Выбрать главу

Der Scheuch strengte wieder seinen klugen Kopf an und sagte mit wichtiger Miene: „Holz brennt im Feuer. Urfins Soldaten sind aus Holz. Also kann man sie verbrennen."

Alle staunten erneut über die Weisheit des Strohmannes, und Lestar erhielt den Auftrag, eine Vorrichtung zu bauen, mit der man Feuer gegen die Holzsoldaten schleudern könnte. Es sollte eine große, feuerspeiende Kanone sein. Vorerst aber wußte niemand, wie man mit Feuer schießen kann.

Während Din Gior und Charlie Black die Zwinkerer für den Feldzug gegen Urfin ausbildeten, reifte auch im Smaragdenland ein Aufstand gegen ihn heran. Da aber in der Stadt und ihrer Umgebung ständig Holzsoldaten und Polizisten patrouillierten, versammelten sich die Leute nachts auf dem Felde oder in Hainen. Alle Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand wurden streng geheimgehalten.

Als Urfin von Ellis Auftauchen erfuhr, bestbloß er, möglichst viele neue Holzsoldaten zu machen, und zwar größere, stärkere und grimmigere als ihre Vorgänger. Urfins Gehilfen, die Gefreiten, brachten mehreren älteren Soldaten das Tischlerhandwerk bei, und in der Werkstätte wurde nun Tag und Nacht gearbeitet.

Urfin kümmerte sich jetzt wenig um das Äußere seiner Krieger. Es kam ihm einzig und allein darauf an, daß ihre Gelenke gut funktionierten, daß Arme und Beine sich leicht in den Scharnieren drehten und die Finger fest die Waffen umspannen konnten. Die Körper machte er aus ungehobelten Klötzen, und er nahm sich nicht einmal die Mühe, sie anzustreichen, denn die Zeit war knapp.

Die Ausarbeitung der Gesichter behielt Urfin sich selbst vor, denn die Tischler konnten ihnen beim besten Willen nicht das grimmige Aussehen geben, das er verlangte. Jeden Tag wurden drei bis vier Soldaten hergestellt, die Unteroffiziere nicht gerechnet, die einer feineren Bearbeitung bedurften, und das kostete Urfin so viel Mühe, daß er sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten konnte.

Er ruhte nur 2-3 Stunden am Tag. Häufig schlief er an der Werkbank ein, und der Stichel entfiel seinen Händen. Sein Gesicht bekam tiefe Runzeln, die Wangen fielen ein, und die Augen unter den schwarzen, buschigen Brauen versanken noch tiefer in den Höhlen. Der Diktator sah furchtbar und jämmerlich aus. Seine Räte gingen ihm ängstlich aus dem Wege, wenn er für kurze Zeit die Werkstätte verließ und durch die Säle des Schlosses eilte. Die Zahl der Holzsoldaten betrug schon fast zweihundert, als sich etwas Schreckliches ereignete.

Urfin hatte gerade einen neuen Zug Holzsoldaten mit einem Unteroffizier aus Mahagoniholz angefertigt und wollte wie gewöhnlich eine Handvoll Zauberpulver aus der Büchse nehmen. Als er jedoch die Hand hineinsteckte, entdeckte er, daß nur eine dünne Schicht Pulver auf dem Boden der Büchse lag.

Schreckensbleich kippte Urfin die Büchse um - es war die letzte - und schüttete das Pulver auf die Werkbank. Der Inhalt reichte aber höchstens noch für die Belebung eines einzigen Soldaten. Urfin trommelte wie rasend auf den Boden des Gefäßes, bemüht, herauszuschlagen, was nicht mehr drinnen war. Dann stürzte er zu den anderen Büchsen, kippte und schüttelte auch sie, doch heraus kamen nur ein paar Körnchen.

Urfin war verzweifelt. Das Zaubermittel, das ihm solche Macht verliehen hatte, war

verbraucht. Jetzt besaß er nur, was er bisher geschaffen hatte . . .

Er hatte immer neue und neue Soldaten hergestellt, ohne daran zu denken, daß das Pulver

einmal ausgehen könnte, daß der Vorrat nicht ewig sei.

Nun erkannte er seinen entsetzlichen Irrtum.

Er wollte aber versuchen, mit dem Rest des Pulvers wenigstens die zehn Soldaten und den Unteroffizier, die letzten Reserven seiner Streitmacht, zu beleben. Sorgfältig teilte er das Pulver in elf Teile und bestreute damit die liegenden Figuren.

Wie gewöhnlich fing das Zaubermittel leise zu zischen und zu rauchen an und drang in das Holz ein. Urfin wartete. Es vergingen zehn Minuten, fünfzehn . . . Die Holzköpfe begannen sich zu rühren und ihre Glasaugen langsam zu drehen. Nach weiteren zehn Minuten versuchte der Unteroffizier, der etwas mehr vom Pulver bekommen hatte, aufzustehen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Urfin half ihm. Mit großer Mühe kam der Holzmann schließlich auf die Beine und stand schwankend da.

Das bißchen Pulver konnte solch großen Figuren nicht genügend Leben eingeben. Wieder vergingen fünfzehn Minuten, dann hatten sich auch die Soldaten mühsam erhoben. Urfin wollte sie in Reih und Glied ausrichten, es kam aber nur ein schwankender Haufen zustande, und die Soldaten mußten sich aneinander festhalten, um nicht umzufallen. Anderthalb Stunden brauchte der Zug, um bis zur Tür der Werkstätte zu gelangen. Um den Schloßhof zu überqueren, hätte er wahrscheinlich vierundzwanzig Stunden gebraucht. Urfin verzichtete jedoch darauf. Er rief einen Gefreiten herbei und befahl ihm, die sich kaum regenden Holzköpfe ins Feuer zu werfen.

Unterdessen waren seit der Flucht der Gefangenen mehrere Wochen vergangen. Die schnellfüßigen Polizisten, die auf Kundschaft in das Violette Land ausgezogen waren, kehrten mit beunruhigenden Nachrichten zurück. In den Nächten hatten sie sich auf Schleichwegen den Versammlungsplätzen genähert und, in Schluchten und hinter Steinen verborgen, gelauscht, was die Leute sprachen. Auf diese Weise erfuhren sie, daß demnächst eine Armee aus mehreren Hundert Zwinkerern unter Führung des Scheuchs , des Eisernen Holzfällers, des Langbarts Din Gior und eines geheimnisvollen Riesen namens Holzfuß gegen Urfin antreten würde. Die Vorbereitungen seien in vollem Gange, erzählten sie, man arbeite an einer besonderen Waffe, die Zwinkerer würden unter Din Giors Leitung militärisch ausgebildet.

Urfin hielt die qualvolle Unruhe nicht länger aus und beschloß, eine Entscheidung herbeizuführen. Er ließ seinen Obersten Zeremonienmeister Ruf Bilan sowie den General Lan Pirot zu sich kommen und sagte zu ihnen:

„Ich habe beschlossen, meine Armee in den Kampf zu führen! Es ist an der Zeit, den Rebellen zu zeigen, wer der Herrscher im Wunderland ist."

Der Oberste Zeremonienmeister erbleichte. Er hatte als erster die Kundschafter ausgefragt und wußte über die Lage viel me hr, als er dem König mitzuteilen für ratsam hielt.

Bilan hatte begriffen, wie gefährlich es war, dem Feind auf offenem Felde entgegenzutreten, und hub vorsichtig an: „Mächtiger König, Herrscher . . ." „Ohne Titel'." fuhr ihn Urfin an.

„Zu Befehl! Der Feind ist sehr stark. Wäre es nicht besser, uns in der Stadt zu verbarrikadieren . . ."

„Elender Feigling!" brüllte Lan Pirot, die Augen rollend. „Meine tapfere Armee wird jeden Feind zerschlagen!"

„Richtig!" ermunterte ihn Urfin. „Lernt doch beim General, Herr Zeremonienmeister, was Tapferkeit ist!"

„Aber ich hab ermittelt, daß Din Gior . . ."

„Mund halten!! Wie sprecht Ihr zu mir? Wo sind meine Titel? Oder bin ich etwa nicht mehr König"?!"

Ruf Bilan schwieg verwirrt. Der Feldzug war beschlossen.

Eiligst wurde der Staub von den Holzköpfen abgebürstet, der General hielt eine markige Rede, und die Armee, bestehend aus hündertdreiundsechzig Soldaten, siebzehn Unteroffizieren und einem Palisandergeneral, brach in Richtung Osten auf. Die Soldaten stapften mit ihren Holzfüßen über das Backsteinpflaster, schwangen ihre Knüppel und schnitten entsetzliche Grimassen. Urfin ritt daneben auf deinem treuen Meister Petz. Die Armee übernachtete auf einem Feld. Soldaten und Unteroffiziere standen die ganze Nacht über in Reih und Glied und stierten in das Dunkel. Urfin wälzte sich unruhig auf seinem Lager. Am Morgen stand er völlig erschöpft auf. Er hatte schlimme Vorahnungen, doch ein Zurück gab es nicht.