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»Wachen!« rief der Sergeant. Er selbst war unbewaffnet - aber er wußte offenbar, daß sein Ruf gehört werden und zu rascher Reaktion führen würde, denn er wiederholte ihn nur einmal und machte keine Anstalten, zur Tür zu laufen. »Wachen!«

»Bitte, Mr. Churchill«, sagte Stefan, ohne den Sergeanten zu beachten. »Ich bin nicht hier, um Ihnen etwas anzutun.«

Die Tür wurde aufgestoßen, und zwei britische Soldaten -einer mit einem Revolver, der andere mit einem Sturmgewehr bewaffnet - stürzten herein.

Stefan sprach hastig weiter, weil er fürchtete, erschossen zu werden. »Bitte, Sir, die Zukunft der Welt hängt davon ab, daß Sie mich ausreden lassen!«

Der Premierminister war während dieses Aufruhrs ruhig in seinem Lehnstuhl sitzengeblieben. Stefan glaubte, im Blick des großen Mannes Überraschung und vielleicht sogar etwas wie Angst aufblitzen gesehen zu haben, aber er hätte nicht darauf wetten wollen. Jetzt wirkte Churchill so nachdenklich und unversöhnlich wie auf allen Photos, die Stefan von ihm kannte. »Augenblick!« sagte er und hob eine Hand, um die Wachen zurückzuhalten. Als der Sergeant zu protestieren begann, stellte der Premierminister fest: »Hätte er mich umbringen wollen, hätte er’s gleich bei seiner Ankunft tun können.« Und zu Stefan sagte er: »Ein höchst wirkungsvoller Auftritt, Sir, eindrucksvoller als jeder, den wir im Old Vic von Olivier erlebt haben.«

Stefan mußte unwillkürlich grinsen. Er trat aus seiner Ecke, aber als er sich dem Tisch näherte, sah er die Wachen nervös werden, deshalb blieb er wieder stehen. »Sir, allein meine Ankunft muß Ihnen beweisen, daß ich kein gewöhnlicher Bote bin - und daß ich Ihnen ... Ungewöhnliches mitzuteilen habe. Darüber hinaus sind meine Informationen streng geheim und eigentlich nur für Sie bestimmt.«

»Wenn Sie glauben, daß wir Sie mit dem PM allein lassen«, sagte der Sergeant, »Sind Sie ... sind Sie verrückt!«

»Vielleicht ist er verrückt«, meinte Churchill, »aber er besitzt Flair. Das müssen Sie zugeben, Sergeant. Wenn die Wachen ihn durchsuchen und keine Waffen finden, bin ich bereit, mir anzuhören, was der Gentleman zu sagen hat.«

»Aber Sie kennen ihn doch gar nicht, Sir! Und Sie wissen nicht, was er ist. Wie er hier reingeplatzt ist ...«

Der Premierminister unterbrach ihn. »Ich weiß, wie er angekommen ist, Sergeant. Und denken Sie bitte daran, daß nur Sie und ich davon wissen. Ich erwarte, daß Sie in bezug auf Ihre Beobachtungen ebenso verschwiegen sind, als ob es um andere Geheiminformationen ginge.«

Der Sergeant trat resigniert beiseite und starrte Stefan aufgebracht an, während die Wachen eine Leibesvisitation vornahmen.

Sie fanden keine Waffen, nur die Bücher im Rucksack und verschiedene Papiere in Stefans Taschen. Nachdem sie die Papiere zurückgegeben hatten, stapelten sie die Bücher in der Tischmitte auf, und Stefan stellte belustigt fest, daß ihnen nicht aufgefallen war, welche Bücher sie in Händen gehabt hatten.

Der Sergeant nahm Stenoblock und Bleistift mit und ging widerstrebend mit den Wachen hinaus, wie Churchill befohlen hatte. Nachdem die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, bot der Premierminister Stefan mit einer knappen Handbewegung den freigewordenen Stuhl seines Sekretärs an. Sie saßen sich einen Augenblick schweigend gegenüber und musterten einander interessiert. Dann zeigte Churchill auf eine dampfende Kanne auf einem Tablett. »Tee?«

Zwanzig Minuten später, als Stefan erst etwa die Hälfte seiner stark gerafften Geschichte erzählt hatte, rief Churchill seinen Sekretär aus dem Korridor herein. »Wir haben noch einiges zu besprechen, Sergeant. Ich muß die Sitzung des Kriegskabinetts um eine Stunde verschieben, fürchte ich. Sorgen Sie dafür, daß alle benachrichtigt werden - mit der Bitte um Entschuldigung.«

Fünfundzwanzig Minuten danach war Stefan fertig.

Der Premierminister stellte ihm einige Zusatzfragen - erstaunlich wenige, aber durchdachte Fragen, die auf den Kern der Sache abzielten. »Für eine Zigarre ist’ s noch schrecklich früh, nehme ich an«, meinte er schließlich seufzend, »aber mir ist nach einer. Darf ich Ihnen auch eine anbieten?«

»Nein, danke, Sir.«

Während Churchill seine Zigarre rauchfertig machte, fragte er: »Welche Beweise haben Sie außer Ihrer spektakulären Ankunft - die eigentlich nur die Existenz einer revolutionären Fortbewegungsart beweist, die auf Zeitreisen basieren könnte -, um einen vernünftigen Menschen davon zu überzeugen, daß die Einzelheiten Ihrer Story war sind?«

Stefan hatte eine Testfrage dieser Art erwartet und war darauf vorbereitet. »Da ich in der Zukunft gewesen bin und Teile Ihrer Schilderung des Krieges gelesen habe, Sir, habe ich gewußt, daß Sie heute und zu diesem Zeitpunkt hier unten anzutreffen sein würden. Darüber hinaus habe ich gewußt, was Sie in der Stunde vor dem Zusammentreffen des Kriegskabinetts hier unten tun würden.«

Der Premierminister paffte seine Zigarre und zog die Augenbrauen hoch.

»Sie haben vorhin einen Funkspruch an General Alexander in Italien diktiert und Ihre Besorgnis über die Führung der Schlacht um die Stadt Cassino, die sich unter schweren Verlusten hinzieht, zum Ausdruck gebracht.«

Churchills Miene blieb undurchdringlich. Stefans Wissen mußte ihn verblüfft haben, aber er dachte nicht daran, ihn durch ein Nicken oder auch nur ein Zusammenkneifen der Augen zu ermutigen.

Stefan brauchte keine Ermutigung, denn er wußte, daß seine Behauptung stimmte. »Aus der Geschichte des Krieges, die Sie später schreiben werden, habe ich mir den Anfangssatz Ihres Funkspruchs an General Alexander gemerkt: >Ich wollte, Sie würden mir erklären, weshalb dieser Abschnitt beim Klosterberg Cassino et cetera - alles auf einer Frontlänge von zwei oder drei Meilen - der einzige Ort ist, gegen den Sie immer wieder anrennen müssen.««

Der Premierminister zog erneut an seiner Zigarre, blies einen Rauchring und betrachtete Stefan prüfend. Ihre Stühle waren kaum einen Meter voneinander entfernt, und Stefan fand Churchills nachdenkliche Begutachtung entnervender, als er sich vorgestellt hatte.

»Und das wissen Sie aus etwas, was ich in Zukunft schreiben werde?« fragte der Premierminister schließlich.

Stefan stand auf, griff nach den sechs dicken Bänden, die die Wachen aus seinem Rucksack geholt hatten - eine Taschenbuchausgabe der Houghton Mifflin Company zu 9,95 Dollar pro Band - und breitete sie vor Winston Churchill auf dem Tisch aus. »Dies ist Ihre sechsbändige Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Sir, die als Standardwerk über diesen Krieg Bestand haben und als großes historisches und literarisches Werk anerkannt sein wird.« Er wollte hinzufügen, daß Churchill den Literaturnobelpreis des Jahres 1953 hauptsächlich wegen dieses Werks erhalten würde, aber dann verzichtete er doch auf diese Enthüllung. Ein Leben ohne große Überraschungen wie diese würde weit weniger spannend sein.

Der Premierminister begutachtete die Einbände aller sechs Bücher und gestattete sich ein Lächeln, während er den dreizeiligen Auszug aus der im »Times Literary Supplement« erschienenen Besprechung las. Dann blätterte er einen Band flüchtig durch, ohne sich jedoch die Zeit zu nehmen, darin zu lesen.

»Das sind keine raffinierten Fälschungen«, versicherte Stefan ihm. »Sie brauchen nur irgendeine Seite aufzuschlagen, um Ihren einzigartigen, unverwechselbaren Stil zu erkennen. Sie werden ...«