»Ich durfte das nicht verraten!« schluchzte Alison.
»Hat Busebius, dein eigentlicher Herr, dir befohlen, nichts zu verraten?« fragte ich.
»Nein.«
»Warum weinst und zitterst du dann?«
»Oneander wollte nicht, daß ich etwas verriet«, sagte sie.
»Aber ich wollte es, nicht wahr?«
»Ja, Herr.«
»Und du hast gehorcht, nicht wahr?«
»Ja, Herr.«
»Hältst du es für klug, daß ein Mann einer Sklavin wie dir Geheimnisse anvertraut?«
»Nein, Herr.«
Ich wandte mich ab und näherte mich dem Ledervorhang der Nische. Mein Hände berührten die Schnallen, um sie zu öffnen.
»Willst du mich verlassen?« fragte sie hinter mir.
»Ja.«
»Du wolltest nichts anderes von mir als Informationen?«
Ich zuckte die Achseln. »Und die habe ich jetzt.«
»Bleib noch ein wenig, Herr!« flüsterte sie.
»Ich muß weiter«, sagte ich viel später.
»Mein Herr sucht nach einer Sklavin, nicht wahr?« fragte Alison.
»Vielleicht.«
»Laß sie nur ja nie vergessen, daß sie Sklavin ist!« sagte das Mädchen.
»Ich muß los.«
»Nimm mich noch einmal«, flehte sie.
Ich kam ihrem Wunsch nach. Erst später erhob ich mich, öffnete den Ledervorhang und riß ihn auf. Die Schänke war inzwischen geschlossen, die Tische und Stühle leer. Ich warf dem Mädchen einen letzten Blick zu.
»Kaum vorstellbar, daß du von der Erde kommst«, sagte ich.
»Ich bin inzwischen eine goreanische Sklavin, nichts anderes«, erwiderte sie.
»Du hast gut getanzt«, sagte ich.
Von hinten näherte sich ein Tavernenhelfer und führte das Mädchen fort. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und warf mir einen Handkuß zu. Ich erwiderte die Geste; dann wurde sie zu den Sklavengehegen geführt.
Gleich darauf kehrte der Mann zurück und ließ mich durch die Vordertür hinaus. Ich hörte, wie die Riegel hinter mir geschlossen wurden. Ringsum erstreckten sich die Straßen Ars. Ich blickte an den Zylindern und Brücken empor auf Mond und Sterne. Dann schlug ich den Weg zur Straße der Tarns ein, um in einem der zahlreichen Lädchen und Stände eine Passage nach Norden zu erstehen, zur salerianischen Stadt Lara.
2
»Sei gegrüßt, Lady Tima!« sagte ich.
»Jason!« rief sie und lehnte sich in ihren Fesseln auf. »Tu mir nichts!«
Am Nachthimmel stand der rote Widerschein der brennenden Stadt.
»Ein Kupfer-Tarsk«, sagte der Bursche, der an der langen Reihe der Freudengestelle entlangging.
Ich warf eine Münze in den kleinen Ledersack, der am Gestell befestigt war.
Sie wehrte sich weiter gegen ihre Fesseln.
»Ich kann dich nicht näher an Lara heranbringen«, hatte der Tarnflieger gesagt, der mich von Ar hierher transportiert hatte. »Tarnkämpfer aus Ar«, hatte er weiter gesagt, »patrouillieren den Korridor zwischen Vonda und Ar ab, sind aber zahlreich genug, um den Himmel auch außerhalb zu bewachen. Außerdem gruppieren sich morgen die Kavalleriestreitkräfte für den Angriff und da wird das Niemandsland nicht mehr bewacht sein.« Nickend war ich aus dem Flugkorb gestiegen und hatte ihn bezahlt. Auf dem Rückflug nach Ar würde er bestimmt Flüchtlinge oder gefesselte Mädchen mitnehmen.
»Was gibt es Neues über den Krieg?« fragte ich den Burschen, der die lange Reihe der Freudengestelle bewachte. »Ich komme frisch aus Ar.«
»Wir sind sehr erfolgreich«, antwortete er. »Im Kampf haben wir die Streitkräfte Vondas als auch die Tarnkämpfer des Artemidorus aus Cos sofort besiegt. Vonda wird gerade dem Erdboden gleichgemacht. Die Stadt brennt. Dies ist ein Siegeslager, für Beute und Vergnügungen.«
»Bestimmt wird nun die ganze Salerianische Konföderation in den Krieg hineingezogen«, sagte ich.
Er zuckte die Achseln. »Streitkräfte aus Lara marschieren nach Norden«, sagte er. »Kämpfer aus Olni stehen keine hundert Meilen von hier und marschieren nach Süden. Sie machen bewußt langsam, um ihren Angriff auf den der Lara-Soldaten auszurichten.«
Ich nickte. Hier war eine Zangenbewegung zu erwarten. Der Versuch, die Streitkräfte aus Ar, die fern von ihren Versorgungsrouten waren, an zwei Fronten in Kämpfe zu verwickeln.
»Wir müssen uns zurückziehen«, sagte ich.
Er lachte. »Nein«, widersprach er. »Während die Leute aus Port Olni ihre Zeit in einem Feldlager vertrödeln, marschieren wir gegen sie. Wir greifen beide Armeen getrennt an. Nach dem Sieg über die eine kehren wir nach Süden zurück, um den Lara-Soldaten zu begegnen, vielleicht sogar hier, im Angesicht der Asche Vondas.«
»Verstehe«, sagte ich.
»Unsere einzige Angst wäre, daß sich die Streitkräfte Tis in die Auseinandersetzung hineinziehen lassen«, fuhr er fort.
Ti war die größte und bevölkertste Stadt der Salerianischen Konföderation. Sie hatte sich bis heute nicht in die Machenschaften Vondas und Cos’ verwickeln lassen.
»Das ist doch ganz sicher nur eine Sache der Zeit«, meinte ich.
»Anzunehmen«, erwiderte der Mann. »Ebullius Gaius Cassius, Angehöriger der Kriegerkaste, Administrator von Ti, bespricht sich bereits mit dem Hohen Rat seines Landes.«
»Das Zögern ist unerklärlich.«
»Männer aus Cos, mit Ar verfeindet, und Kaufleute aus Vonda«, sagte der Mann, »haben den Krieg angezettelt in der Hoffnung, die gesamte Konföderation hineinzuziehen.«
»Dann wird die Situation also von einer Minderheit gelenkt«, mutmaßte ich.
»Ich nehme es an«, sagte der Mann. »Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, daß Ti oder Ar den großen Konflikt wollen.«
»Wieviel für die hier?« fragte ein Mann, der einige Gestelle entfernt stand, und deutete auf eine Blondine.
»Entschuldige«, sagte mein Gesprächspartner und wandte sich von mir ab. »Einen Kupfer-Tarsk«, sagte er zu dem anderen.
Es war Abend. Brände auf hohen Masten erhellten das Terrain. Zahlreiche Männer waren unterwegs. Mein Blick schweifte über zahlreiche Zelte, Hütten und schnell errichtete runde Gehege. In diesen abgeteilten Zonen befanden sich vorwiegend Waren und Gefangene. Zwei betrunkene Offiziere torkelten vorbei.
»Wie bist du gefangengenommen worden?« wandte ich mich an die Lady Tima.
»Durch Soldaten, in der Stadt«, antwortete sie. »Zusammen mit anderen.«
»Und dein Sklavenmarkt und die Waren?« fragte ich.
»Die Gebäude wurden niedergebrannt«, antwortete sie. »Man raubte mir Waren und Sklaven.«
»Konnten viele Vondaner entkommen?«
»Viele.«
»Als ich vorhin über das Gelände flog«, sagte ich, »sah ich mehrere Einfriedungen, die zumeist mit Frauen gefüllt waren.«
»Wir wurden gnadenlos gejagt«, sagte sie verbittert.
»Doch müssen manche Frauen aus der Stadt geflohen sein«, mutmaßte ich.
»Ja«, erwiderte sie, »besonders jene, die früh aufgebrochen sind. Viele sind als Flüchtlinge nach Lara gegangen.«
Die Blondine, die einige Gestelle weiter angebunden war, begann in ihren Fesseln zu schluchzen und sich zu winden. »Nein, nein!« flehte sie.
»Was ist mit dem Haus des Andronicus?« wollte ich wissen.
»Niedergebrannt«, erwiderte sie. »Sklaven und Personal geflohen oder in Gefangenschaft.«
»Und Lady Gina?« fragte ich. Ich erinnerte mich mit Zuneigung an sie.
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»Versklavt i Essenszelt«, erwiderte sie. »Dort bedient sie Männer.«
»Ob sie wohl an diesem Dienst Freude hat?«
»Die Männer haben Freude daran, von ihr bedient zu werden!« gab sie ärgerlich zurück.
»Bestimmt«, meinte ich. »Erinnerst du dich an die Sklavin Lola aus dem Haus des Andronicus?«
»Ja. Aber ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist.« Die Mädchen Lola und Tela hatten mich die goreanische Sprache gelehrt. Sie waren die ersten goreanischen Sklavinnen, die ich überhaupt zu Gesicht bekommen hatte. Diesen Moment hatte ich nie vergessen. Daß es solche Frauen geben konnte, noch dazu als Sklavinnen, war für mich eine erschütternde und willkommene Erkenntnis gewesen.