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»Legt die Schwerter hin!« ordnete ich an. »Hier auf die Bohlen.«

Sie zögerten, und Kliomenes bekam ein wenig von der Schärfe des Stahls an der Kehle zu spüren.

»Schwerter weg, ihr Dummköpfe!« rief Kliomenes.

Ich sah zu, wie Klinge um Klinge, blank gezogen oder in der Scheide, zu Boden gelegt wurde.

Nun bedrohte meine Waffe den Rücken des Kliomenes. »Du gehst mir voraus nach oben auf die Mauer«, sagte ich zu ihm. »Ihr folgt mir nicht!« rief ich den anderen warnend zu.

»Gib dein Schwert ab«, forderte Kliomenes.

»Beeilung!« rief ich.

»Du hast nichts, womit du uns unter Druck setzen kannst«, sagte er.

»Doch – dein Leben.« Er erstarrte. »Ehe du nur zwei Schritte machst, kann ich dich mit meinem Schwert in Stücke hauen.«

»Vielleicht auch nicht«, sagte Kliomenes unsicher.

»Das ist ein Risiko, das ich gern eingehe. Du auch?«

Er schaute mich an.

Ich öffnete die linke Hand an meiner Hüfte: »Notfalls bin ich bereit, dich wie eine Sklavin am Haar auf die Mauer zu führen.«

»Das wird nicht nötig sein«, gab er zurück, machte kehrt und ging mir voraus über den Holzgang, der das Innenbecken der Burg säumte. Ich schaute zur Gruppe der Piraten zurück. Sie folgten uns nicht. Sie standen an der Eisentür, am Eingang zur eigentlichen Festung. Die Schwerter lagen vor ihnen am Boden.

»Leg deinen Bogen fort!« sagte ich zu einem der Männer auf der Festungsmauer, als wir die Treppe hinaufstiegen.

»Leg den Bogen fort!« befahl Kliomenes zornig. Er ging vor mir.

Gleich darauf hatten wir den oberen Wehrgang erreicht; er verlief auf der Außenmauer des westlichen Torturms, der in seinen unteren Gefilden die Windenkammer beherbergte.

Zwei oder drei Männer, Bögen in den Händen, schoben sich vorsichtig näher.

»Legt die Bögen fort!« befahl ich.

»Tut, was er sagt!« rief Kliomenes ärgerlich.

Die Bögen wurden abgelegt. Ich blickte über den Mauerrand. Wie beabsichtigt, befanden wir uns in unmittelbarer Nähe des Wassertors. Ich wußte nicht, wie tief es dort draußen war. Jedenfalls tief genug für den Kiel einer schwerbeladenen Beutegaleere.

»Was hast du vor?« fragte Kliomenes.

»Sag ihnen, sie sollen ein Seil holen«, sagte ich und deutete auf die Männer.

Kliomenes grinste. »Holt ein Seil«, befahl er.

Die Piraten hasteten die Treppen hinab.

»Mir scheint, die Flucht wird dir doch gelingen«, bemerkte Kliomenes. Er nahm an, daß ich das Seil auch wirklich benutzen wollte, daß ich damit von der Höhe der Mauer hinabsteigen wollte. Das hätte den Piraten natürlic h die Gelegenheit gegeben, mit Bögen auf mich zu zielen. Am Seil wäre ich äußerst verwundbar gewesen, außerdem hätte man das Seil durchschneiden können.

»Jetzt sind wir allein auf der Mauer«, sagte ich zu Kliomenes und richtete das Schwert auf ihn. Er trat einen Schritt zurück.

Kliomenes erbleichte. »Töte mich nicht!« flehte er. Hinter ihm gähnte der Abgrund, der auf dem unteren Bohlengang endete.

Ich zog den Arm zurück, als wollte ich ihn mit der Klinge durchbohren. Er zuckte zurück, fuhr herum und floh. Ich lachte ihm nach, ohne mich zu rühren. Vermutlich würde er erst wieder stehenbleiben, wenn er sich zwischen seinen Männern in Sicherheit wähnte. Im nächsten Moment warf ich das Schwert fort, erstieg die Mauerbrüstung und sprang mit den Füßen voran in das tiefe unter mir schäumende Wasser. Ich hatte den Eindruck, sehr lange in der Luft zu hängen. Sie wehte kalt gegen meinen Körper und zupfte mir am Haar. Dann prallte ich auf, glaubte durch das Wasser hindurchzustoßen und stieß mit großer Wucht auf den Schlamm des Flußgrundes. Bis zu den Knien sank ich ein und hatte schon das Gefühl, mir die Beine gebrochen zu haben. Brausend umtoste mich das Wasser. Ich befreite mich strampelnd aus dem Schlamm und schwamm mit energischen Bewegungen der Oberfläche entgegen, die ich einige Sekunden später keuchend durchbrach. Ich schüttelte mir das Wasser aus dem Haar, blinzelte es fort. Dann schaute ich nach oben zu den hoch über mir liegenden Bastionen. Meine Beine fühlten sich taub an, doch wenigstens konnte ich sie bewegen. Keine Pfeile prallten rings um mich ins Wasser. Ich holte tief Atem, tauchte und schwamm unter Wasser auf die im Wasser stehenden Schilf- und Buschhaine zu, die den zur Festung führenden Kanal säumten. Zwischen den Wurzeln und Stengeln suchte ich Schutz. Aus dem Schutz dieser Deckung schaute ich schließlich zurück und sah erst jetzt Männer auf den Mauern erscheinen. Ich hatte sie in die Festung schicken lassen. Nun wußten sie nicht einmal, in welche Richtung ich geschwommen war. Wieder tauchte ich ein Stück, bis ich das sumpfige Terrain nordwestlich der Festung erreichte, abgeschirmt durch hohe Bäume. Vermutlich glaubten die Piraten, ich würde mich nach Nordosten wenden, die Richtung nach Victoria. Auf jeden Fall hatte ich einen guten Vorsprung vor möglichen Verfolgern. Bestimmt dauerte es mehrere Ehn, das mächtige Wassertor zu öffnen. Dafür hatte ich gesorgt. Ich konnte die Fahrrinne auch später noch, im Schutz der Dunkelheit, in Richtung Nordosten durchqueren, um mich nach Victoria zu wenden. Nach Belieben konnte ich aber auch einfach zum Südufer des Vosk vorstoßen. Von dort fand ich sicher einen Weg zurück nach Victoria. Zahlreiche kleine Schiffe befahren den Vosk. So machte ich mich eilig auf den Weg. Mir war kalt. Aber ich war bei bester Stimmung.

32

»Wir heißen dein Schwert willkommen«, sagte Callimachus. Wir standen im Bug der langen Galeere, unterhalb der Vorderaufbauten. Der einzelne Mast war umgelegt worden und lag fest angelascht an Deck zwischen den Ruderbänken.

Wir lagen beigedreht östlich der großen Kette. Wegen des Nebels konnte man kaum etwas sehen. Es war ein kühler Morgen. Das Wasser plätscherte gegen die Planken. Irgendwo gellte der Schrei einer Voskmöwe.

»Du hattest es nicht nötig, zur Flotte zu kommen«, sagte Callimachus.

»Hierher gehöre ich«, sagte ich.

»Du hast bereits viel riskiert.«

»Wir wurden verraten.«

»Ja.«

Ich war voller Bitterkeit. Das Wassertor hatte meine Galeere zerstört, doch ich hatte aus der Gefangenschaft f liehen können. Ich hatte mich nach Victoria durchgeschlagen und war von dort weiter nach Westen gezogen, als ich von dem Aufmarsch der Schiffe an der Kette erfuhr. Gestern abend war ich an Bord der Tina gegangen, die von Callimachus befehligt wurde.

»Wenn der Voskjard die Kette gewaltsam durchbrechen will«, sagte Callimachus, »werden wir ihn nicht aufhalten können.«

»Verraten hat uns die Erdensklavin Peggy, Tasdrons Besitz«, sagte ich.

»Bist du sicher?«

»Ganz sicher«, antwortete ich. »Oder war es Callisthenes?«

»Callisthenes kann es nicht gewesen sein«, meinte Callimachus. »Ich kannte ihn. Außerdem ist er ein Hauptmann aus Port Cos und gehört meiner Kaste an.«

Ich schaute mich um. Backbords und Steuerbords von der Tina, jeweils etwa fünfzig Meter entfernt, lauerten zwei weitere Galeeren, die Mim aus Victoria und die Teilender aus Fina.

»Und er ist mein Freund«, setzte Callimachus nach. Es war kalt.

»Erscheint es dir denkbar, daß Tasdron oder Glyco der Verräter war?« wollte ich wissen.

»Tasdron kann es ebenfalls nicht gewesen sein«, gab Callimachus zurück. »Seine Interessen stünden zu sehr gegen eine solche Handlungsweise. Er ist ja immerhin der Anführer jener victorianischen Kräfte, die sich der Macht des Policrates widersetzen wollen.«

»Dann ist es vielleicht Glyco.«

»Er gehört meiner Kaste nicht an«, räumte Callimachus ein.

»Tasdron aber auch nicht.«

»Das stimmt.«

»Glyco«, sagte ich, »hat sich um deine Hilfe gegen die Piraten bemüht.«

»Er ist nicht bei der Flotte.«

»Dafür bemüht er sich am östlichen Teil des Flusses, weitere Hilfe herbeizuholen.«

»Vielleicht«, gab Callimachus zurück. »Aber bisher sind keine Schiffe dazugekommen.«

»Ich glaube nicht, daß Glyco etwas erreicht«, meinte ich. »Dazu herrscht zwischen den Städten zuviel Mißtrauen, und man fürchtet die Piraten zu sehr. Außerdem steht die Flotte des Policrates östlich von Victoria, um zu verhindern, daß solche Schiffe zu uns stoßen. Das habe ich dir schon gesagt.«