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Sie stießen mit den Gläsern an.

»Ich möchte Euch etwas fragen, Cavaliere, doch wage ich es nicht. Es würde Euch wieder schwermütig machen.«

»Sprecht!«

»Sagt mir, ist es wahr, daß Ihr Euer Land verlassen habt, um eine Rache zu vollstrecken?«

»Ja, Madame, und ich werde nie Ruhe finden, bis ich sie vollzogen habe!«

»So stark haßt Ihr einen Menschen?«

»Ich würde mein Leben sofort dahingeben, wenn ich ihn töten könnte!«

»Was hat er Euch angetan?«

»Er hat meine ganze Familie zugrunde gerichtet. Ich halte den Eid, den ich geschworen, und müßte ich selber dabei verderben! Tod ihm und allen, die das Unglück haben, seinen Namen zu tragen!«

»Weilt dieser Mann hier in Amerika?«

»In einer Stadt des Großen Golfs.«

»Und sein Name?« fragte sie angstvoll. »Darf ich ihn nicht erfahren?«

Erstaunt blickte sie der Korsar an. »Warum drängt es Euch so, ihn zu kennen? Ihr seid eine Frau. Was wißt Ihr von Rache?«

Dann wandte er sich an den Neger, der wie eine Bronzestatue vor der Tür gewartet hatte, und fragte: »Ist die Schaluppe für die Dame bereit?«

»Ja, Herr!« erwiderte Mokko.

»Wer führt sie?«

»Die weißen Brüder Carmaux und Stiller!«

Die junge Flämin, die sich den Seidenschal um den Kopf gewickelt hatte, nahm jetzt den ihr gebotenen Arm des Korsaren. Während er sie an die Schiffstreppe führte, wo die Bootsleute ihrer harrten, schaute er sie mehrmals von der Seite an, was sie ein wenig in Verwirrung brachte.

Sie streckte ihm leise zitternd die kleine Hand entgegen und dankte ihm für die Gastfreundschaft.

Beim Abschied verbeugte er sich schweigend.

Von der Mulattin gefolgt, stieg sie in das Boot. Als sie beim Abstoßen desselben noch einmal zum Schiff hinaufschaute, sah sie, wie der Schwarze Korsar, über die Brüstung gebeugt, ihr nachblickte.

Mit wenigen Ruderschlägen erreichte die Schaluppe das Linienschiff, das langsam im Kielwasser der »Fólgore« fortgeschleppt wurde.

Statt sich in ihre Kabine zu begeben, blieb Honorata noch an Bord und schaute sinnend zu dem Piratenschiff hinüber.

Am hintern Deck in der Nähe des Steuers zeichnete sich beim Mondschein deutlich die schwarze Gestalt des Korsaren ab mit seiner langen, im nächtlichen Winde wehenden Feder am Hut. Er stand unbeweglich, die Rechte in die Seite gestemmt, und sah unverwandt nach dem spanischen Schiff.

»Siehst du den finstern Edelmann da drüben?« fragte die Herzogin ihre Begleiterin. »Es ist mir nie ein so seltsamer Mensch begegnet!«

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Im Zauberbann

Die »Fólgore« fuhr langsam nach Norden, der Küste von San Domingo zu. Von dort wollte sie in den breiten Kanal einlaufen, der sich zwischen jener Insel und Kuba öffnet. Sie kam bei den leichten Winden nur mühsam vorwärts. Einmal weil sie das Linienschiff mit sich schleppen mußte, und zweitens, weil sie durch den Golfstrom behindert war.

Dieser trat aus dem Meerbusen von Mexiko ins Antillenmeer und strömte durch die Floridastraße in den Atlantischen Ozean, an den Gestaden Mittelamerikas entlang.

Zum Glück blieb das Wetter heiter. Sonst hätte man die so teuer erkämpfte Beute den Wellen überlassen müssen. Die Stürme, die zuweilen das Antillenmeer aufwühlen, sind schrecklicher Art.

Diese von der Natur scheinbar so gesegneten Regionen, diese Inseln, prangend in üppiger Fruchtbarkeit unter herrlichem Klima, sind infolge der herrschenden Ostwinde und Äquinoktialstürme oft den furchtbarsten Katastrophen unterworfen, welche sie in wenigen Stunden verheeren.

Die Stürme vernichten die reichen Pflanzungen, entwurzeln ganze Wälder und zerstören Städte und Dörfer. Zuweilen bringen Seebeben das Meer in Aufruhr und fegen alles fort, was sich an den Küsten vorfindet. Selbst die in den Häfen verankerten Schiffe schleifen sie durch die verwüsteten Felder. Auch von heftigen Erdbeben wird die Gegend heimgesucht, die Tausende von Menschen unter ihren Trümmern begraben.

Doch noch leuchtete ein guter Stern dem Piraten. Das Wetter versprach eine gute Fahrt nach der Tortuga. Die »Fólgore« segelte ruhig durch die smaragdgrünen Gewässer dahin, die so kristallhell und durchsichtig waren, daß man in der Tiefe den weißen Sand des mit Korallen bedeckten Golfbettes erblicken konnte.

In diesem klaren Wasser sah man Fische nach allen Richtungen huschen; sie spielten miteinander, verfolgten sich oder fraßen einander auf. Zuweilen kamen mit mächtigem Schwanzschlag die menschenfressenden Hammerhaie zum Vorschein. Den andern ebenso gefährlichen Haifischen ähnlich, sind sie oft zwanzig Fuß lang und haben einen hammerähnlichen Kopf, seitlich stehende, große, runde, gläserne Augen und ein riesiges, mit langen dreieckigen Zähnen bewaffnetes Maul.

Zwei Tage nach dem Kapern des Schiffs fuhr die »Fólgore« bei stärkerem und günstigerem Winde zwischen Jamaika und der Westküste Haitis weiter, um dann nach der Südküste zu eilen.

Der Schwarze Korsar, der sich fast immer in seiner Kabine aufhielt, stieg auf Deck, als der Steuermann die hohen Berge Jamaikas signalisierte.

Seit dem Abend, als er die junge Flämin zu sich geladen hatte, war er von einer merkwürdigen Unruhe erfaßt. Es litt ihn an keinem Orte. Gedankenvoll wanderte er auf und nieder, ohne mit jemandem, selbst nicht mit seinem Offizier Morgan, ein Wort zu wechseln. Die breite Krempe seines Hutes tief in die Stirn gedrückt, schaute er zerstreut zu den am Horizont sich abhebenden Bergen hinüber, die aussahen, als ob sie im Wasser ständen.

Wie einem unwiderstehlichen Drange folgend, blieb er an der Brüstung des hintern Decks stehen.

Seine Blicke hafteten auf dem Vorderdeck des spanischen Schiffs, das kaum sechzig Schritte entfernt in der Länge des Ankertaus war. Plötzlich zuckte er zusammen und wollte sieh wieder zurückziehen, doch war die Macht, die ihn festhielt, stärker. Seine sonst so finstere Miene erhellte sich, eine leichte Röte überzog sein blasses Gesicht.

Auf dem Vorderdeck des spanischen Schiffes hatte er eine weiße Gestalt bemerkt, die an der Winde lehnte. Es war die Herzogin. Ein breiter, weiter Mantel umhüllte sie. Die blonden Haare fielen ihr über die Schultern, ab und zu von der Seebrise aufgeweht. Sie hatte die Augen auf das Piratenschiff gerichtet und schaute unverwandt nach dem Schwarzen Korsaren.

Dieser stand unbeweglich, wie unter einem Bann, kaum atmend. Er gab kein Zeichen, daß er sie erkannt hatte. Er grüßte sie nicht.

Da endlich erwachte er aus seiner Verzauberung, die für einen Mann mit seinem Temperament höchst seltsam war.

Fast, als ob er bereute, der Anziehungskraft dieser Augen drüben nachgegeben zu haben, wandte er sich plötzlich mit einem Ruck ab.

Doch Honorata hatte sich nicht gerührt. Noch immer lehnte sie an der Schiffswinde.

Der Kapitän war inzwischen auf die Kommandobrücke gestiegen. Hier konnte er der Versuchung nicht widerstehen, noch einmal zu ihr zurückzublicken. Im Rückwärtsschreiten stieß er auf Morgan, der gerade seinen Wachrundgang beendigte.

»Schaut Ihr auch auf die Färbung der Sonne, Kommandant?« fragte ihn der Offizier.

Der Korsar gewahrte nun erst, daß das Tagesgestirn, das vor wenigen Augenblicken noch strahlte, jetzt rötlich gefärbt war und wie eine weißglühende eiserne Scheibe aussah.

Die Berggipfel von Jamaika hoben sich mit größerer Klarheit vom Horizonte ab und waren von einem viel helleren Lichte als vorher umflossen.

Sofort zeigte sich eine gewisse Unruhe auf dem Gesicht des Kapitäns.

»Wir werden einen Orkan bekommen«, sagte er mit dumpfer Stimme.