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»Oh, er würde gewonnen werden«, meinte Churchill zuversichtlich, »nur eben langsamer.« Er seufzte. »Die Politik bringt seltsame Bettgenossen zusammen, noch seltsamere Gespanne aber entstehen durch die Sachzwänge eines Krieges.«

Stefan war abreisebereit.

Sie schüttelten sich die Hand.

»Ihr Institut wird restlos in Trümmer gelegt«, sagte der Premierminister noch. »Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«

»Das genügt mir völlig«, versicherte Stefan ihm.

Er griff unter sein Hemd und drückte dreimal auf den gelben Knopf, der den Rückholgürtel aktivierte.

Scheinbar im selben Augenblick fand er sich in Berlin im Institut wieder. Er verließ das zylinderförmige Tor und trat wieder ans Programmierpult. Die Uhr zeigte, daß genau elf Minuten vergangen waren, seitdem er von hier zu dem bombensicheren Bunker unter dem Londoner Pflaster abgereist war.

Seine Schulter tat noch immer weh, aber die Schmerzen waren nicht schlimmer geworden. Das unablässige Pochen ermüdete ihn jedoch so, daß er in den Programmierersessel sank, um sich kurz auszuruhen.

Danach programmierte Stefan das Tor mit den im Jahre 1989 von dem IBM-PC errechneten Zahlen für seine vorletzte Zeitreise. Diesmal würde er fünf Tage weit in die Zukunft reisen und am 21. März um 23 Uhr in einem anderen bombensicheren unterirdischen Bunker eintreffen - nicht in London, sondern hier in Berlin.

Sobald das Tor betriebsbereit war, betrat er den Stahlzylinder, ohne eine Waffe mitzunehmen. Auch Churchills sechsbändige Geschichte des Zweiten Weltkriegs blieb diesmal zurück.

Als er im Inneren des Stahlzylinders den Übergangspunkt passierte, drang das vertraute unangenehme Kribbeln von außen durch seine Haut ein, durchlief sein Fleisch und erreichte sein Knochenmark, um von dort aus augenblicklich wieder den umgekehrten Weg zu nehmen.

Der fensterlose unterirdische Raum, in dem Stefan ankam, wurde nur durch eine Lampe auf dem Schreibtisch in der Ecke und kurzzeitig durch die von ihm mitgebrachten elektrischen Entladungen erhellt. In diesem unheimlichen Lichtschein war Hitler deutlich zu erkennen.

20

Noch eine Minute.

Laura kauerte an den Buick gepreßt neben Chris. Ohne ihre Haltung zu verändern, blickte sie zuerst nach Süden, wo ein Mann in Deckung lag, wie sie genau wußte, dann nach Norden, wo vermutlich weitere Feinde lauerten.

Über die Wüste hatte sich eine übernatürliche Stille gelegt. Der windlose Tag besaß nicht mehr Atem als eine Leiche. Die Sonne hatte das ausgedörrte Land mit soviel Licht übergossen, daß es fast so hell war wie der Himmeclass="underline" An den Rändern der Ebene unterschied der helle Himmel sich so wenig von der hellen Wüste, daß der Horizont praktisch verschwand. Obwohl die Temperatur lediglich etwas über 25° C betrug, schienen alle Gegenstände - jeder Fels und jede Pflanze und jeder Sandhügel - von der Hitze aneinandergeschweißt zu sein.

Noch eine Minute.

Bestimmt dauerte es nur noch eine Minute oder weniger, bis Stefan aus dem Jahre 1944 zurückkehrte, und er würde ihnen irgendwie sehr helfen nicht nur wegen seiner Uzi, sondern weil er ihr Beschützer war. Ihr Beschützer. Obwohl Laura jetzt wußte, woher er kam, und ihm keine übernatürlichen Fähigkeiten mehr zuschrieb, blieb er in ihren Augen in gewisser Beziehung eine überlebensgroße Gestalt, die imstande war, Wunder zu wirken.

Keine Bewegung im Süden.

Keine Bewegung im Norden.

»Sie kommen«, flüsterte Chris.

»Uns passiert nichts, Schatz«, sagte sie leise. Zugleich klopfte ihr Herz nicht nur vor Angst, sondern schmerzte im Gefühl eines Verlustes, als ahne sie auf irgendeiner Ebene ihres Unterbewußtseins, daß ihr Sohn das einzige Kind, das sie je haben würde, das Kind, das eigentlich nie hatte existieren sollen -bereits tot war: nicht wegen ihres Versagens als seine Beschützerin, sondern weil das Schicksal sich nicht überlisten ließ. Nein. Verdammt noch mal, nein! Diesmal würde sie das Schicksal besiegen. Sie würde ihren Jungen festhalten. Sie würde ihn nicht verlieren, wie sie im Laufe der Jahre so viele geliebte Menschen verloren hatte. Er gehörte ihr - nicht dem Schicksal. Chris gehörte ihr. »Uns passiert nichts, Schatz.«

Nur noch eine halbe Minute.

Plötzlich sah sie im Süden eine Bewegung.

21

In Hitlers Arbeitszimmer im Berliner Führerbunker schlängelte die durch Stefans Zeitreise verdrängte Energie sich von seinem Körper ausgehend in hellen, zischenden Flammenzungen davon: in Hunderten von bläulichen Feuerschlangen, die wie in dem unterirdischen Londoner Konferenzraum über den Fußboden und die Wände hinauf züngelten. Dieses grelle, lautstarke Phänomen lockte jedoch keine Wachen aus anderen Bunkerräumen herbei, denn im Augenblick hatte Berlin einen weiteren anglo-amerikanischen Bombenangriff durchzustehen. Der Führerbunker erzitterte unter den Detonationen schwerer Bomben in der Stadt, und selbst in dieser Tiefe überdeckte das Donnern des Bombenangriffs die Geräusche, von denen Stefans Ankunft begleitet war. Hitler drehte sich mit seinem Drehsessel nach Stefan um. Er ließ ebensowenig Überraschung erkennen wie Churchill; andererseits war er im Gegensatz zu dem britischen Premierminister natürlich über die Arbeit des Instituts informiert und begriff sofort, wie Stefan sich in seinem Arbeitszimmer materialisiert hatte. Außerdem kannte er Stefan als den Sohn eines seiner frühesten und treuesten Anhänger und als einen SS-Führer, der viele Jahre für die gemeinsame Sache gearbeitet hatte.

Obwohl Stefan nicht damit gerechnet hatte, Hitler werde überrascht sein, hatte er gehofft, diese Züge einmal angstverzerrt zu erleben. Falls der Führer die Gestapomeldungen über die neuesten Ereignisse im Institut gelesen hatte - was er bestimmt getan hatte -, wußte er, daß Stefan vorgeworfen wurde, Penlowski, Janusky und Wolkow vor sechs Tagen, am 15. März 1944, erschossen zu haben, bevor er selbst in die Zukunft geflüchtet war. Hitler glaubte vermutlich, Stefan habe auch diese Zeitreise unbefugt unternommen, bevor er die Wissenschaftler ermordet habe, und habe die Absicht, ihn nun ebenfalls zu erschießen. Trotzdem ließ er sich keine Angst anmerken: Er blieb sitzen, öffnete gelassen eine Schreibtischschublade und zog eine Luger hervor.

Noch während die letzten elektrischen Entladungen sich davonschlängelten, schlug Stefan die Hacken zusammen, hob den rechten Arm zum Deutschen Gruß und schmetterte markig: »Heil, mein Führer!« Um zu demonstrieren, daß er in friedlicher Absicht gekommen sei, ließ er sich auf ein Knie nieder, als kniee er vor einem Altar, und senkte den Kopf, so daß er ein leichtes, keinen Widerstand bildendes Ziel bildete. »Mein Führer, ich bin hergekommen, um meinen guten Namen reinzuwaschen und Sie vor Verrätern im Institut und unter den dorthin abkommandierten Gestapo-Beamten zu warnen.«

Der Diktator schwieg lange.

Die Druckwellen des nächtlichen Bombenangriffs pflanzten sich durch die Erde und die sechs Meter dicken Stahlbetonwände fort und füllten den Bunker unaufhörlich mit einem tiefen, bedrohlich klingenden Dröhnen. Bei jeder Detonation in Bunkernähe klapperten die drei Ölgemälde nach der Eroberung Frankreichs aus dem Louvre nach Berlin entführt an den Wänden, und aus dem großen Kupferkessel mit Bleistiften auf Hitlers Schreibtisch kam ein hohles, vibrierendes Geräusch.

»Stehen Sie auf, Stefan«, forderte Hitler ihn jetzt auf. »Nehmen Sie Platz.« Er deutete auf einen braunen Ledersessel, eines der nur fünf Möbelstücke in diesem beengten, fensterlosen Arbeitszimmer. Dann legte er die Luger auf seinen Schreibtisch - allerdings in bequemer Reichweite. »Ich hoffe nicht nur um Ihre Ehre, sondern auch um der Ihres Vaters und der Schutzstaffel willen, daß Sie so unschuldig sind, wie Sie behaupten.«

Stefan sprach energisch, weil er wußte, daß Hitler dafür empfänglich war; zugleich sprach er jedoch auch mit gespielter Ehrfurcht, als glaube er tatsächlich, sich in Gegenwart eines Mannes zu befinden, der das wahre Wesen des deutschen Volkes in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verkörperte. Noch besser als energisches Auftreten gefiel Hitler nämlich die kriecherische Ehrfurcht, die bestimmte Gefolgsleute ihm entgegenbrachten. Die Gratwanderung zwischen diesen beiden Extremen war schwierig, aber für Stefan, war dies nicht das erste Gespräch mit dem Führer: Er hatte schon einige Übung darin, sich bei diesem Größenwahnsinnigen, dieser Viper in Menschengestalt einzuschmeicheln.