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Er legte seine Pistole auf einen der Arbeitstische. Dann ließ er die Uzi von seiner Schulter gleiten und legte sie daneben.

Aus einer Tasche seiner Jeans zog er ein Stück Draht, das er um das Ventil des Vexxon-Zylinders wickelte, um es offenzuhalten. Er trat in den Erdgeschoßflügel hinaus und stellte den Behälter mitten in diesen Korridor. Durch Treppenhäuser, Aufzugschächte und Lüftungsrohre würde das Gas sich in wenigen Minuten durch das ganze Gebäude ausbreiten.

Zu seiner Überraschung sah er, daß auf dem Korridor nur die Nachtbeleuchtung brannte und die übrigen Labors im Erdgeschoß menschenleer zu sein schienen. Während das Gas weiter ausströmte, trat er ans Programmierpult im Hauptlabor, um festzustellen, wann Kokoschkas Gürtel ihn zurückgebracht hatte. Es war 21.11 Uhr am 16. März 1944.

Ein ungewöhnlich glücklicher Zufall. Stefan hatte damit gerechnet, zu einem Zeitpunkt ins Institut zurückzukommen, an dem die meisten Wissenschaftler - von denen einige schon um 6 Uhr zur Arbeit kamen, andere oft bis 20 Uhr blieben - anwesend sein würden. Das hätte bedeutet, daß in dem dreistöckigen Gebäude bis zu 100 Menschen getötet worden wären, bei deren Auffindung man ohne jeden Zweifel gewußt hätte, daß nur Stefan Krieger, der mit Kokoschkas Gürtel aus der Zukunft zurückgekehrt war, für ihren Tod verantwortlich sein könnte, und nicht bloß zurückgekommen war, um möglichst viele Institutsangestellte zu ermorden, sondern etwas anderes im Schilde führte. Man hätte eine großangelegte Aktion gestartet, um seine Pläne aufzudecken und den angerichteten Schaden wiedergutzumachen. Wenn aber das Gebäude tatsächlich fast leer war, konnte er die wenigen Leichen vielleicht auf eine Art und Weise beseitigen, die seine Anwesenheit nicht verriet und allen Verdacht auf diese Toten lenkte.

Nach fünf Minuten war der Vexxon-Behälter leer. Das Gas hatte sich im gesamten Institut ausgebreitet - mit Ausnahme der Wachräume an den beiden Eingängen, in die nicht einmal Lüftungsschächte aus dem Hauptgebäude führten. Auf der Suche nach weitern Opfern ging Stefan von Raum zu Raum und von Stockwerk zu Stockwerk. Die einzigen weiteren Toten, die er entdeckte, waren die Versuchstiere im Keller - die ersten Zeitreisenden -, und ihr mitleiderregender Anblick berührte ihn ebenso oder noch mehr wie die Leichen der fünf Gastoten.

Stefan kehrte ins Hauptlabor zurück, holte aus einem weißlackierten Schrank fünf der Spezialgürtel und schnallte sie den Toten über der Kleidung um. Er programmierte die Zeitmaschine rasch darauf, die Leichen etwa sechs Milliardenjahre weit in die Zukunft zu befördern. Er hatte irgendwo gelesen, daß die Sonne in sechs Milliarden Jahren erloschen oder als Nova aufgeflammt sein würde, und wollte die Toten dorthin schicken, wo niemand sie fand oder gar ihre Gürtel benützte, um ins Institut zurückzukehren.

Der Umgang mit den Toten in dem nächtlich stillen Gebäude war eine unheimliche Sache. Stefan erstarrte mehrmals, weil ihm vorkam, er habe leise Geräusche gehört. Zwischendurch machte er sich sogar wiederholt auf die Suche nach der Ursache vermeintlicher Geräusche, ohne jedoch etwas zu finden. Einmal starrte er einen der Toten an, weil er davon überzeugt war, die Leiche habe sich aufzurichten begonnen, und das leise Scharren, das er vernahm, sei eine kalte Hand, die nach einem Maschinenteil tastete, um sich daran hochzuziehen.

Stefan hievte die Gastoten einzeln in den Stahlzylinder, schob sie vor sich her bis zum Übergangspunkt und stieß sie über die Grenze des Energiefelds. Die Leichen fielen durchs unsichtbare Tor der Zeit und verschwanden. Sie würden an einem unvorstellbar fernen Zeitpunkt auftauchen - auf einer vereisten, längst nicht mehr belebten Erde oder in jenem Vakuum des Weltalls, wo dieser Planet einst existiert hatte, bevor seine Sonne explodiert war.

Er achtete sorgfältig darauf, die durch den Übergangspunkt führende imaginäre Grenze nicht zu überschreiten. Wäre er plötzlich sechs Milliardenjahre weit ins Vakuum des Weltalls transportiert worden, wäre er tot gewesen, bevor er eine Chance gehabt hätte, auf den Knopf seines Gürtels zu drücken und ins Institut zurückzukehren.

Bis Stefan die fünf Leichen abtransportiert und sämtliche Spuren ihres gewaltsamen Todes beseitigt hatte, war er total erschöpft. Zum Glück hinterließ das Nervengas keine sichtbaren Spuren, so daß keine Notwendigkeit bestand, etwaige Reste zu beseitigen. Die verletzte Schulter schmerzte so stark wie in den Tagen unmittelbar nach seiner Verletzung.

Zumindest hatte er seine Spuren verwischt. Am nächsten Morgen würde es so aussehen, als wären Kokoschka, Höppner, Eicke, Schmauser und die beiden Gestapobeamten von der Niederlage des Dritten Reichs überzeugt, in eine Zukunft desertiert, von der sie sich Frieden und Wohlstand versprachen.

Dann fielen Stefan die verendeten Tiere im Keller des Instituts ein. Falls er sie in ihren Käfigen ließ, würden sie zur Feststellung der Todesursache untersucht werden - und die Ergebnisse konnten Zweifel an der Theorie wecken, Kokoschka und die anderen seien durchs Tor in die Zukunft desertiert. Der Hauptverdächtige wäre dann automatisch wieder Stefan Krieger gewesen. Am besten ließ er die Tiere ebenfalls verschwinden. Das würde den Ermittlern Rätsel aufgeben, aber nicht unmittelbar auf die Wahrheit hinweisen, wie es der Zustand der Tierkadaver getan hätte.

Der heiße, pochende Schmerz in seiner Schulter wurde heißer, während Stefan frischgewaschene Laborkittel als Leichentücher benützte, jeweils mehrere Tiere zusammenlegte und sie mit Stricken verschnürte. Dann schnallte er auch um diese Pakete Gürtel und schickte sie sechs Milliarden Jahre weit in die Zukunft. Zuletzt holte er den leeren Nervengasbehälter aus dem Korridor und schickte in ebenfalls hinterher.

Dann war er endlich soweit, daß er die beiden entscheidend wichtigen Reisen unternehmen konnte, die hoffentlich zur völligen Zerstörung des Instituts und der sicheren militärischen Niederlage des Dritten Reichs führen würden. Stefan trat ans Programmierpult und zog einen zusammengefalteten Zettel aus der Hüfttasche seiner Jeans; dieser Zettel enthielt die Ergebnisse der tagelangen Berechnungen, die Stefan und Laura in Palm Springs mit dem IBM-PC angestellt hatten.

Wäre er imstande gewesen, aus dem Jahre 1989 mit genügend Sprengstoff zurückzukehren, um das Institut in einen rauchenden Trümmerhaufen zu verwandeln, hätte er die Sache gleich hier und jetzt erledigt. Aber außer dem schweren Vex-xon-Zylinder, der Uzi und seiner Pistole hätte er jedoch höchstens 20 bis 25 Kilogramm Plastiksprengstoff mitnehmen können - bei weitem nicht genug für diesen Zweck. Seine im Keller und auf dem Dachboden des Instituts angebrachten Sprengladungen hatte Kokoschka vor einigen Tagen - nach hiesiger Zeit gerechnet - entschärft und ausgebaut. Stefan hätte mit ein paar Benzinkanistern aus dem Jahre 1989 zurückkommen und versuchen können, das Gebäude niederzubrennen; die wichtigsten Forschungsunterlagen wurden jedoch in feuerfesten Panzerschränken aufbewahrt, für die er keine Schlüssel hatte und die nur durch eine vernichtende Detonation aufgesprengt und in Brand gesetzt werden konnten.

Er konnte das Institut nicht mehr allein zerstören.

Aber er wußte, wer ihm dabei helfen konnte.

Stefan gab die mit Hilfe des Computers errechneten Zahlen ein und programmierte damit eine Zeitreise, die ihn vom Abend des 16. März 1944 dreieinhalb Tage weit in die Zukunft führen würde. Geographisch würde er auf britischem Boden in der Mitte des ausgedehnten Bunkersystems unter den Ministerien ankommen, die bei Storey’s Gate an den St. James’s Park angrenzten. Während der deutschen Luftangriffe auf London waren dort bombensichere Wohn- und Arbeitsräume für den Premierminister und seinen Stab errichtet worden, und der Lageraum befand sich noch immer dort. Genau gesagt: Stefan hoffte, um 7.30 Uhr in einem bestimmten Konferenzraum einzutreffen. Das war eine Zeitreise von solcher Präzision, daß sie ohne Benützung der im Jahre 1989 verfügbaren Computer zur Berechnung der Raum-Zeit-Koordination undenkbar gewesen wäre.