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»Ist er krank?«

»Er hat sehr starkes Fieber, Herr.«

»Ihr habt mich mit Graf anzureden, dummer Kerl!«

»Entschuldigt, Herr Graf! Ich hatte noch nicht die Ehre, Euch kennenzulernen.«

»Geh zum Teufel ...! Wo ist mein Neffe? Wo ist der Advokat?«

»Im Bett, Herr Graf.«

»Führe mich sofort zu ihm!«

Carmaux ging ihm langsam voran. Sobald er aber den Treppenabsatz erreicht hatte, drehte er sich um und gab dem Neger ein Zeichen. Dieser wollte sich eben auf den Kastilianer werfen, der aber entwand sich ihm mit fabelhafter Geschicklichkeit, war mit einem Satz über die drei ersten Stufen gesprungen, hatte Carmaux heftig beiseite gestoßen und seinen Säbel aus der Scheide gezogen.

»Zum Teufel! Was bedeutet dieser Angriff? Ich werde dir die Ohren abhauen!«

»Das werde ich Euch erklären«, ertönte plötzlich eine Stimme von oben.

Es war der Schwarze Korsar, der, mit dem Degen in der Faust, auf der obersten Stufe der Treppe erschien. Der Kastilianer hatte sich umgedreht, ohne dabei Carmaux und den Neger aus den Augen zu verlieren. Beide hatten sich nach der Tür zurückgezogen. Ersterer war mit der Navaja bewaffnet und der Schwarze mit einer hölzernen Querstange, die in seiner Hand eine furchtbare Waffe sein konnte.

»Wer seid Ihr, Herr?« fragte der Kastilianer ohne die geringste Furcht. »Eurer Kleidung nach könntet Ihr ein Hochgestellter sein, aber das Kleid macht nicht immer den Mann.«

»Ihr seid mutig, Herr, das muß man sagen. Ich rate Euch aber, das Schwert niederzulegen und Euch zu ergeben!«

»Wem? Einem Dieb, der im schnöden Hinterhalt die Leute umbringt?«

»Nein, dem Cavaliere Emilio di Roccabruna!« war die stolze Antwort.

»Ah, Ihr seid ein Edelmann! Dann möchte ich aber wissen, warum der Herr von Ventimiglia mich von seinen Dienern ermorden lassen will!«

»Das ist nur eine Vermutung von Euch. Niemand denkt daran, Euch zu töten. Man will Euch nur entwaffnen und für einige Tage zum Gefangenen machen, nichts weiter.«

»Und aus welchem Grunde?«

»Um zu verhindern, daß Ihr die Behörden von Maracaibo benachrichtigt, daß ich mich hier befinde!«

»Da haben die Behörden wohl mit dem Herrn von Ventimiglia ein Hühnchen zu rupfen?«

»Der Gouverneur liebt mich nicht. Er würde vor Freude außer sich sein, wenn er mich in seine Hand bekäme – wie ich glücklich wäre, wenn ich ihn hätte.«

»Ich verstehe Euch nicht, Herr!«

»Das tut auch nichts. Also – wollt Ihr Euch ergeben?«

»Oh, wo denkt Ihr hin? Ein Bewaffneter weicht nicht ohne Verteidigung.«

»Dann zwingt mich nicht, Euch zu ...«

»Aber wer seid Ihr denn eigentlich?«

»Ihr müßt es doch schon erraten haben! Wir sind Flibustier von der Tortuga. Verteidigt Euch, Herr, denn jetzt werde ich Euch überwinden!«

»Da glaube ich schon, drei Gegner gegen einen.«

»Wenn der Kapitän befiehlt, mischen sich die beiden andern nicht ein«, sagte der Korsar, der dem Neger und dem Seemann einen Wink gab.

»In diesem Falle hoffe ich, Euch bald außer Kampf zu setzen! Ihr kennt noch nicht den Arm des Grafen Lerma!«

»Wie Ihr noch nicht den des Herrn von Ventimiglia kennt! Auf, Graf, verteidigt Euch!«

»Ein Wort erlaubt mir doch. Was habt Ihr mit meinem Neffen und seinem Diener gemacht?«

»Sie befinden sich beim Notar als Gefangene. Beunruhigt Euch nicht! Morgen werden sie frei sein, und Euer Neffe wird die Hochzeit feiern können.«

»Danke, Cavaliere!«

Der Schwarze Korsar verneigte sich leicht. Dann stieg er rasch die Stufen hinab und reizte den Kastilianer so ungestüm, daß dieser einige Schritte zurückweichen mußte.

Man hörte in dem engen Flur nur das Klirren der Waffen.

Carmaux und der Afrikaner, die sich mit gekreuzten Armen gegen die Tür gelehnt hatten, verfolgten schweigend das Duell.

Graf Lerma focht glänzend. Er parierte mit kaltem Blute und gab ganz gerade Degenstöße ab. Doch bald mußte er sich überzeugen, daß er einen der gefährlichsten Gegner vor sich hatte, einen Mann, der Muskeln von Stahl besaß.

Nach den ersten Schlägen war der Kapitän ganz ruhig geworden. Er griff nur selten an und beschränkte sich auf die Verteidigung, als ob er den Gegner zuerst müde machen und sein Spiel kennenlernen wollte. Er stand aufrecht mit blitzenden Augen, die linke Hand horizontal erhoben.

Vergeblich hatte der Kastilianer mit einem Sturm von Stößen versucht, ihn gegen die Treppe zu drängen, in der Hoffnung, daß er hinfallen würde. Aber Ventimiglia hatte nicht einen einzigen Schritt rückwärts gemacht; er war unbeweglich fest geblieben, während er die Hiebe mit bewundernswürdiger Raschheit niederschlug.

Plötzlich stürzte er vor. Die Klinge des Gegners abschlagen und ihn zu Boden strecken war das Werk eines Augenblicks. Als der Graf sich wehrlos fand, erblaßte er. Die blitzende Degenspitze des Korsaren blieb einen Moment gezückt, sie bedrohte seine Brust, dann aber wurde sie sofort wieder erhoben.

»Ihr seid wahrhaftig tapfer!« sagte der Kapitän, seinen Gegner grüßend. »Ihr wolltet Eure Waffe nicht übergeben! Jetzt nehme ich sie mir, aber ich lasse Euch am Leben!«

Der Kastilianer war sprachlos. Auf seinen Zügen malte sich tiefstes Erstaunen. Rasch trat er einige Schritte vor und reichte dem Korsaren die Hand.

»Meine Landsleute behaupten, daß die Flibustier Menschen ohne Glauben, ohne Gesetz seien, daß sie nur Räuber wären! Ich muß sagen, daß es unter ihnen auch Helden gibt, die in Ritterlichkeit und Großmut den vollendetsten Edelleuten Europas gleichkommen. Ich danke Euch, Cavaliere!«

Der Korsar drückte die dargebotene Hand, nahm das zur Erde gefallene Schwert des Gegners auf und reichte es ihm mit den Worten: »Behaltet Eure Waffe! Mir genügt Euer Versprechen, sie bis morgen nicht gegen uns zu gebrauchen.«

»Ich verspreche es Euch bei meiner Ehre!«

»Dann laßt Euch ohne Widerstand binden! Es tut mir leid, aber ich bin gezwungen dazu.«

»Macht, was Ihr wollt!«

Auf einen Wink band ihm Carmaux die Hände und übergab ihn dem Neger, der den Grafen in das oben gelegene Zimmer zu den andern Gefangenen führte.

»Ob nun die Besuche aufhören werden?« fragte Carmaux.

»Ich fürchte, nein«, antwortete der Kapitän. »Wenn die Verwandten Verdacht geschöpft haben, werden sich die Behörden von Maracaibo einmischen. Das beste wird sein, wir verbarrikadieren die Türen und bereiten uns auf eine Verteidigung vor. Hast du Feuerwaffen im Hause gefunden?«

»Nur eine Büchse nebst Munition, außerdem eine alte, verrostete Hellebarde und einen Küraß!«

»Die Büchse kann uns von Nutzen sein!«

»Aber wie können wir Widerstand leisten, wenn die Soldaten das Haus angreifen?«

»Das wird sich finden. Lebend soll mich van Gould nicht bekommen! Jetzt laßt uns an die Verteidigung denken und dann, wenn es noch Zeit ist, an die Mahlzeit!«

Der Neger kam zurück. Er und Carmaux machten sich nun ans Werk, mit den schwersten und größten Möbeln des Hauses die Tür zu verrammeln. Nicht ohne Protest des Advokaten wurden Schränke, Truhen und massive Tische in den Vorflur getragen. Eine zweite Barriere wurde vor der Treppe errichtet. »Kommandant, Kommandant!« rief Stiller plötzlich, ganz außer Atem. »Vor dem Hause sind eine Menge Leute versammelt!«

Der Korsar trat, ohne eine Miene zu verziehen, ans Fenster und blickte hinter den Vorhängen auf die Gasse.

»Das fürchtete ich schon«, sagte er. »Gut, wenn ich in Maracaibo sterben soll, so wird es in meinem Schicksalsbuch geschrieben stehen! Aber vielleicht ist das Glück den Flibustiern der Tortuga doch noch hold, damit meine armen Brüder nicht ungerächt bleiben!«

Er rief Carmaux heran und fragte nach der Menge der gefundenen Munition.

»Ein kleines Pulverfaß! Etwa acht bis zehn Pfund werden es sein.«

»Schaff es in den Flur hinter die Haustür und zünde später die Lunte an!«