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Wieder regte sich das Mädchen, das in der Ecke lag. Ein Knie war angezogen. In ihrem knappen Gewand bot sie einen verlockenden Anblick. Ich fragte mich, ob sie bereits das rauhe Gewebe der Sklavenmatte unter sich spürte. Ich nahm es nicht an.

»Ich bin eine freie Frau aus Vonda!« hatte die Frau am Tresen gestern abend gerufen. »Du kannst mich nicht hinauswerfen!«

»Entweder bezahlen oder auf die Straße!« hatte Strobius geantwortet.

»Du kannst mich doch nicht auf die Straße setzen!«

Ich hatte einen weiteren Schluck meines Sul-Breis zu mir genommen.

Die Frau am Tresen war verschleiert gewesen, wie es bei Goreanerinnen üblich ist, besonders in den hohen Kasten und den großen Städten. Daß auch die Goreaner sich gelegentlich maskieren, hat verschiedene Gründe. Oneander hatte eine Maske getragen, weil er den Zorn der Männer aus Ar wegen seiner Geschäfte mit Lara fürchtete und wohl auch wegen der Scham über seinen Fehlschlag. Auch jetzt in der Schänke waren etliche Männer maskiert, vermutlich um ihre Identität zu verschleiern. Es waren unruhige Zeiten. Es mochte von Nachteil für sie sein, erkannt zu werden - beispielsweise als Männer von Reichtum oder hoher Stellung, die nun in Schwierigkeiten steckten. Einige waren vielleicht zur Erpressung eines Lösegelds gefangengehalten worden. Andere wollten womöglich in Lara nicht erkannt werden, weil sie sich wegen des Niedergangs der Stadt Vonda schämten – oder ihrer Flucht aus dieser Stadt. Auch Geächtete tragen zuweilen Masken.

»Ich bin eine freie Frau!« rief die Verschleierte.

»Dieser Zustand könnte sich als vorübergehend erweisen«, erwiderte der Wirt.

»Ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll. Und die Stadt draußen ist für mich nicht sicher genug.«

»Du schuldest mir einen Silber-Tarsk für die letzte Nacht«, sagte er. »Und wenn du bleiben willst, wird ein zweiter fällig.«

»Ich habe das Geld nicht«, schluchzte sie.

»Dann muß ich dich hinauswerfen.«

»Nimm mein Gepäck«, sagte sie, »meine Koffer!«

»Kein Interesse.«

Ich hatte die Absicht, mir am nächsten Morgen eine Transportmöglichkeit auf dem Fluß zu besorgen, stromabwärts. Mein Anliegen ließ sich nicht in Lara erledigen, sondern nur weiter westlich auf dem Fluß. Übrigens waren nicht allzu viele Flüchtlinge in Lara geblieben, das dem Kriegsschauplatz viel zu nahe war. Es lag innerhalb des Aktionsradius der Tarn-Kavallerie, wie sie mit so schrecklichen Folgen auf den Feldern und Hügeln südlich von Vonda zum Einsatz gekommen war. Kleine Schiffe sorgten für die Verbindung zwischen Lara und den benachbarten Städten weiter unten am Fluß, zum Beispiel Weißwasser und Tancreds Furt.

»Du kannst mich nicht hinauswerfen!« rief sie.

»Sei froh«, erwiderte Strobius, »daß ich dich nicht entkleiden und als Sklavin verkaufen lasse!«

»Was geht hier vor?« hatte ich gefragt und war aufgestanden und zum Tresen gegangen.

»Wir schicken sie fort«, sagte Strobius. »Sie schuldet mir zwei Silber-Tarsks.«

»Ich glaube, der Betrag stimmt so«, sagte ich und legte zwei Silbermünzen auf den Tisch.

»In der Tat«, erwiderte Strobius, wischte die Münzen vom Tresen in seine Hand und steckte sie irgendwo unter seine Schürze.

»Da hast du dein Geld, Mann!« sagte die freie Frau herablassend zu Strobius, der sich grinsend vor ihr verbeugte.

»Sei bedankt«, fuhr die Frau fort und blickte zu mir auf.

»Keine Ursache.«

»Ich bin dir dankbar.«

»Vielleicht möchtest du mir an meinem Tisch Gesellschaft leisten. Es gibt kaum etwas anderes als Sul-Brei, aber ich könnte dir eine Schale bestellen.«

»Unter den gegebenen Umständen muß man sehen, wie man auskommt«, erwiderte sie.

»Hast du Wein?« fragte ich Strobius.

Er lächelte. »Ja«, antwortete er.

»Möchtest du gern Wein?« fragte ich die Frau.

Die Augen über dem Schleier funkelten. Vermutlich hatte sie sich seit einiger Zeit keinen Wein leisten können. »Ja«, erwiderte sie, »es wäre mir eine große Freude, deinen Wein zu trinken.«

»Bitte geh zum Tisch«, sagte ic h, »dann sorge ich für das Nötige.«

»Schön«, sagte sie und wandte sich ab.

»Sul-Brei«, sagte Strobius, »kostet zehn Kupfer-Tarsks. Für zwei Becher Wein nehme ich vierzig Kupfer-Tarsks.«

»In Ordnung«, sagte ich.

Gleich darauf brachte ein Helfer ein Tablett mit dem Sul-Brei und dem Wein zum Tresen. Ich bezahlte den Wirt.

»Ach, noch etwas«, sagte ich. »Hättest du ein Päckchen Tassa-Pulver für mich?«

Er grinste und griff unter den Tisch. »Ja«, sagte er.

»Wieviel schulde ich dir?«

»Für die da«, antwortete er und deutete mit einer Kopfbewegung zu meinem Tisch hinüber, »ist das Pulver frei. Mit einer Empfehlung des Hauses.«

»Sehr gut«, sagte ich.

Das Mädchen drehte sich unruhig auf der Sklavenmatte. Sie schien zu spüren, daß der Morgen nahe war.

Ich blickte mich um. Das Lokal war verlassen. Überall die Spuren einer hastigen Evakuierung. Angeblich stand ein Angriff durch Tarnkämpfer aus Ar bevor. Die Evakuierung der Schänke war ein Teil der Evakuierung von ganz Lara gewesen. Inzwischen waren die Straßen wieder leer und still. Ich vermutete, daß sich nur noch wenige Leute in Lara aufhielten.

Ich beobachtete das Mädchen, dessen Fingerspitzen vorsichtig über das Gewebe der Matte fuhren. Plötzlich, erwachend, fuhr sie auf.

»Wo bin ich?« fragte sie.

»In der Schänke des Strobius«, antwortete ich, »in Lara.«

»Was ist los?«

»Du warst berauscht«, antwortete ich.

Sie schüttelte den Kopf und sah mich an. Ich nahm nicht an, daß sie mich schon deutlich wahrnahm.

»Du hättest meinen Wein nicht trinken dürfen«, sagte ich.

»Wo sind meine Sachen?«

»Dein Gepäck und deine Habe habe ich fortgeworfen, verbrannt oder sonstwie vernichtet«, sagte ich. »Bis auf die Ta-Teera, die du jetzt trägst, und den Kragen.«

»Ich trage einen Sklavenkragen?« flüsterte sie ungläubig und schüttelt den Kopf. »Ich erinnere mich an dich. Du hast für meine Übernachtung bezahlt und mir Wein eingeschenkt.«

»Ja.«

»Es war ein Mittel darin.«

»Selbstverständlich!«

»Gib mir den Schlüssel zu dem Kragen!« rief sie brüsk und sprang auf.

»Knie nieder!« fuhr ich sie an.

Entsetzt gehorchte sie.

»Die Ta-Teera wie auch den Kragen habe ich bei deinen Sachen gefunden«, sagte ich. »Wirklich ungewöhnliche Besitztümer für eine freie Frau.«

»Im Haus von Tima hatte ich mit freien Sklavenhändlerinnen zu tun«, antwortete sie. »Von Zeit zu Zeit benötigte ich solche Objekte bei meiner Arbeit.«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Kenne ich dich?« fragte sie.

»Tust du das?«

»Du trägst eine Maske – da bin ich natürlich im Nachteil.«

»Es stimmt, daß du wesentlich entblößter bist«, stellte ich fest.

Sie errötete. »Kennst du mich?« fragte sie.

»Ja, aus Vonda.«

Sie zuckte ärgerlich die Achseln. »Da könntest du einer von tausend sein«, sagte sie.

»Bin ich aber nicht.«

»Nein, vermutlich nicht.«

Ich ging zu ihr und kauerte mich neben ihr nieder.

»Du hast meinen Namen hier in der Schänke gehört«, sagte sie.

»Ja«, antwortete ich, »aber auch so habe ich dich sofort erkannt.«

»Trotz des Schleiers?«

»Ja.«

Sie wich ein wenig vor mir zurück. »Wie heiße ich denn?«

»Du bist Lady Tendite aus Vonda«, erwiderte ich, »die frühere Assistentin der Sklavenhändlerin Lady Tima aus Vonda, Inhaberin des Hauses von Tima.«

»Wer bist du?« fragte sie angstvoll.

Ich nahm die Maske ab.

»Erinnerst du dich an mich?« fragte ich. »Ich war einmal Seidensklave. Ich heiße Jason.«

Ein Ausdruck des Erkennens erschien in ihren Augen. »Nein«, flüsterte sie. »Nein!« Sie versuchte sich zu wehren, doch ich drängte sie zurück, und bald lag sie hilflos vor mir. »Nein«, flüsterte sie, »nein, nein.«