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Hubatsch und Bracher hielten ihre Uzis seit Palm Springs schußbereit auf den Knien. Jetzt holte auch Stein die Waffe aus seinem Aktenkoffer.

Beiderseits der Straße stieg das Gelände jetzt fast auf Fahrbahnniveau an. Klietmann bremste den Toyota ab, lenkte über den Seitenstreifen, holperte in die Wüste hinaus und hielt auf die Frau und den Jungen zu.

Sobald Stefan den Rückkehrgürtel aktivierte, wurde die Luft drückend schwer, und Laura hatte das Gefühl, ein unsichtbares Riesengewicht laste auf ihr. Sie verzog das Gesicht, als der mit Ozongeruch vermischte Gestank nach durchgeschmorten Kabeln und verbrannter Isolierung den Aprikosenduft von Vexxon überlagerte. Der Luftdruck nahm zu, das Farbenkaleidoskop wurde intensiver, und Stefan verließ ihre Welt mit einem lauten Plop! Einen Augenblick lang schien die Luft zum Atmen zu fehlen; dann füllte böig einströmende heiße Luft mit dem schwach wahrnehmbaren Alkaligeruch der Wüste dieses kurzzeitige Vakuum auf.

»Wow!« rief Chris aus, der dicht neben ihr stand und ihre Hand umklammerte. »Klasse, Mom, was?«

Laura gab keine Antwort, denn sie war auf ein weißes Auto aufmerksam geworden, das die Staatsstraße 111 verlassen hatte und in die Wüste hinausfuhr. Es kam auf sie zu und begann heftig zu schwanken, als der Fahrer Gas gab.

»Chris, geh hinter dem Kühler in Deckung! Bleib unten!«

Er sah das näherkommende Auto und gehorchte, ohne Fragen zu stellen.

Sie rannte zur offenen Tür des Buick und riß eine der Maschinenpistolen vom Sitz. Dann trat sie mit schußbereiter Waffe ans Heck, blieb neben dem offenen Kofferraum stehen und sah dem herankommenden Wagen entgegen.

Das Auto war keine 200 Meter mehr entfernt und kam rasch näher. Sonnenlicht ließ die Chromteile blitzen und spiegelte sich in der Windschutzscheibe.

Laura spielte kurz mit dem Gedanken, die Insassen dieses Wagens könnten keine deutschen Agenten aus dem Jahre 1944, sondern harmlose Unbeteiligte sein. Diese Möglichkeit war jedoch so unwahrscheinlich, daß sie sich nicht von ihr behindern lassen durfte.

Das Schicksal bemüht sich, ursprünglich vorgesehene Entwicklungslinien durchzusetzen.

Nein. Verdammt noch mal, nein!

Als das weiße Auto auf etwa 70 Meter herangekommen war, jagte Laura ihm zwei kurze Feuerstöße aus der Uzi entgegen. Mehrere Kugeln durchschlugen die Windschutzscheibe, die sofort milchigweiß wurde.

Der Wagen - sie sah jetzt, daß es ein Toyota war - geriet ins Schleudern, drehte sich einmal um sich selbst, wobei er Wolken von Staub aufwirbelte, und entwurzelte einige grüne Tumbleweeds. Er drehte sich noch etwas weiter und kam rund 50 Meter von Laura entfernt so zum Stehen, daß er ihr seine Flanke zukehrte.

Die Türen auf der anderen Seite wurden aufgestoßen, und Laura wußte, daß die Insassen dort, wo sie nicht gesehen werden konnten, fluchtartig den Wagen verließen und dahinter in Deckung blieben. Sie eröffnete wieder das Feuer - nicht um vielleicht die Männer durch den Toyota hindurch zu treffen, sondern um den Benzintank zu durchlöchern. Wenn sie Glück hatte, erzeugte eine das Karosserieblech durchschlagende Kugel Funken, die das auslaufende Benzin in Brand setzten, so daß einer oder alle der hinter dem Auto in Deckung Liegenden von einem Feuerball erfaßt wurden. Aber sie schoß das Magazin der Uzi leer, ohne das Benzin in Brand setzen zu können, obwohl sie den Tank bestimmt getroffen hatte.

Laura ließ die Maschinenpistole fallen, riß die hintere Tür des Buicks auf und griff nach der zweiten Uzi mit vollem Magazin. Ohne den weißen Toyota länger als ein bis zwei Sekunden aus den Augen zu lassen, holte sie auch ihren geladenen Chiefs Spezial Kaliber 39 vom Vordersitz. Dabei wünschte sie sich, Stefan hätte die dritte Maschinenpistole doch dagelassen.

Aus seiner Deckung hinter dem 50 Schritt entfernten Toyota erwiderte jetzt einer der Männer das Feuer mit einer automatischen Waffe, womit alle Zweifel in bezug auf ihre Identität beseitigt waren. Während Laura hinter dem Buick kauerte, durchschlugen Kugeln den offenen Kofferraumdeckel, ließen die Heckscheibe zersplittern, durchlöcherten die hinteren Kotflügel, prallten als Querschläger von der Stoßstange ab, bohrten sich mit scharfem Knacken in den Schiefergrund und wirbelten kleine weiße Sandwolken auf.

Sie hörte einen Feuerstoß dicht über ihren Kopf hinweggehen

- ein tödliches, nicht einmal sehr lautes, aber sehr hohes Pfeifen -, setzte sich rückwärts kriechend den Buick entlang in Bewegung, blieb möglichst dicht neben dem Wagen und bemühte sich, ein möglichst kleines Ziel abzugeben. Sekunden später erreichte sie Chris, der vorn am Kühlergrill kauerte.

Der Schütze hinter dem Toyota stellte das Feuer ein.

»Mom?« fragte Chris ängstlich.

»Alles in Ordnung«, versicherte sie ihm und bemühte sich, selbst daran zu glauben. »Stefan kommt in weniger als fünf Minuten zurück, Schatz. Er hat eine weitere Uzi, und dann sind wir weniger unterlegen. Uns passiert nichts. Wir brauchen sie nur ein paar Minuten abzuwehren. Bloß ein paar Minuten.«

15

Kokoschkas Gürtel brachte Stefan augenblicklich ins Hauptlabor des Instituts zurück, wo er mit weit geöffnetem Vexxon-Behälter in dem Stahlzylinder erschien. Er hielt den Tragegriff und das Ventil so krampfhaft umklammert, daß seine Hand weh tat, und die Schmerzen begannen bereits den Arm hinauf bis zu seiner verletzten Schulter auszustrahlen.

Aus dem Halbdunkel des Zylinderinneren konnte er nur einen kleinen Teil des Labors überblicken. Er sah zwei Männer in dunklen Anzügen am anderen Ende des Zylinders stehen und hineinstarren. Sie schienen Gestapobeamte zu sein - diese Schweine sahen alle aus, als wären sie von derselben kleinen Gruppe perverser Fanatiker geklont worden -, und Stefan war erleichtert, weil er wußte, daß sie ihn weniger deutlich sahen als er sie; sie würden ihn zumindest im Augenblick für Kokoschka halten.

Er trat mit dem laut zischenden Vexxon-Behälter in der linken und seiner Pistole in der rechten Hand auf sie zu, und bevor die Männer im Labor merkten, daß irgend etwas nicht in Ordnung war, begann das Nervengas zu wirken. Sie brachen zusammen, und als Stefan aus dem erhöht postierten Stahlzylinder stieg, wanden sie sich bereits im Todeskampf. Sie hatten sich explosiv erbrechen müssen. Aus ihren Nasen rann Blut. Einer von ihnen lag auf der Seite, strampelte mit den Beinen und krallte nach seiner Kehle; der andere war fetal zusammengerollt und zerkratzte sich mit zu Klauen verkrümmten Fingern das Gesicht. Drei weitere Männer in Laborkitteln - Stefan kannte ihre Namen: Höppner, Eicke und Schmauser - waren in der Nähe des Programmierpults zusammengebrochen. Auch sie krallten wie tollwütig in ihre Hälse. Alle fünf versuchten zu schreien, aber ihre Kehlen waren augenblicklich zugeschwollen; sie brachten nur schwache, gräßlich mitleiderregende Laute ähnlich dem Wimmern gequälter kleiner Tiere heraus.

Stefan stand körperlich unversehrt, aber zutiefst entsetzt und erschrocken unter ihnen, bis sie nach einer Dreiviertelminute endlich tot waren.

Der Einsatz von Vexxon gegen diese Männer war ein Akt grausamer ausgleichender Gerechtigkeit, denn das Forschungsvorhaben, das im Jahre 1936 zur synthetischen Herstellung des ersten Nervengases - eines als Tabun bezeichneten organischen Phosphoresters - geführt hatte, war von den Nazis finanziert worden. Praktisch alle später entwickelten Kampfstoffe, auch Vexxon, deren tödliche Wirkung auf der Störung der Übertragung elektrischer Nervenimpulse beruhte, basierten auf dieser chemischen Verbindung. Diese Männer waren im Jahre 1944 von einer futuristischen Waffe getötet worden, die im Grunde genommen aus ihrer eigenen grausamen, unmenschlichen Gesellschaft hervorgegangen war.

Trotzdem empfand Stefan beim Anblick der fünf Leichen keine innere Befriedigung. Er war in seinem Leben Augenzeuge so vieler Tode geworden, daß selbst die Liquidierung Schuldiger zum Schütze Unschuldiger, selbst Morde im Dienste der Gerechtigkeit ihn anwiderten. Aber nun konnte er tun, was er zu tun hatte.