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Er hätte diese Schlange in Menschengestalt am liebsten beseitigt, aber er konnte die Verantwortung für die daraus entstehende Welt nicht tragen. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, daß sie ohne Hitler eigentlich nur besser werden könne; andererseits wußte er, daß die Begriffe »Schicksal« und »gesunder Menschenverstand« einander ausschlossen.

»Richtig, mein Führer«, bestätigte er, »wäre ich ein Verräter, hätte ich genau das tun können. Und ich fürchte, daß die wahren Verräter im Institut eines Tages auf diese Attentatsmethode kommen werden.«

Hitler wurde sichtlich blaß. »Morgen lasse ich das Institut schließen!« knurrte er. »Das Tor wird versiegelt, bis ich sicher sein kann, daß der Mitarbeiterstab von Verrätern gesäubert ist.«

Vielleicht kommen Churchills Bomber dir zuvor, dachte Stefan.

»Wir werden siegen, Stefan, und wir werden den Sieg erringen, indem wir auf unser großes Schicksal vertrauen - nicht indem wir Wahrsager spielen. Wir werden siegen, weil wir vom Schicksal zu Siegern bestimmt sind.«

»Das ist unser Schicksal«, stimmte Stefan zu. »Wir stehen auf der Seite der Wahrheit.«

Endlich lächelte der Geistesgestörte. Von einer Sentimentalität erfaßt, die wegen des rasanten Stimmungswechsels um so eigenartiger war, sprach Hitler von Stefans Vater Franz und der ersten Zeit in München mit den Geheimtreffen in Anton Drex-lers Wohnung und den Kundgebungen im Eberlbräu und im Hofbräuhaus.

Stefan hörte eine Zeitlang scheinbar sehr interessiert zu, aber als Hitler ihm beteuerte, als Sohn Franz Kriegers genieße er nach wie vor sein unerschütterliches Vertrauen, nutzte Stefan diese Gelegenheit zum Aufbruch. »Und ich, mein Führer, glaube fest an Sie und bin für immer Ihr treuester Gefolgsmann.« Er war aufgestanden, hob die rechte Hand zum Deutschen Gruß und legte die linke unter seinem Hemd auf den Knopf des Gürtels. »Jetzt muß ich in die Zukunft zurück, um dort für Sie weiterzuarbeiten.«

»In die Zukunft?« fragte Hitler und stand auf. »Aber ... ich dachte, Sie würden jetzt in der Gegenwart bleiben? Was wollen Sie noch dort, nachdem Ihr guter Ruf doch wiederhergestellt ist?«

»Ich glaube zu wissen, wohin der Verräter Kokoschka sich abgesetzt, in welchem Winkel der Erde er Zuflucht gesucht hat. Ich muß ihn aufspüren und zurückbringen, denn vermutlich kennt Kokoschka die Namen der Verschwörer im Institut und kann dazu veranlaßt werden, sie preiszugeben.«

Er grüßte erneut, drückte dreimal auf den Knopf und verließ den Bunker, bevor Hitler antworten konnte.

Er kehrte am 16. März 1944 ins Institut zurück: am Abend des Tages, an dem Kokoschka in die San Bernardino Montains aufgebrochen war, um nie mehr zurückzukehren. Er hatte nach besten Kräften dafür gesorgt, daß das Institut vernichtet werden und Hitler allen von dort kommenden Informationen mißtrauen würde.

Hätte das SS-Kommando, das im Jahre 1989 offenbar Jagd auf Laura machte, ihm nicht so große Sorgen gemacht, wäre er von seinen Erfolgen begeistert gewesen. Am Programmierpult gab er die mit dem Computer errechneten Zahlen für seine letzte Zeitreise ein, die ihn in die Wüste außerhalb von Palm Springs führen würde, wo Laura und Chris am Morgen des 25. Januar 1989 auf ihn warteten.

26

Schon im Fallen wußte Laura, daß ihr Rückgrat von einer der Kugeln durchschlagen oder zerschmettert worden war, denn sie spürte keinerlei Schmerzen: Ihr gesamter Körper war vom Hals abwärts völlig gefühllos.

Das Schicksal versucht, ursprünglich vorgesehene Entwicklungslinien durchzusetzen.

Die Schüsse hörten auf.

Laura konnte lediglich den Kopf bewegen - und nur so weit, daß sie Chris vor dem Buick stehen sah. Der Junge schien vor Entsetzen ebenso gelähmt zu sein, wie sie es durch die Kugel war, die ihr Rückgrat durchschlagen hatte. Und keine 15 Meter hinter Chris kam ein mit einer Maschinenpistole bewaffneter Mann mit Sonnenbrille, weißem Hemd und schwarzer Hose aus Norden herangetrabt.

»Chris«, sagte sie heiser, »lauf! Lauf!.«

Tiefster Schmerz verzerrte das Gesicht des Jungen, als wäre er sich darüber im klaren, daß er eine Sterbende zurücklasse. Dann rannte er nach Osten in die Wüste hinaus, so schnell seine kleinen Beine ihn tragen wollten, und war clever genug, dabei Haken zu schlagen, um ein möglichst schwieriges Ziel abzugeben.

Laura sah, wie der Killer seine Maschinenpistole hob.

Im Hauptlabor klappte Stefan die Abdeckung des automatischen Registriergeräts für Zeitreisen hoch.

Von dem fünf Zentimeter breiten Registrierstreifen ließ sich ablesen, daß an diesem Abend eine Zeitreise zum 10. Januar 1988 unternommen worden war: Heinrich Kokoschkas Reise in die San Bernardino Mountains, wo er Danny Packard erschossen hatte. Darüber hinaus hatte der Streifen acht Reisen ins Jahr 6 000 000 000 registriert: die fünf Männer und drei Bündel mit Versuchstieren. Ebenfalls festgehalten waren Stefans eigene Zeitreisen: zum 20. März 1944 mit den genauen Koordinaten des unterirdischen Lagezentrums am Londoner St. James’s Park, zum 21. März 1944 mit den genauen Koordinaten des Berliner Führerbunkers und das Ziel seiner letzten Reise, das er soeben eingegeben hatte - Palm Springs am 25. Januar 1989. Er riß den Registrierstreifen ab, steckte dieses Belastungsmaterial in die Tasche und spannte leeres Papier ein. Die Anzeigen des Programmierpults sprangen mit Beginn einer Zeitreise automatisch in Ausgangsstellung zurück. Die Wissenschaftler würden erkennen, daß jemand sich an dem Registriergerät zu schaffen gemacht hatte, aber sie würden glauben, das seien Kokoschka und die anderen Deserteure gewesen, die versucht hatten, ihre Spuren zu verwischen.

Stefan klappte den Gerätedeckel herunter und schlüpfte mit den Armen durch die Trageriemen des Rucksacks mit Churchills Büchern. Er hängte sich die Uzi über die Schulter und nahm die mit einem Schalldämpfer versehene Pistole vom Arbeitstisch.

Mit einem raschen Blick überzeugte er sich davon, daß er nichts zurückgelassen hatte, was seine Anwesenheit an diesem Abend hätte verraten können. Die IBM-Computerausdrucke steckten wieder zusammengefaltet in den Taschen seiner Jeans.

Und den Vexxon-Zylinder hatte er längst mit den Tieren in eine Zukunft geschickt, in der die Sonne erloschen war oder bald erlöschen würde. Soweit er es beurteilen konnte, hatte er nichts übersehen.

Stefan betrat das Tor und empfand bei der Annäherung an den Übergangspunkt mehr Hoffnung, als er seit vielen Jahren zu empfinden gewagt hatte. Durch serienweise machiavellisti-sche Manipulationen von Zeiten und Menschen war es ihm gelungen, die Zerstörung des Instituts und den Untergang des Dritten Reichs sicherzustellen - folglich würden Laura und er auch mit diesem SS-Mordkommando fertigwerden, das sich im Jahre 1989 irgendwo in Palm Springs herumtrieb.

»Nein!« kreischte Laura, gelähmt im Wüstensand liegend. Aber das Wort kam nur geflüstert heraus; sie besaß weder Atem noch Kraft genug, um es lauter hervorzustoßen.

Der Mann mit der Maschinenpistole eröffnete das Feuer auf Chris. Einen Augenblick lang war Laura davon überzeugt, daß der Junge hakenschlagend den Schußbereich verlassen habe -aber das war natürlich nur letztes verzweifeltes Wunschdenken, weil der Junge so klein war und so kurze Beine hatte. Chris befand sich sehr wohl im Schußbereich, als die Kugeln ihn fanden, eine blutige Spur über seinen schmalen Rücken zogen und ihn nach vorn in den Sand warfen, wo er in einer größer werdenden Blutlache reglos liegenblieb.