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Stein folgte dem Beispiel seines Obersturmführers, aber sein Akzent war noch ausgeprägter, als er sagte: »Georgia.«

Und vom Rücksitz aus beteuerten Bracher und Hubatsch im Chor, bevor sie gefragt werden konnten: »Georgia, wir sind aus Georgia« - als wäre das ein Zauberwort, das den Polizeibeamten in Bann schlagen werde.

Der Cop lächelte jetzt nicht mehr. Statt dessen runzelte er die Stirn und forderte Klietmann auf: »Sir, steigen Sie bitte einen Augenblick aus?«

»Natürlich, Officer«, antwortete Klietmann und begann seine Tür zu öffnen. Dabei fiel ihm auf, daß der Uniformierte einige Schritte zurückgetreten war und seine Hand auf den Griff seines Dienstrevolvers gelegt hatte. »Aber wir müssen dringend zu einer Andacht und .«

Auf dem Rücksitz öffnete Hubatsch die Schlösser seines Aktenkoffers und riß die Uzi so schnell heraus, daß es jedem Leibwächter des amerikanischen Präsidenten zur Ehre gereicht hätte. Er kurbelte sein Fenster nicht erst herunter, sondern drückte die Mündung der Waffe an die Scheibe und eröffnete das Feuer auf den Cop, bevor der seinen Revolver ziehen konnte. Die Scheibe zerplatzte im Kugelhagel. Der von mindestens 20 Kugeln durchsiebte Polizist kippte rückwärts auf die Fahrbahn. Reifen quietschten, als ein Fahrer mit aller Kraft bremste, um den Erschossenen nicht zu überrollen, und auf der gegenüberliegenden Straßenseite zersplitterten Schaufenster, als verirrte Geschosse den Laden eines Herrenausstatters trafen.

Geistesgegenwärtig und mit kühler Gelassenheit, die Klietmann stolz darauf machte, der SS anzugehören, war Bracher aus dem Toyota gesprungen und beschrieb jetzt mit hämmernder Uzi einen weiten Bogen, um das Chaos zu vergrößern und ihnen die Flucht zu erleichtern. Überall zersplitterten Schaufensterscheiben; nicht nur die von Boutiquen in der Seitenstraße, in der sie parkten, sondern sogar noch am Palm Canyon Drive jenseits der Kreuzung. Menschen kreischten, warfen sich auf den Gehsteigen zu Boden oder suchten in Hauseingängen Deckung. Klietmann sah, wie vorbeifahrende Autos auf dem Palm Canyon Drive getroffen wurden; anscheinend hatte es auch einige Fahrer erwischt, die aber vielleicht auch nur in Panik geraten waren und deshalb die Kontrolle über ihre Wagen verloren. Ein beiger Mercedes streifte die Flanke eines Lieferwagens, und ein schnittiger roter Sportwagen geriet auf den Gehsteig, schleuderte gegen den Stamm einer Palme und bohrte sich dann in die Auslage einer Geschenkboutique.

Klietmann knallte seine Tür zu und löste die Handbremse. Sobald er hörte, daß Bracher wieder eingestiegen war, legte er den Gang ein und gab Gas. Nach einer Linkskurve schoß der weiße Toyota in Richtung Norden auf den Palm Canyon Drive hinaus. Klietmann merkte sofort, daß er sich auf einer Einbahnstraße befand, die er in falscher Richtung befuhr. Er wich entgegenkommenden Fahrzeugen fluchend aus. Der Toyota schwankte wild, weil er schlechte Stoßdämpfer hatte, und das aufspringende Handschuhfach entleerte seinen Inhalt auf Steins Schoß. An der nächsten Kreuzung bog Klietmann rechts ab. Einen Straßenblock weiter überfuhr er eine rote Ampel, verfehlte mehrere Passanten auf dem Zebrastreifen nur knapp und bog nach links auf eine weitere breite Straßen ab, auf der nach Norden gefahren werden durfte.

»Uns bleiben nur noch einundzwanzig Minuten«, stellte Stein fest, indem er auf die Borduhr deutete.

»Sagen Sie mir lieber, wohin ich fahren soll«, verlangte Klietmann. »Ich hab’ mich total verfahren.«

»Nein, das haben Sie nicht«, widersprach Stein und wischte den Inhalt des Handschuhfachs - Autopapiere, Reserveschlüssel, Papierservietten, ein Paar weiße Handschuhe und ein halbes Dutzend Portionspackungen Ketchup und Senf - von dem Stadtplan, der noch immer auf seinen Knien lag. »Sie haben sich nicht verfahren. Diese Straße führt dorthin, wo der Palm Canyon Drive aufhört, Einbahnstraße zu sein. Von dort aus fahren wir geradeaus nach Norden weiter bis zur Staatsstraße hundertelf.«

14

Ungefähr zehn Kilometer nördlich von Palm Springs, wo weit und breit nichts als kahle Wüstenlandschaft zu sehen war, lenkte Laura den Wagen aufs Bankett. Sie ließ ihn einige hundert Meter langsam weiterrollen, bis sie an eine Stelle kam, wo das Bankett auf gleicher Höhe in die Wüste überging, so daß von ihm wie von einer Rampe in die Ebene hinausgefahren werden konnte. Außer einigen Gräsern, die hier in trockenen Klumpen wuchsen, und verkrüppelten Mesquitebüschen bestand die Vegetation lediglich aus Tumbleweeds: teils grün und noch verwurzelt, teils trocken und bei jedem Windstoß davonkollernd. Die noch grünen Tumbleweeds kratzten leise gegen die Unterseite des Buicks, während die vertrockneten im Fahrtwind des Wagens davonflogen.

Der Boden bestand aus hartem Schiefergrund, auf dem sich an einigen Stellen vom Wind herangetragener alkalischer Sand angesammelt hatte. Wie schon neulich, als sie nachts in der Wüste unterwegs gewesen waren, mied Laura die sandigen Stellen und hielt sich auf dem freiliegenden graurosa Schiefer. Sie hielt erst 300 Meter von der Staatsstraße entfernt, so daß die vielbefahrene Straße außerhalb des Vexxon-Wirkungsbereichs lag. Dort parkte sie nicht weit von einem Arroyo - einem sechs Meter breiten und fast zehn Meter tiefen natürlichen Wassergraben, den viele Tausende von Sturzfluten während der kurzen Regenzeiten in den Wüstenboden gefressen hatten. Als sie bei ihrem nächtlichen Ausflug in dieses Gebiet darauf angewiesen gewesen waren, sich im Scheinwerferlicht vorwärtszutasten, hatten sie Glück gehabt, daß sie nicht in diesen riesigen Graben gefahren waren.

Obwohl den Blitzen aus heiterem Himmel bisher noch keine bewaffneten Männer gefolgt waren, drängte die Zeit ganz offensichtlich: Laura, Chris und Stefan bewegten sich, als hörten sie das Ticken einer Uhr, die demnächst eine Detonation auslösen würde. Während Laura einen der fast 15 Kilogramm schweren Vexxon-Zylinder aus dem Kofferraum des Buicks holte, schlüpfte Stefan mit den Armen unter die Träger des kleinen grünen Nylonrucksacks voller Bücher, zog den Brustgurt zurecht und drückte die Klettverschlüsse zusammen. Chris trug eine der Uzis zum Mittelpunkt einer fast kreisrunden Fläche, deren Untergrund aus völlig kahlem Schiefer bestand und die als Absprungpunkt für Stefans Reise in die Vergangenheit dienen sollte. Laura folgte dem Jungen dorthin, und Stefan, der seine Colt Commander mit Schalldämpfer in der rechten Hand hielt, schloß sich ihr an.

Auf der Staatsstraße 111 nördlich von Palm Springs fuhr Klietmann mit dem Toyota so schnell wie möglich, was nicht schnell genug war. Der Wagen hatte über 40 000 Meilen auf dem Buckel, und die alte Dame war bestimmt nie über 80 Stundenkilometer gefahren, so daß der Wagen nicht gut auf Klietmanns Anforderungen reagierte. Sobald er über 100 Stundenkilometer zu fahren versuchte, begann der Toyota zu stottern, so daß er wieder etwas Gas wegnehmen mußte.

Trotzdem holten sie nur wenige Kilometer nach der Stadtgrenze von Palm Springs einen Streifenwagen der California Highway Patrol ein, und Klietmann wußte, daß dies der Polizeibeamte sein mußte, der Laura Shane und ihren Sohn überprüfen und festnehmen würde. Der Cop fuhr in einer 90-km-Zone knapp unter 90 Stundenkilometer.

»Abschießen«, befahl Klietmann über die Schulter hinweg Rottenführer Bracher, der hinten rechts saß.

Klietmann warf einen Blick in den Rückspiegel und sah keine anderen Fahrzeuge hinter ihnen; dem Gegenverkehr standen zwei nach Süden führende Fahrspuren zur Verfügung. Er wechselte auf die Überholspur und begann, mit 95 Stundenkilometern an dem Streifenwagen vorbeizufahren.

Hinten kurbelte Bracher sein Fenster herunter. Die Scheibe gegenüber fehlte bereits, weil Hubatsch sie bei der Konfrontation mit dem Cop in Palm Springs herausgeschossen hatte, so daß der Fahrtwind jetzt durch den rückwärtigen Teil des Toyota pfiff und der Stadtplan auf Steins Knien auf und nieder flatterte.

Der Beamte der Verkehrspolizei sah überrascht zu ihnen herüber, vermutlich weil Autofahrer nur selten wagten, einen Polizeibeamtem zu überholen, der schon fast die erlaubte Höchstgeschwindigkeit fuhr. Als Klietmann das Gaspedal durchtrat und den Toyota auf 100 Stundenkilometer brachte, schwankte der Wagen, und der Motor begann wieder zu stottern. Der Polizeibeamte nahm zur Kenntnis, daß dieser Fahrer entschlossen war, die Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, und tippte kurz seine Sirene an, was offenbar als Zeichen für Klietmann gedacht war, zurückzubleiben und rechts heranzufahren.