Выбрать главу

»Jetzt erzähle!« befahl er kurz. »Sie haben ihn getötet, meinen Bruder, den ihr den Roten Korsaren nanntet, nicht wahr?«

»Es ist so«, bestätigte Carmaux. »Sie haben ihn umgebracht, wie früher seinen anderen Bruder, den Grünen Korsaren.«

Ein heiserer, fast wilder Ton kam von den Lippen des Kommandanten.

Er führte die Hand zum Herzen und ließ sich in einen Stuhl fallen, indem er mit der Rechten die Augen bedeckte und laut aufschluchzte.

Dann aber sprang er auf, als ob er sich der Schwäche schämte. Die Erregung, die ihn für einen Moment ergriffen, war überwunden. Die Züge des marmornen Gesichts waren ruhiger, die Stirn freier geworden, aber in den Augen flammte es drohend.

Nachdem er mehrmals in der Kabine auf und ab gegangen, setzte er sich wieder und sagte: »Ich fürchtete schon, daß ich zu spät käme ... Sprich, haben sie ihn erschossen?«

»Nein, gehenkt!«

»Bist du dessen sicher?«

»Ich habe ihn mit meinen eigenen Augen am Galgen gesehen.«

»Wann war das?«

»Noch heute nachmittag. Aber mutig ist er gestorben, Herr.«

»Rede!«

»Als der Strick ihn umschnürte, hatte er noch die Kraft, dem Gouverneur ins Gesicht zu spucken.«

»Dem Hunde?«

»Ja, dem flämischen Herzog van Gould.«

»Erst hat er einen meiner Brüder durch Verrat getötet und dann den zweiten gehenkt!« Der Kapitän knirschte mit den Zähnen. »Ich aber werde nicht eher ruhen, bis ich ihn und seine ganze Familie vernichtet habe!«

»Ja, es waren zwei der kühnsten Golfkorsaren!«

»Und die Stadt Maracaibo soll meine Rache spüren!« fuhr der Kommandant tonlos fort. »Ich lasse keinen Stein mehr dort, wo sie gestanden. Alle Flibustier der Tortuga und alle von San Domingo und Cuba sollen helfen ...! Erzähle weiter! Wie haben sie euch gefangengenommen?«

»Wir sind nicht mit Waffengewalt besiegt, sondern überrascht und verhaftet worden, weil wir wehrlos waren. Wie Ihr wißt, hatte sich Euer Bruder nach Maracaibo begeben, um Vergeltung zu üben für den Tod des Grünen Korsaren. Wir waren achtzig Mann, alle mutig und zu jedem Wagnis entschlossen. Aber wir hatten das schlechte Wetter nicht in Betracht gezogen. In der Mündung des Golfs brach ein furchtbarer Sturm los, jagte uns wie rasend von Klippe zu Klippe, bis unser Schiff jämmerlich zerschellte. Nur sechsundzwanzig von unseren Leuten gelang es, unter unendlichen Anstrengungen die Küste zu erreichen. Wir hatten keine Waffen mehr und waren auch körperlich in so übler Verfassung, daß wir nicht den geringsten Widerstand leisten konnten. Der Kapitän führte uns durch die Sümpfe am Strande, uns immer Mut zusprechend. Schon glaubten wir, einen Unterschlupf gefunden zu haben, fielen aber statt dessen in einen Hinterhalt. Leider waren wir auf dem gescheiterten Wrack von den Spaniern entdeckt worden. Dreihundert Soldaten, van Gould an der Spitze, umzingelten uns, griffen uns an und töteten alle, die sich widersetzten. Die andern wurden als Gefangene nach Maracaibo geschleppt.«

»Und mein Bruder war unter diesen?«

»Ja, Kommandant! Er hat sich mit dem einzigen Dolch, der ihm bei dem Schiffbruch geblieben, verteidigt wie ein Löwe, da er den Tod im Kampfe dem Galgen vorzog, aber der Flame hatte ihn erkannt! Als wir unter den Mißhandlungen der Soldaten und Beschimpfungen des Volks in Maracaibo ankamen, wurden wir zum Galgen verurteilt. Mein Freund Stiller und ich schienen mehr Glück zu haben als die andern Gefährten. Gestern morgen war es uns beiden in der Haft gelungen, unsern Wächter zu überwältigen und zu entfliehen. Von dem Dach einer Negerhütte, in der wir auf der Flucht Unterkunft gefunden hatten, haben wir das grausige Schauspiel der Hinrichtung eures Bruders und der andern Flibustier mit angesehen. Dann erhielten wir am Abend durch Hilfe des Negers ein Boot, mit dem wir über den Golf von Mexiko nach der Tortuga gelangen wollten. Das ist alles, Kommandant.«

»Wird mein Bruder noch heute am Galgen hängen?« fragte der Kapitän mit dumpfer Stimme.

»Drei Tage lang soll er da bleiben.«

»Und dann wird man ihn in eine Grube werfen?«

»Sicher.«

Nach einer Pause wandte sich der Korsar in verändertem Tone an Carmaux: »Hast du Angst?«

»Selbst nicht vor dem Teufel.«

»Du fürchtest auch nicht den Tod?«

»Nein, Kommandant!«

»Wirst du mir folgen?«

»Wohin?«

»Nach Maracaibo!«

»Wann?«

»Diese Nacht!«

»Sollen wir die Stadt angreifen?«

»Nein, dazu sind wir vorläufig nicht stark genug. Aber später wird Morgan zu diesem Zweck meine Befehle erhalten. Wir beide und dein Kamerad gehen vorerst allein.«

»Was gedenkt Ihr zu tun?«

»Die Leiche meines Bruders holen.«

»Seid auf der Hut, Kapitän! Ihr könntet dabei verhaftet werden!«

»Du kennst den Schwarzen Korsaren nicht.«

»Tod und Teufel! Er ist ja der kühnste Flibustier der Tortuga!«

»Geh jetzt und erwarte mich an der Schiffsbrücke! Ich lasse eine Schaluppe zurechtmachen.«

»Das ist nicht nötig, wir haben ja unser Boot. Das läuft wie der Wind.«

--

Ein verwegenes Unternehmen

Carmaux gehorchte sofort, da er wußte, daß mit dem Schwarzen Korsaren nicht zu spaßen war.

Stiller harrte seiner vor der Kajütenluke. Er stand mit dem Obermaat und einigen Flibustiern zusammen, die ihn über das unglückliche Ende des Roten Korsaren und seines Gefolges befragten. Sie entwickelten ihre Rachepläne gegen die Spanier von Maracaibo und besonders gegen den Gouverneur. Als der Hamburger hörte, daß das Boot zur Küste zurückkehren sollte, der man mit Mühe und Not entronnen war, murmelte er: »Dabei werden wir unsere Haut lassen müssen, Carmaux.«

»Bah, wir gehen ja diesmal nicht allein, der Schwarze Korsar fährt mit.«

»Dann hab' ich keine Sorge! Der Satansbruder kommt hundert Flibustiern gleich!«

Hierauf wandte sich Carmaux an den Obermaat: »He, Freundchen, laß drei Gewehre, Munition, ein paar Säbel und etwas Lebensmittel ins Boot legen! Man weiß nie, was einem zustößt und wann wir zurückkehren können.«

»Es ist schon geschehen«, antwortete der Angeredete. »Auch der Tabak ist nicht vergessen worden.«

»Danke, du bist wirklich ein Prachtkerl!«

Jetzt trat der Korsar hinzu. Er hatte noch sein Trauergewand an, hatte sich aber einen langen Säbel umgeschnallt und in den Gürtel ein paar Pistolen gesteckt, dazu einen jener langen, scharfen, »Misericordia« genannten Dolche. Über dem Arm trug er einen weiten schwarzen Mantel.

Er näherte sich dem Vizekapitän Morgan auf der Kommandobrücke und wechselte einige Worte mit ihm. Dann sagte er kurz zu den beiden Flibustiern: »Los!«

Alle drei stiegen ins Kanu. Der Korsar wickelte sich in seinen Mantel und setzte sich an den Bug, während die Bootsleute wieder angestrengt zu rudern begannen.

Das große Schiff, die »Fólgore« Fólgore: Blitz, hatte sofort die Laterne gelöscht und war, die Segel nach dem Winde richtend, dem Boote gefolgt, indem es immer lavierte, um ihm nicht voranzulaufen.

Wahrscheinlich wollte der Vizekapitän seinen Befehlshaber bis zur Küste begleiten, um ihn bei Gefahr schützen zu können.

Der Kommandant hatte sich halb ausgestreckt und den Kopf auf die Hand gestützt. So verharrte er schweigend, aber seine Blicke, scharf wie die eines Adlers, schweiften unablässig an dem noch finstern Horizont entlang. Noch konnte er die amerikanische Küste nicht erspähen. Von Zeit zu Zeit wandte er sich nach seinem Schiffe um, das ihm in einer Entfernung von sieben bis acht Ankertauen folgte.

Stiller und Carmaux ruderten indessen das leichte, flinke Kanu über die Fluten, daß es nur so flog. Beide schienen jetzt ohne Sorge über die Rückkehr nach dem feindlichen Ufer zu sein, so groß war ihr Vertrauen zu der Kühnheit und Tapferkeit des Schwarzen Korsaren, dessen Name allein schon genügte, um alle Küstenstädte des mexikanischen Golfs in Schrecken zu setzen.