»Du lügst! Du hast ihn schon gestern bekommen. Ich will meine Hochzeit haben, Norman. Wann soll sie sein?« Sie trat ihm gegen das Bein. »Los! Sag es mir!«, kreischte sie.
Hühner flatterten erschrocken auseinander. »Bleib doch ruhig«, flehte er. »Du machst den Hühnern Angst.«
Aber sie ließ sich nicht ablenken. »Jetzt, Norman — ich will es jetzt wissen.«
»Bald«, sagte er verzweifelt und wich wieder einem Schlag aus. »Bald.«
Sie senkte die Arme. »Wann?«
»Vor Weihnachten.«
Sie blickte ihm forschend ins Gesicht, um zu sehen, ob er log. »Ich rate dir, die Wahrheit zu sagen. Wenn ich dahinter komme, dass du wieder gelogen hast -« Mit einem Schluchzen brach sie ab. »Wie konntest du nur, Bärchen? Ich dachte, ich könnte dir vertrauen.«
»Das kannst du«, versetzte er kleinlaut. »Ich wollte dir heute schreiben. Wissen deine Eltern, dass du hier bist?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Dann machen Sie sich bestimmt Sorgen. Du solltest nach Hause fahren. Ich bringe dich zum Bahnhof.«
»Ich bleibe hier«, widersprach sie dickköpfig. »Ich fahre erst als verheiratete Frau nach London zurück. Alle sagen, es wird nie so weit kommen. Aber das wird es sehr wohl. Du bist mir versprochen… du warst mir immer versprochen.«
Was blieb Norman anderes übrig, als ja zu sagen? Man konnte mit Elsie nicht vernünftig reden, wenn sie in diesem Zustand war. Er hätte gern gesagt, sie solle eine Tablette nehmen, doch er fürchtete, dass es dann wieder Schläge hageln würde. In dieser Stimmung konnte sie wegen jeder Kleinigkeit in Wut geraten. Und er hatte noch ein größeres Problem. Er musste sie loswerden, bevor heute Abend Bessie zu ihm kam.
Also log er. Er beteuerte Elsie, er liebe sie. Er wolle das Kind haben. Die Hochzeit werde natürlich stattfinden. Die andere Frau sei längst vergessen. Nur eine Dummheit, die er in seiner Einsamkeit gemacht hatte.
»Aber jetzt musst du nach Hause fahren, Elsie. Du kannst nicht hier bleiben, bis wir heiraten. Das gibt nur Tratsch.«
»Das ist mir gleich.«
»Aber mir nicht«, sagte er entschieden, während er sie zum Tor lotste. »Ich möchte eine Frau, auf die ich stolz sein kann — nicht eine, von der die Leute sagen, sie wäre ein Flittchen.«
Natürlich gab Elsie nach. Wie Norman gewusst hatte. Das war ja ihre größte Angst. Dass die Leute sie hinter ihrem Rücken verhöhnen würden.
Aber interessierte es denn — außer Norman und ihrer Familie — überhaupt jemanden, dass Elsie Cameron existierte?
An diesem Abend sagte Norman Bessie die Wahrheit. Er tat es sehr ungeschickt. Begann immer wieder mit, »Weißt du noch, als ich sagte…«
Bessie nahm es gelassen. »Ich bin nicht blöd, Norman. Ich habe Elsies Liebesbriefe schon vor Wochen gefunden. Das ist bei Frauen so — sie kramen in den Sachen ihrer Männer.«
Er war eher erleichtert als empört. »Und?«
»Ich habe Mrs. Cosham nach ihr gefragt. Sie hat gesagt, dass Elsie nervenkrank ist — und du der arme Kerl bist, der das kurze Hölzchen gezogen hat. Elsie ist es doch völlig egal, wen sie heiratet, Hauptsache, es gibt eine Hochzeit.«
»Am Anfang habe ich sie gemocht, Bess.«
Sie lehnte sich an ihn. »Du warst ein naiver kleiner Junge — gefundenes Fressen für die erste grapschige Frau, der du über den Weg gelaufen bist. Du musst ehrlich zu ihr sein. Sag ihr, dass du sie nicht mehr liebst.«
»So leicht geht das nicht. Sie wird sofort -« er suchte nach einem Wort — »hysterisch«. Seufzend setzte er hinzu: »Ich wollte, sie würde einfach verschwinden und mich in Ruhe lassen.«
»Aber solche Menschen tun das nicht, Norm. Sie wird dir die Hölle heiß machen, bis du tust, was sie will. Ich habe mal so einen Mann gekannt. Ich war ein paar Mal mit ihm aus, und er hat sich aufgeführt, als wäre ich sein Eigentum. Einmal hat er mich sogar ins Gesicht geschlagen, weil er glaubte, ich hätte einem anderen Mann zugelächelt. «
Norman war entsetzt. Wenn Elsie ihn schlug, war das schlimm genug, aber dass ein Mann es wagte, Bessie zu schlagen… »Und dann?«
»Dann hat mein Vater ihn sich vorgenommen und ihm gesagt, dass er ihm eigenhändig den Hals umdreht, wenn er sich noch einmal in meine Nähe wagt. Das hat gewirkt. Er ist aus der Stadt weggegangen, und ich habe ihn nie wieder gesehen. Vielleicht solltest du auch deinen Vater bitten, für dich einzuspringen.«
»Mein Vater hat noch nie eine Frau geschlagen.«
»Braucht er ja auch nicht zu tun. Er muss Elsie nur klarmachen, dass du sie nicht heiratest. Vielleicht glaubt sie es, wenn es aus dem Mund deines Vaters kommt.«
Aber Mr. Thorne lehnte es ab, seinem Sohn die schmutzige Arbeit abzunehmen. Das war drei Tage später, als er in Antwort auf Normans Brief auf den Hof kam. Sie waren zum Schutz vor dem Wind in die Hütte gegangen. Norman trug stotternd und stammelnd ein zweites Mal seine Geschichte vor und bat danach seinen Vater, für ihn mit Elsie zu sprechen.
Mr. Thorne musterte mit kritischem Blick die Behausung seines Sohns. »Das kannst du keiner Frau zumuten«, sagte er.
»Ich weiß… aber Elsie hört nicht auf mich. Auf dich würde sie vielleicht eher hören.«
»Kann schon sein, aber das ist eine schäbige Art und Weise, ihr zu sagen, dass du sie nicht heiraten willst. Ich hätte gedacht, dass ich dich zu mehr Aufrichtigkeit erzogen habe, mein Junge.«
»Hast du ja auch, aber -«
»Ich bin enttäuscht von dir, Norman. Du bist Methodist und weißt, was christliche Werte bedeuten. Du hättest sie niemals allein hierherkommen lassen dürfen.«
»Ich weiß, aber -«
»Ich hätte dich für vernünftiger gehalten.«
»Aber ich habe nie etwas getan, Dad.«
»Ganz sicher?«
»Ganz sicher. Es könnte vielleicht in dem ersten Sommer, als wir hier waren, so passiert sein, wie sie sagt. Da sind wir uns manchmal ganz schön nahe gekommen.« Er schlug sich mit der Faust in die offene Hand. »Sie lügt. Ich fresse einen Besen, wenn sie überhaupt beim Arzt war.«
Mr. Thorne seufzte. »Dann lass dich keinesfalls auf einen frühen Hochzeitstermin ein. Wenn sie die Wahrheit sagt, müsste es spätestens im Frühjahr zu sehen sein. Wenn nicht, kannst du ihr dann mit gutem Gewissen den Laufpass geben.«
»Aber du hast keine Ahnung, wie sie ist«, sagte Norman unglücklich. »Als sie am Sonntag hier war, wollte sie so lange bleiben, bis ich sie heirate. Was soll ich tun, wenn sie das noch mal versucht?«
»Zeig ihr, wer den Ton angibt«, riet Mr. Thorne. »Schick sie weiter. Setz sie in den Zug.«
Norman rieb sich die Handgelenke. »Du hast sie nie erlebt, wenn sie wütend ist. Sie ist wie eine Wahnsinnige — schreit und kreischt…«
»Ich dachte, sie nimmt Nerventabletten.«
»Am Sonntag hatte sie keine genommen. Sie hat auf mich eingeprügelt.«
Mr. Thorne runzelte die Stirn. »Das ist eine schlimme Geschichte, mein Junge. Aber ich habe dich gewarnt.«
Norman schluckte mit Mühe Tränen der Verzweiflung hinunter. »Und was soll ich jetzt tun?«, fragte er rau. »Ich mag sie nicht einmal mehr — und heiraten will ich sie gleich gar nicht.«
»Dann spiele auf Zeit. Mehr bleibt dir nicht übrig. Außer darum zu beten, dass du recht hast und sie tatsächlich nicht schwanger ist.«
»Ich weiß, dass ich recht habe, Dad. Darum brauche ich nicht zu beten.«
»Dann tu ich's«, sagte Mr. Thorne und stand auf. »Ich bin nicht so hochmütig wie du, Norman. Gott allein entscheidet darüber, wann und wie ein Kind geboren wird.«
»Und wenn Elsie nun doch ein Kind erwartet?«, sagte Norman an diesem Abend zu Bessie. »Kein Mensch wird glauben, dass es nicht von mir ist. Dann muss ich sie heiraten, ob ich will oder nicht.«