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»Ich brauche sie nicht zu lesen. Ich glaube Ihnen, Stefan Krieger.« Er schob die Bücher weg und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. »Und ich glaube zu wissen, was Sie von mir wollen. Ich soll einen Luftangriff auf Berlin befehlen, dessen einziges Ziel der Stadtbezirk ist, in dem Ihr Institut liegt.«

»Genau, Sir! Es muß zerstört werden, bevor die dort arbeitenden Wissenschaftler die aus der Zukunft zurückgebrachten Informationen über Nuklearwaffen ausgewertet und sich auf ein Verfahren geeinigt haben, sie deutschen Atomforschern zugänglich zu machen - was in allernächster Zeit passieren könnte. Sir, Sie müssen handeln, bevor sie etwas aus der Zukunft holen, das den Krieg zu ihren Gunsten entscheiden könnte. Ich zeichne Ihnen die genaue Lage des Instituts auf. Schließlich haben amerikanische und britische Bomber seit Jahresbeginn Tag- und Nachtangriffe auf Berlin geflogen .«

»Im Unterhaus hat’s lautstarke Proteste gegen die Bombardierung von Städten gegeben«, stellte Churchill fest.

»Ja, aber Angriffe auf Berlin sind trotzdem möglich. Wegen des eng begrenzten Zielraums kommt natürlich nur ein Angriff bei Tag in Frage. Aber wenn es gelingt, diesen Straßenblock in Trümmer zu legen .«

»Wir müssen mehrere Blocks im Umkreis des Ziels vernichten«, sagte der Premierminister. »Unsere Treffsicherheit ist nicht so hoch, daß wir gewissermaßen nur einen Block herausoperieren könnten.«

»Ja, ich verstehe. Aber Sie müssen diesen Angriff befehlen, Sir! Auf den Bezirk mit dem Institut müssen in den kommenden Tagen mehr Bomben fallen, als auf jedes andere Ziel auf dem europäischen Kriegsschauplatz fallen werden. Vom Institut darf kein Stein auf dem anderen bleiben!«

Churchill schwieg ein, zwei Minuten lang, beobachtete den aus seiner Zigarre aufsteigenden dünnen blauen Rauchfaden und dachte nach. »Darüber muß ich natürlich mit meinen Beratern sprechen«, sagte er schließlich, »aber ich glaube, daß wir mindestens zwei Tage für die Angriffsvorbereitungen brauchen. Also nicht vor dem Zweiundzwanzigsten, vielleicht sogar erst am Dreiundzwanzigsten.«

»Das müßte reichen, glaube ich«, bestätigte Stefan aufatmend. »Aber nicht später! Um Himmels willen, Sir, nicht später!«

18

Während die Frau am linken vorderen Kotflügel des Buick kauerte und die Wüste nördlich ihrer Position absuchte, beobachtete Klietmann sie aus seinem Versteck hinter mit Tum-bleweeds verfilzten Mesquitebüschen. Sie sah ihn nicht. Sobald sie zum anderen Kotflügel hinüberkroch, sprang er auf und hastete tiefgeduckt zu der nächsten Deckung: einem vom Wind bizarr verformten Felsfinger, der schmäler war als sein Körper.

Der Obersturmführer verfluchte lautlos seine Bally-Slipper, deren Ledersohlen für diesen Einsatz viel zu glatt waren. Daß man die Angehörigen eines Mordkommandos wie Jungmanager - oder Baptistengeistliche - ausstaffiert hatte, erschien ihm jetzt närrisch. Wenigstens taugte die Ray-Ban-Sonnenbrille etwas. Das Sonnenlicht wurde von jedem Stein, von jeder schrägen Sandfläche gleißend hell zurückgeworfen; ohne die Sonnenbrille hätte er den Wüstenboden nicht so deutlich gesehen und wäre bestimmt mehr als einmal gestolpert und hingeknallt.

Als Klietmann sich eben wieder hinwerfen wollte, hörte er die Frau in die entgegengesetzte Richtung schießen. Das bewies, daß sie abgelenkt war - folglich rannte er weiter. Im nächsten Augenblick hörte er gellende Schreie, die kaum noch etwas Menschenähnliches an sich hatten: Es klang wie die Schreie eines Tieres, das bei lebendem Leib von einem Raubtier zerfleischt wurde.

Er warf sich erschrocken in eine lange schmale Felsmulde, in der ihn die Frau nicht sehen konnte, robbte bis ans Ende des felsigen Trogs und blieb dort schweratmend liegen. Als er langsam den Kopf hob, um über den Felsrand hinwegsehen zu können, stellte er fest, daß er sich etwa 15 Meter nördlich der hinteren Tür des Buicks befand. Gelang es ihm, noch ein paar Meter nach Osten zu voranzukommen, befand er sich genau hinter der Frau - in idealer Position, um sie zu erledigen.

Die Schreie wurden leiser, verstummten.

Da Laura vermutete, der vordere Mann südlich von ihr werde zunächst in Deckung bleiben, weil das Sterben seines Partners ein Schock für ihn sein mußte, kroch sie erneut zum anderen Kotflügel hinüber. »Zwei Minuten, Baby«, sagte sie, als sie an Chris vorbeikam. »Höchstens noch zwei Minuten.«

An die Kotflügelkante gepreßt im Sand kauernd beobachtete sie ihre Nordflanke. Die Wüste dort draußen schien nach wie vor unbelebt zu sein. Der leichte Wind hatte sich gelegt, so daß selbst die Tumbleweeds stillagen.

Wären die Angreifer nur zu dritt gewesen, hätten sie bestimmt keinen Mann beim Toyota zurückgelassen und zu zweit versucht, sie in gleicher Richtung zu umgehen. Wären sie nur zu dritt gewesen, hätten die zwei im Süden sich getrennt, damit einer von ihnen sie im Norden umgehen konnte. Das bedeutete, daß irgendwo zwischen Schiefer und Sand und Wüstenvegetation nordwestlich des Buick ein vierter Mann - vielleicht sogar ein fünfter - lauerte.

Aber wo?

19

Als Stefan dem Premierminister gedankt hatte und sich erhob, deutete Churchill auf die Bücher auf dem Tisch. »Vergessen Sie die lieber nicht«, sagte er. »Wenn Sie sie zurückließen -welche Versuchung, von mir selbst abzuschreiben!«

Churchill legte seine Zigarre in den Aschenbecher und stand ebenfalls auf. »Besäße ich diese Bücher jetzt, wie sie später erscheinen werden, wäre ich nicht damit zufrieden, sie ohne Überarbeitung erscheinen zu lassen. Ich würde bestimmt Dinge finden, die verbessert werden müßten, und die Jahre unmittelbar nach dem Krieg damit verbringen, endlos daran herumzupfuschen - nur um nach Fertigstellung und Erscheinen feststellen zu müssen, daß ich genau das rausgenommen oder geändert habe, was das Werk in der Zukunft zum Klassiker gemacht hat.«

Stefan lachte.

»Das ist mein Ernst«, versicherte Churchill ihm. »Sie haben mir erzählt, daß meine Geschichte das Standardwerk sein wird. Dieses Wissen genügt mir. Ich werde sie sozusagen schreiben, wie ich sie geschrieben habe, und nicht versuchen, mich selbst zu kommentieren.«

»Das ist vielleicht besser«, bestätigte Stefan.

Während Stefan die sechs Bücher in seinem Rucksack verstaute, stand Churchill mit auf den Rücken gelegten Händen neben ihm und wippte leicht auf den Zehenspitzen. »Es gibt so vieles, was ich Sie über die Zukunft fragen möchte, die ich jetzt mitgestalten helfe. Dinge, die mich mehr interessieren als die Frage, ob ich erfolgreiche Bücher schreiben werde.«

»Ich muß wirklich fort, Sir, aber ...«

»Ja, ich weiß«, sagte der Premierminister. »Ich will Sie nicht länger aufhalten. Aber eine Frage könnten Sie mir wenigstens noch beantworten ... Hmm, lassen Sie mich nachdenken. Gut, wie geht’s nach dem Krieg beispielsweise mit den Russen weiter?«

Stefan zögerte und zog erst den Reißverschluß seines Rucksacks zu, um Zeit zu gewinnen. »Tut mir leid, Sir, aber ich muß Ihnen mitteilen, daß die Sowjetunion weit mächtiger als Großbritannien und fast so mächtig wie die Vereinigten Staaten sein wird.«

Churchill wirkte erstmals überrascht. »Ihr verabscheuungswürdiges System wird tatsächlich zu wirtschaftlichem Erfolg, zu Wohlstand führen?«

»Nein, nein. Ihr System führt zu wirtschaftlichem Ruin -aber auch zu gewaltiger Militärmacht. Die Sowjets werden ihren gesamten Herrschaftsbereich rücksichtslos militarisieren und alle Andersdenkenden ausschalten. Nach Aussagen Sachkundiger machen ihre Konzentrationslager denen des Dritten Reiches Konkurrenz.«

Obwohl die Miene des Premierministers undurchdringlich blieb, konnte er die Besorgnis in seinem Blick nicht verbergen. »Aber sie sind doch jetzt unsere Verbündeten ...«

»Ganz recht, Sir. Und ohne sie würde der Krieg gegen das Dritte Reich vielleicht nicht gewonnen werden.«