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Callimachus schwieg.

»Warum will es dir nicht logisch erscheinen, daß die Sklavin Peggy uns verraten hat?« fragte ich.

»Sie hätte nichts hören können«, sagte Callimachus unsicher und zornig.

»Sie war im gleichen Raum«, gab ich zu bedenken. »Sie muß etwas gehört haben. Sie ist nicht dumm, obwohl sie eine Sklavin ist. Sie hätte durchaus einiges von unseren Plänen mitbekommen können. Zweifellos gab sie das alles an den Kurier des Ragnar Voskjard weiter oder an einen Piraten in Tasdrons Taverne, vielleicht während sie gerade lustvoll in seinen Armen stöhnte, in der Hoffnung, durch einen solchen Verrat ihre Freiheit zu erringen.«

»Sie käme auf keinen Fall frei«, sagte Callimachus. »Sie müßte damit rechnen, noch weitaus grausamer versklavt zu werden.«

»Das wüßte sie aber nicht«, erwiderte ich. »Sie kommt von der Erde.« Es dauert Jahre, bis ein Mensch von der Erde sich an die Denkungsweise der Goreaner gewöhnt hat. Geduld mit Sklavinnen ist nicht ihre Stärke.

»Vielleicht wurdest du durch einen von Callisthenes’ oder Aemilianus’ Männer verraten«, meinte Callimachus.

»Durch zuverlässige Kämpfer, die ebenfalls kaum Gelegenheit haben konnten, sich mit dem Feind in Verbindung zu setzen?« fragte ich und blickte ihn aufgebracht an. »Warum begreifst du nicht, daß es Peggy war?« Ich begann mich zu fragen, ob ihm etwas an ihr lag.

»Jemand anders kann es nicht gewesen sein«, stimmte mir Callimachus zu, und seine Stimme hatte einen schrecklichen Klang. Diesen Tonfall begriff ich nicht. Es hörte sich beinahe an, als wäre er auf irgendeine mir nicht verständliche Weise persönlich verraten worden.

Ich blickte über den Bug in den Nebel hinaus. Es war beinahe nichts auszumachen.

»Wenn wir das Glück haben, diesen Kampf zu überleben«, fuhr Callimachus fort, »werde ich dafür sorgen, daß die verräterische Sklavin bestraft wird.«

Ich erschauderte.

»Vielleicht gibt es ja keinen Kampf«, fuhr Callimachus fort. »Wir stehen jetzt schon zwei Tage vor der Kette.«

»Die Tamira hat sie passiert, nicht wahr?«

»Die Tamira ist ein Handelsschiff«, sagte Callimachus.

»Sie ist in Wirklichkeit ein Kundschafterschiff Ragnar Voskjards«, gab ich zurück. »Sie kommt von einem Besuch bei Kliomenes in der Festung des Policrates.«

»Ich vermag das kaum zu glauben«, sagte Callimachus.

»Wurde sie an der Kette durchsucht?«

»Nein.«

»Wäre das geschehen«, sagte ich, »hätte man festgestellt, daß sie Beutestücke aus der Blume von Siba an Bord trug. Darüber hinaus hätten sich bestimmt Papiere gefunden, die eine Verbindung zu Policrates herstellen, Dokumente über Losungsworte und Gegenlosungen, mit denen das Vorgehen der vereinten Piratenflotte koordiniert werden kann.«

»Du irrst dich«, sagte Callimachus. »Reginald, der Kapitän, ist ein allseits bekannter Mann.«

»Ich erfuhr diese Dinge am Hofe des Kliomenes.«

»Du mußt dich irren!«

»Ich rechne fest mit einem Kampf.«

»Der hätte längst stattfinden müssen«, meinte Callimachus.

»Durchaus möglich.«

»Vielleicht fürchtet der Voskjard die Kette.«

»Vielleicht.«

Von Zeit zu Zeit war das unruhige Knirschen der mächtigen Kettenglieder zu hören, die an Pfeilern befestigt waren und sich über den Fluß erstreckten. Jedes dieser Glieder war etwa achtzehn Zoll lang und einen Fuß breit; das darin verarbeitete Metall war dick wie ein männlicher Unterarm. An einigen Stellen hing die Kette bis zu einem Fuß unter dem Wasser; an anderen, insbesondere nahe der Pfosten, verlief sie bis zu einem Meter über dem Fluß. Mit massiven Ringen war sie an den Pfosten verankert. An fünf Stellen im Fluß konnte die Kette mit Hilfe gewaltiger Flöße geöffnet werden; hier gab es Wachstationen. Wächter waren auch an den Endpfeilern am Nord- und Südufer des Flusses stationiert.

»Wo ist Callisthenes?« fragte ich.

»In der südlichen Wachstation«, antwortete Callimachus. Diese Station galt als der gefährdetste Punkt der Anlage. Im allgemeinen besitzen die goreanischen Schiffe, Rundschiffe eingeschlossen, nur einen sehr geringen Tiefgang. Wo es keine ausgebauten Hafenanlagen gibt, werden die Boote über Nacht ans Ufer gesetzt. Theoretisch war es daher möglich, daß die Kette an diesen Punkten umgangen wurde. Die flachen Schiffe konnten ans Ufer geholt und auf Rollen um die Endstützen der Kette herumgeschafft werden. Dabei galt die südliche Wachstation als verwundbarer, weil sie entlegener war. Zur nördlichen Station hin war die Versorgung von Port Cos einfacher darzustellen, Entsatz wäre schneller zur Stelle gewesen, ganz abgesehen davon, daß sich dort auch die Kasernen für sämtliche Wachmannschaften an der Kette befanden. So freute es mich zu hören, daß Callisthenes in der südlichen Wachstation Posten bezogen hatte. Gerade dort brauchten wir unsere besten Leute. Trotzdem würde er uns fehlen, sollte es die Flotte des Voskjard doch wagen, die Kette direkt anzugehen.

»Vielleicht müßten wir ebenfalls dort warten«, sagte Callimachus nachdenklich.

»Die Kette scheint ungemein stark zu sein«, sagte ich. Callimachus und ich hatten sie erst vor kurzem zum erstenmal gesehen und waren auf ihre Wirkung nicht vorbereitet gewesen. Sie stellte eine ungeheure technische Leistung dar. Wenngleich wir an unseren theoretischen Vorbehalten hinsichtlich der Wirksamkeit festhielten, waren wir doch angesichts der Kette ein wenig erleichtert. Wir verstanden, warum Männer, die die Kette gesehen hatten, positiver über die Auswirkungen dachten als wir, die wir im fernen Victoria zum erstenmal darüber diskutiert hatten.

»Vielleicht hat der Voskjard ja Angst vor der Kette«, meinte ich.

»Auch westlich der Kette müßte es genug Beute für ihn geben«, sagte Callimachus.

»Das meine ich auch.«

Ich blickte über die Reling auf die mächtige metallverkleidete Holzramme, die ein Stück aus dem Wasser ragte. An der Steuerbordseite sah ich das große, gekrümmte Rammmesser, das an der Flanke unseres Schiffs befestigt war. Auf der Backbordseite lauerte das Gegenstück, fest verankert in den Planken der Wandung vor den Rudern. Es hieß, daß ein Schiffsbauer aus Port Kar namens Tersites diese Klingen erfunden hatte.

»Du hast noch keinen Schiffskampf erlebt, nicht wahr?« fragte Callimachus.

»Nein. Aber es muß schrecklich sein.«

»Ich gehöre der Kriegerkaste an«, sagte Callimachus und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ich erschauderte bei dem Gedanken, was er wohl alles erlebt haben mochte und mir an Wissen voraus hatte. In diesem Augenblick fürchtete ich ihn. Ich glaubte ihn nicht mehr zu kennen, und es kam mir vor, als sei er ein gänzlich anderer Typ als ich.

»Hast du Angst?« fragte Callimachus.

»Ja.«

»Das ist nur natürlich.«

»Um welche Zahlen geht es?«

Callimachus grinste. »Das ist die Frage eines Kriegers«, sagte er.

»Bestimmt haben wir Informationen darüber.«

»Es heißt«, sagte Callimachus, »der Voskjard wäre stärker als Policrates. Angeblich befehligt er etwa fünfzig Schiffe und zweitausendfünfhundert Mann. Unsere Informationen über Policrates sind genauer. Er hat vierzig Schiffe und etwa zweitausend Mann unter seinem Kommando.«

»Sollten sich diese Flotten vereinigen, ergäbe das eine mächtige Streitmacht«, äußerte ic h.

»Und ob – und doch vermag Port Cos etwa fünfzig Schiffe aufzubieten und Ar-Station fünfundvierzig. Dementsprechend wären die Flotten dieser beiden Städte überlegen, wenn sie nur zusammen operieren können.«

»Wie viele Schiffe aus Ar-Station helfen uns an der Kette?«

»Zehn«, antwortete Callimachus. »Mehr wollte man uns nicht zur Verfügung stellen.«

»Und wie viele aus Port Cos?«

»Zehn an der Kette, und zwanzig in der Nähe der südlichen Wachstation.«

»Also dreißig insgesamt.«