen Gelasses waren die Farben auf seinem Gesicht zerflossen, jetzt hörte und sah er schlecht und konnte nur im Flüsterton sprechen, was ihm in seiner jetzigen Lage übrigens gut zustatten kam!

Beim Anblick Ellis wollten ihr die beiden um den Hals fallen, doch sie hielten an sich, als sie hinter ihr den Seemann sahen.

Obwohl sie ihn aus den Schilderungen der Krähe kannten, waren sie bei seinem Erscheinen doch etwas verlegen.

Charlie sagte ihnen freundlich guten Tag. Der Scheuch erwiderte seinen Gruß mit einem Kratzfuß, während der Holzfäller seinen Trichter lüftete und sich höflich verbeugte. Kaggi-Karrs schwarze Äuglein leuchteten stolz. Ei, dachte sie, zeigt mir doch eine andere Krähe, die einen solchen Auftrag so glänzend auszuführen gewußt hätte! Nach den herzlichen Begrüßungsworten begann Elli von Din Gior und Faramant zu sprechen.

„Was euch betrifft, so könntet ihr gleich jetzt durch den unterirdischen Gang fliehen. Aber dann wäre es um Din Gior und Faramant geschehen!" Da rief der Holzfäller:

„Wenn sie unsretwegen umkommen, wird mir das Herz in der Brust zerspringen . . ." Dabei fing er bitterlich zu weinen an. Die Tränen rannen ihm über die Wangen, und seine Kiefer rosteten sogleich ein. Verzweifelt schüttelte der eiserne Mann den Kopf, konnte aber kein Wort hervorbringen. Zum Glück stak die Ölkanne in seinem Gürtel. Der Scheuch zog sie heraus, um ihm die Kiefer zu schmieren, da er aber schlecht sah, troff das Öl in des Holzfällers Ohr. Es dauerte eine geraume Weile, bis die Kiefer geölt waren und der Holzfäller wieder sprechen konnte: