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»Mein Führer, ich habe Wladimir Penlowski, Janusky und Wolkow nicht erschossen. Das ist Kokoschka gewesen. Er hat Hochverrat begangen. Ich habe ihn im Institutsarchiv ertappt, unmittelbar nachdem er Janusky und Wolkow ermordet hatte. Er hat auch auf mich geschossen.« Stefan legte seine Rechte aufs linke Schlüsselbein. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Wunde zeigen. Angeschossen bin ich dann vor ihm ins Hauptlabor geflüchtet. Ich war verwirrt, weil ich nicht beurteilen konnte, wie viele Institutsangehörige in diese Verschwörung verwickelt waren. Und da ich nicht wußte, wen ich um Hilfe hätte bitten können, hat es für mich nur eine Rettungsmöglichkeit gegeben -ich bin durchs Tor in die Zukunft geflüchtet, bevor Kokoschka mich einholen und mir den Rest geben konnte.«

»Der Bericht von Hauptkommissar Kokoschka lautet ganz anders. Er behauptet darin, Sie angeschossen zu haben, als Sie durchs Tor flüchten wollten, nachdem Sie Penlowski und die anderen ermordet hatten.«

»Wäre ich dann hierher zurückgekehrt, mein Führer?« fragte Stefan. »Wäre ich ein Verräter, der mehr Vertrauen zur Zukunft hat als zu Ihnen, dann wäre ich bestimmt in der Zukunft geblieben.«

»Aber sind Sie dort denn sicher gewesen Stefan?« erkundigte Hitler sich verschlagen lächelnd. »Soviel ich weiß, sind in der Zukunft zwei Gestapo-Trupps und später ein SS-Kommando auf Sie angesetzt worden.«

Bei der Erwähnung des SS-Kommandos erschrak Stefan, dann das mußte die Gruppe sein, die weniger als eine Stunde vor seiner Abreise in Palm Springs eingetroffen war - die Gruppe, deren Ankunft die Blitze aus heiterem Himmel angekündigt hatten. Weil er der SS weit mehr Pflichtbewußtsein und mörderische Fähigkeiten zutraute als der Gestapo, machte er sich plötzlich Sorgen um Laura und den Jungen.

Darüber hinaus aber erkannte er, daß man Hitler verschwiegen hatte, daß eine Frau die Gestapo-Trupps zurückgeschlagen hatte: Hitler, der nicht wußte, daß Stefan im Koma gelegen hatte, mußte glauben, er habe sie allein abgewehrt. Das paßte zu dem, was er erzählen wollte, deshalb sagte er: »Jawohl, mein Führer, ich habe mich guten Gewissens gegen diese Männer zur Wehr gesetzt, denn ich wußte, daß sie alle Verräter waren, die mich zum Schweigen bringen wollten, damit ich nicht zurückkommen und Sie vor den im Institut tätigen Verschwörern warnen könnte. Kokoschka und fünf weitere Männer aus dem Institut sind seither verschwunden, nicht wahr? Sie haben kein Vertrauen zur Zukunft des Reichs gehabt, und da sie fürchten mußten, ihre Beteiligung an den Morden vom 15. werde bald aufgedeckt werden, sind sie in die Zukunft geflohen, um sich in einer anderen Ära zu verstecken.«

Stefan machte eine Pause, um das bisher Gesagte einwirken zu lassen.

Während die Detonationen über ihnen abnahmen, als wäre der Bomberstrom versiegt, starrte Hitler seinen Besucher prüfend an. Sein Blick war ebenso direkt wie der Winston Churchills, aber aus ihm sprach nichts von der klaren, geradlinigen Einschätzung von Mann zu Mann. Statt dessen betrachtete Hitler Stefan aus der Perspektive des selbsternannten Gottes, eines bösartigen Gottes, der nicht seine Geschöpfe liebte, sondern nur deren Gehorsam.

»Gut, nehmen wir einmal an, es gäbe im Institut Verräter«, meinte Hitler schließlich. »Welche Absichten hätten sie?«

»Sie zu täuschen, mein Führer«, antwortete Stefan sofort. »In der Hoffnung, Sie dadurch zu militärischen Fehlentscheidungen provozieren zu können, legen sie Ihnen falsche Informationen aus die Zukunft vor. Sie haben Ihnen weiszumachen versucht, praktisch alle in den letzten eineinhalb Kriegsjahren von Ihnen getroffenen Entscheidungen würden sich als Fehler erweisen - aber das stimmt nicht! Nach dem jetzigen Stand der Dinge verlieren Sie den Krieg nur äußerst knapp. Schon geringfügige Abänderungen Ihrer Strategie könnten Ihnen den Sieg bringen!«

Hitler kniff die Augen zusammen, seine Miene verfinsterte sich - nicht aus Mißtrauen gegenüber Stefan, sondern weil er plötzlich allen im Institut mißtraute, die ihm verklausuliert mitgeteilt hatten, er werde in den kommenden Monaten fatale militärische Fehlentscheidungen treffen. Stefan ermutigte ihn, wieder an seine Unfehlbarkeit zu glauben, und der Verrückte war nur allzu gerne bereit, sich erneut auf sein vermeintliches Feldherrentalent zu verlassen.

»Mit geringfügigen Abänderungen meiner Strategie?« erkundigte Hitler sich. »Und woraus könnten diese bestehen?«

Stefan zählte rasch sechs Punkte auf, die seiner Meinung nach einige der wichtigsten zukünftigen Schlachten entscheiden würden; in Wahrheit aber würden gerade diese den Ausgang des Krieges nicht beeinflussen - die Schlachten, von denen er sprach, gehörten nicht zu den Entscheidungsschlachten der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs.

Hitler, der jedoch hören wollte, daß er beinahe gesiegt hätte, statt der sichere Verlierer zu sein, akzeptierte Stefans Ratschläge jetzt als die reine Wahrheit, weil sie kühne taktische Entscheidungen voraussetzten, die sich nur wenig von denen unterschieden, die der Diktator selbst treffen würde. Jetzt stand er auf und ging erregt in dem kleinen Bunkerraum auf und ab. »Schon bei den ersten mir vom Institut vorgelegten Berichten habe ich geahnt, daß sie die Zukunft irgendwie nicht richtig darstellten. Ich fühlte, daß es nicht sein konnte, daß ich diesen Krieg so lange so brillant führte - um dann plötzlich einen Mißerfolg nach dem anderen zu ernten. Gewiß, wir stecken gegenwärtig in einer Krise, aber auch die geht vorüber. Die langerwartete Invasion der Anglo-Amerikaner wird fehlschlagen; wir werden sie ins Meer zurückwerfen.« Er sprach beinahe flüsternd, aber mit der aus seinen vielen öffentlichen Reden wohlvertrauten hypnotischen Leidenschaftlichkeit. »Nach diesem fehlgeschlagenen Frontalangriff werden sie den größten Teil ihrer Reserven verbraucht haben; sie werden auf breiter Front zurückweichen müssen und viele Monate lang zu keinem neuen Invasionsversuch imstande sein. Bis dahin bauen wir unsere Herrschaft in Europa aus, schlagen die russischen Barbaren und sind dann stärker denn je zuvor!« Er blieb stehen, blinzelte, als wäre er aus einer selbst hervorgerufenen Trance erwacht, und fragte: »Ja, was ist mit der Invasion der Westalliierten? Mit ihrem D-Day, wie sie ihn nennen werden? Nach Berichten des Instituts sollen die Anglo-Amerikaner in der Normandie landen.«

»Lügen!« behauptete Stefan. Jetzt waren sie bei dem Thema, das der eigentliche Zweck seines Besuchs in dieser Märznacht im Führerbunker war. Aus dem Institut hatte Hitler erfahren, daß die Invasion in der Normandie stattfinden würde. In der vom Schicksal vorausbestimmten Zukunft würde Hitler die Absichten der Alliierten falsch einschätzen und anderswo Vorbereitungen zur Abwehr der Invasion treffen, so daß die Normandie ungenügend verteidigt wurde. Stefan mußte ihn ermutigen, auf dieser seiner Strategie zu beharren, als habe das Institut nie existiert. Hitler mußte, wie vom Schicksal vorgesehen, den Krieg verlieren, und Stefan hatte jetzt die Aufgabe, die Glaubwürdigkeit des Instituts zu untergraben und dadurch den Erfolg der alliierten Invasion in der Normandie sicherzustellen.

22

Klietmann hatte es geschafft, an dem Buick vorbei noch einige Meter nach Osten voranzukommen, wodurch er in den Rücken der Frau gelangt war. Er lag reglos hinter niedrigen Quarzzak-ken, die von hellblauen Adern durchzogen waren, und wartete darauf, daß Hubatsch sich im Süden von ihr zeigte. Sobald die Frau auf diese Weise abgelenkt war, würde Klietmann aufspringen und mit hämmernder Uzi auf sie losstürmen. Er würde sie durchsieben, bevor sie auch nur Zeit hatte, sich umzudrehen und einen Blick ins Gesicht ihres Mörders zu werfen.