Выбрать главу

Obwohl viel kleiner, ließ sich das Korsarenfahrzeug durch den Kugelregen nicht einschüchtern. Es beschleunigte den Kurs, antwortete mit seinen Verfolgungskanonen und wartete wohl nur den günstigen Augenblick ab, um auch die zwölf andern Geschütze zu entladen.

Die Kugeln fielen dicht auf sein Deck, schlugen in die Wände, drangen ins Innere und in die Batterien ein, hinderten das Manövrieren und lichteten die Reihen der Flibustier am Bug. Das Piratenschiff wich jedoch keinen Schrittbreit, sondern ging mit derselben Kühnheit vor. Die Schützen bedienten sich nun der beiden Kanonen auf der Schanze und beschossen das Oberdeck des feindlichen Schiffes.

Dieses Feuer mußte den Spaniern bald verhängnisvoll werden, denn die Piraten verfehlten niemals ihr Ziel. Zu diesem Zweck waren sie durch eine gute Schule gegangen. Waren manche dieser karibischen Seeräuber doch früher »Bukanier«, Büffeljäger, gewesen und deshalb im zielsicheren Schuß geübt!

Die Kugeln der großen Arkebusen richteten größeren Schaden an als das Kanonenfeuer. Zu Dutzenden fielen die Leute am Bord des Linienschiffes, ebenso die Artilleristen auf der Schanze und die Offiziere auf der Kommandobrücke. Nach zehn Minuten war kaum einer mehr am Leben. Auch der Kommandant war inmitten seiner Leutnants gefallen, noch ehe die beiden Schiffe angelegt hatten. Es blieben jedoch noch die Männer aus den Batterien, die weit zahlreicher als die Deckmatrosen waren. Der Sieg schien also noch immer nicht entschieden.

Auf zwanzig Meter Entfernung voneinander wendeten die beiden Schiffe. Da übertönte die Stimme des Korsaren den Donner der Geschütze: »Verwickelt das Großtau und den Mastkorb, laßt das Focksegel gegenbrassen, zieht das Girksegel an!«

Nach einem heftigen Ruck des Steuers veränderte die »Fólgore« plötzlich ihre Stellung und brachte ihren Bugspriet zwischen die Hintermasttaue des Linienschiffs.

Der Korsar war mit dem Degen in der rechten und der Pistole in der linken Hand von der Schanze gesprungen.

»Alle Mann!« rief er. »Entert das Schiff!«

--

Die flämische Herzogin

Als die Flibustier sahen, daß ihr Kommandant mit Morgan schnell zum Entern des Schiffes, das nun nicht mehr entfliehen konnte, übergegangen war, folgten sie ihm. Sie hatten die Gewehre, die in einem Kampf Mann gegen Mann nichts taugten, beiseite geworfen und zu Säbeln und Pistolen gegriffen. Wie ein reißender Strom stürmten sie vorwärts und schrien aus vollem Halse, um größeren Schrecken um sich zu verbreiten.

Die Enterhaken zum Heranziehen der beiden Schiffe waren rasch hinübergeworfen worden, und schon waren die ersten Flibustier auf dem Mast des Bugspriets. Sie hatten sich voller Ungeduld auf die Tauumgürtungen gestürzt und hielten sich an den Seitenwänden fest. So glitten sie auf das Oberdeck des Schiffs hinüber.

Aber dort fanden sie unerwarteten Widerstand. Aus den Luken stürmten wutentbrannt die Soldaten der Batterie, mit den Waffen in der Hand. Es waren mindestens hundert unter der Führung von Offizieren und Geschützmeistern. Blitzschnell verteilten sie sich auf Deck, stiegen auf die Vorderschanze und fielen über die zuerst angekommenen Piraten her, während andere die beiden Deckkanonen entluden und das Piratenschiff mit einem Geschützhagel bedeckten.

Der Schwarze Korsar zögerte nun nicht mehr. Die beiden Schiffe befanden sich jetzt Bord an Bord, da die Entertaue fest angezogen waren. Mit einem Satz übersprang er die Brüstung und stand auf dem Oberdeck.

»Mir nach, Flibustier!« schrie er.

Morgan folgte ihm, hinter ihm die Flibustier, während die Mastwächter auf den Körben und Rahen Granaten auf die Spanier schleuderten und ein Höllenfeuer mit Gewehren und Pistolen eröffneten.

Der Kampf wurde immer heftiger.

Dreimal führte der Schwarze Korsar seine Leute zum Angriff auf die Schanze, wo etwa siebzig Spanier bei den Kanonen standen, und dreimal wurde er zurückgeschlagen. Auch Morgan gelang es nicht, zur Back vorzudringen.

Auf beiden Seiten wurde mit gleicher Wut gekämpft. Die Spanier, die schon durch das Büchsenfeuer verheerende Verluste erlitten hatten und in der Minderzahl waren, leisteten heldenhafte Gegenwehr. Entschlossen, sich eher töten zu lassen, als sich zu ergeben, wichen sie nicht, obwohl die von den Mastwächtern des Korsarenschiffes geschleuderten Handgranaten ihre Reihen lichteten. Tote und Verwundete lagen zu Haufen an Bord. Aber noch wehte die große Standarte Spaniens auf der Spitze des Hauptmastes mit ihrem in den ersten Sonnenstrahlen erglänzenden Kreuz. Die durch den hartnäckigen Widerstand wild gewordenen Korsaren stürmten nun unter Führung ihrer beiden Kapitäne zum letzten Angriff auf das Kastell. Sie kletterten über die Taue, um sich von den Pardunen des Hintermastes oder von den Haupttauen des Hecks hinunterzulassen, sie liefen über die Brüstungen und fielen von allen Seiten auf die letzten Verteidiger des Schiffs her.

Der Schwarze Korsar mischte sich unter die letzten Kämpfer. Er hatte die Enterpike fortgeworfen und das Schwert ergriffen. Seine Klinge zischte wie eine Schlange, sie schlug die Waffen zurück, die seine Brust durchdringen wollten, traf rechts und links. Keiner konnte seinen Stößen ausweichen. Er stand inmitten eines Leichenhügels, inmitten von Blutlachen.

In diesem Augenblick stürmte Morgan mit einer Schar Flibustier heran. Er hatte die Vorderschanze erobert und wollte nun die letzten Überlebenden töten, die mit dem Mute der Verzweiflung die Standarte des schwankenden Schiffs verteidigten.

Sein Kommandant hielt ihn mit den Worten zurück: »Der Schwarze Korsar siegt, aber mordet nicht!«

Die Piraten hielten inne, und die zum Angriff erhobenen Waffen senkten sich.

»Ergebt euch!« rief der Korsar und ging zu den letzten, um das Steuer versammelten Spaniern. »Ich schenke euch das Leben, weil ihr tapfer seid!«

Ein Maat, der einzig überlebende Unteroffizier, trat vor und warf seine blutige Axt fort.

»Wir sind besiegt«, sagte er mit heiserer Stimme, »Macht mit uns, was ihr wollt!«

»Nehmt Eure Axt wieder, Maat«, erwiderte der Korsar. »Leute wie Ihr, die so hartnäckig das Banner des fernen Vaterlandes verteidigen, verdienen meine Achtung!«

Der Maat war starr vor Staunen. Nur selten gewährten die Piraten Gnade, und fast nie gaben sie ihren Besiegten die Freiheit ohne Lösegeld.

Von den Verteidigern des Linienschiffs waren außer ihm nur achtzehn Matrosen, wenn auch zumeist verwundet, am Leben geblieben. Sie hatten die Waffen gestreckt und erwarteten ihr Schicksal in stumpfer Ergebenheit.

»Morgan!« rief der Korsar. »Laßt die große Schaluppe ins Wasser mit Lebensmitteln für eine Woche!«

»Wollt Ihr denn all diese Leute freilassen, Kapitän?« fragte der Oberleutnant mißbilligend.

»Ja, ich will ihren Mut belohnen!«

Als der Unteroffizier das hörte, stammelte er Worte des Dankes: »Stets werde ich der Großmut des Schwarzen Korsaren gedenken!«

»Beantwortet meine Fragen!« sagte der Kapitän.

»Sprecht, Kommandant!«

»Woher kommt ihr?«

»Aus Veracruz.«

»Wohin solltet ihr fahren?«

»Nach Maracaibo.«

»Erwartet euch der dortige Gouverneur?«

»Ich weiß es nicht, Herr. Nur der Kapitän hätte darauf antworten können!«

»Ihr habt recht. Zu welchem Geschwader gehört euer Schiff?«

»Zu dem des Admirals Toledo!«

»Habt ihr keine Ladung im Ballastraum?«

»Nur Kugeln und Pulver!«

»Geht! Ihr seid frei!«

Der andere zögerte; dann sagte er verlegen: »Es sind noch andere Leute an Bord, Kommandant!«

»Gefangene?«

»Nein, Frauen und Pagen!«

»Wo?«

»In einem Raum des hintern Decks.«

»Wer sind diese Frauen?«

»Der Kapitän sagte es uns nicht; aber es scheint eine Dame von hohem Rang darunter zu sein! Ich glaube, eine Herzogin.«