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»Erraten!« lachte Carmaux. »So werden wir Flibustier von euch genannt!«

Den andern überlief ein Schauder. Carmaux bemerkte es.

»Hab keine Furcht, Freundchen!« sagte er. »Den Teufelsstrick sparen wir uns für später auf, wenn wir im Freien den Fandango tanzen werden mit einem hübschen, festen Hanf um die Kehle!«

Dann wandte er sich fragend zu dem Korsaren um, der schweigend den Gefangenen betrachtete.

»Oder soll ich ihm jetzt mit einem Pistolenschuß den Garaus machen?«

»Nein!«

»Oder an einen Baumzweig hängen?«

»Noch weniger!«

»Vielleicht gehört er zu denen, die meinen Kapitän, den Roten Korsaren, an den Galgen gebracht haben!«

Bei dieser Erinnerung schoß ein Blitz aus den Augen des Schwarzen Korsaren, aber er erlosch sofort.

»Er soll nicht sterben, weil er uns lebend mehr nützen kann!«

»Dann wollen wir ihn gut binden!« riefen die beiden Piraten.

Sie nahmen die roten Wollbinden, die ihnen seitlich am Gürtel hingen, und drückten die Arme des Gefangenen zusammen, ohne daß dieser Widerstand wagte.

»Jetzt möchten wir auch mal sehen, wie du aussiehst!« sagte Carmaux.

Er zündet ein Stück Lunte an, das er in der Tasche hatte, und näherte sich damit dem Gesicht des Spaniers.

Der arme Teufel mochte kaum dreißig Jahre sein. Er war lang und mager wie sein Landsmann Don Quichote und hatte gleich diesem ein eckiges Gesicht mit grauen Augen und rötlichem Bart. Sein Anzug bestand aus einem Kasack von gelbem Leder, weiten, schwarz und rot gestreiften Hosen und hohen, schwarzen Stiefeln. Auf dem Kopfe hatte er einen Stahlhelm mit einer arg zerzausten Feder, und vom Gürtel hing ihm ein langes Schwert herab, dessen Scheide am Ende verrostet war.

»Beim Beelzebub, meinem Schutzpatron!« rief Carmaux lachend. »Wenn der Gouverneur von Maracaibo mehr von diesen Helden hat, so wissen wir, daß er sie nicht mit Kapaunen füttert, denn dieser hier ist ja mager wie ein geräucherter Hering. Ich glaube, Kapitän, daß es sich gar nicht der Mühe lohnt, ihn zu hängen.«

Der Schwarze Korsar berührte den Gefangenen mit seiner Degenspitze und sagte: »Jetzt sprich, wenn dir deine Haut lieb ist!«

»Die Haut ist schon verloren«, erwiderte der Gefangene trocken. »Ich werde ja nicht lebendig aus Euren Händen hervorgehen. Und wenn ich auch erzähle, was Ihr wissen wollt, bin ich ja doch nicht sicher, den morgigen Tag noch zu erleben.«

»Der Spanier scheint Mut zu haben«, meinte Stiller.

»Durch seine Antwort kann er begnadigt werden«, fügte der Korsar hinzu. »Los, willst du antworten?«

»Nein!« entgegnete der andere.

»Ich habe dir das Leben versprochen!« »Wer glaubt daran!«

»Wer? Weißt du auch, wer ich bin?«

»Ein Pirat!«

»Ja, aber man nennt mich den Schwarzen Korsaren!«

»Bei der heiligen Jungfrau von Guadalupe!« rief der Spanier erblassend. »Ihr hier? Wollt Ihr Euren Bruder rächen und uns alle vernichten?«

»Wenn du nicht sprichst, so werden alle umgebracht! Es soll kein Stein auf Maracaibo bleiben!«

»Por todos santos!« sagte der Gefangene, der sich noch nicht von seiner Überraschung erholt hatte.

»Sprich!«

»Ich bin dem Tode verfallen. Also wozu?«

»Der Schwarze Korsar ist ein Ehrenmann, und ein solcher hält sein Wort«, sprach der Kapitän feierlich.

»Gut, fragt mich aus!«

--

Der Gefangene

Der Korsar hatte sich dem Gefangenen gegenüber auf eine Baumwurzel gesetzt, während die beiden Flibustier sich als Wachen am Ende des Wäldchens aufgestellt hatten, weil man nicht sicher war, ob der Verhaftete noch Kameraden in der Nähe hatte. »Sage mir, hängt mein Bruder noch?« fragte er nach kurzem Schweigen.

»Ja«, antwortete der Spanier. »Der Gouverneur hat befohlen, ihn drei Tage und drei Nächte hängen zu lassen, bevor man ihn den wilden Tieren im Walde vorwirft.«

»Glaubst du, daß man seinen Leichnam rauben kann?«

»Vielleicht. Bei Nacht ist nur eine einzige Schildwache auf der Plaza de Granada. Die fünfzehn Gehenkten können doch nicht entfliehen.«

»Fünfzehn!« rief der Korsar. »Hat der grausame van Gould nicht einen einzigen am Leben gelassen?«

»Keinen!«

»Und fürchtet er nicht die Rache der Tortugapiraten?«

»Maracaibo ist gut mit Truppen und Kanonen versehen.«

Ein verächtliches Lächeln umschwebte die Lippen des stolzen Korsaren.

»Was tun uns die Kanonen«, sagte er. »Unsere Enterwaffen sind mehr wert. Ihr habt es doch bei den Angriffen von San Francisco di Campeche, von Sant'Agostino de Florida und andern Kämpfen gesehen!«

»Es ist wahr, aber van Gould hält Maracaibo für sicher.«

»Gut. Wir werden es sehen, wenn ich es mit dem Olonesen überfallen werde.«

»Mit dem Olonesen?« rief der Verhaftete mit Schaudern aus.

»Was suchst du in diesem Walde?«

»Ich überwachte das Ufer!«

»Allein?«

»Ja, allein!«

»Fürchtet man eine Überraschung von unserer Seite?«

»Ja, da ein im Golf kreuzendes, verdächtiges Schiff signalisiert war!«

»Also mein Schiff?«

»Da Ihr hier seid, wird es wohl Euer Schiff gewesen sein.«

»Und der Gouverneur ...«

»Er hat einige seiner Vertrauten nach Gibraltar geschickt, um den Admiral davon zu unterrichten.«

Diesmal wurde der Korsar unruhig. Dann zuckte er leicht mit den Schultern: »Bah, wenn die Schiffe des Admirals nach Maracaibo kommen, sind wir schon längst an Bord der ›Fólgore‹.«

Er stand auf und rief durch einen Pfiff die beiden am Waldesrand postierten Flibustier herbei: »Wir wollen weiter!«

»Aber was sollen wir mit diesem Mann anfangen?« fragte Carmaux.

»Wir nehmen ihn mit!«

Es begann schon zu dämmern. Die Schatten der Nacht wichen rasch, verscheucht von einem rosigen Licht, das den ganzen Himmel einnahm und das sich auch unter den gigantischen Bäumen des Waldes ausbreitete. Die Affen, die in Südamerika, besonders in Venezuela, so zahlreich sind, erwachten und erfüllten die Gebüsche mit ihrem seltsamen Geschrei.

Allerlei Vierfüßler bevölkerten die Wipfel der, Assai genannten, leichtstämmigen Palmen, wie das grüne Blätterwerk der riesigen Eriodendren. Sie bewegten sich wie Kobolde zwischen den, auch Sipos genannten, großen Lianen, welche die Bäume umklammerten oder an den Luftwurzeln der Arioden hängen.

Da erblickte man Affen, die so klein und niedlich waren, daß man sie in die Tasche stecken könnte, Scharen roter Sahui, die etwas größer als Eichhörnchen sind und mit ihrem schönen Schweif an kleine Löwen erinnern, ferner Scharen von Monos, den magersten aller Affen, die mit ihren langen Armen und Beinen an Riesenspinnen erinnern.

In ihr Geschrei mischten sich die Stimmen der Vögel. Laut plapperten die blauköpfigen Papageien auf den großen Blättern der Pomponasse, die zur Fabrikation der leichten Panamahüte verwandt werden, oder sie stolzierten auf den eigenartigen Palmen mit den Purpurblüten einher. Auf den Laransiabüschen mit den starkduftenden Blumen saßen die großen, ganz roten Papageien, die vom Morgen bis zum Abend ihr eintöniges Ará-Ará ertönen lassen. Auch die Klagevögel fehlten nicht, so genannt, da ihre Laute einem Klagen oder Weinen gleichen.

Die Flibustier und der Spanier, die an die seltsamen Geräusche in den dortigen Wäldern gewöhnt waren, hielten sich nicht auf, um Pflanzen, Vierfüßler oder Vögel zu bewundern. Sie suchten so schnell wie möglich aus dieser Wildnis herauszukommen.

Der Korsar schritt mit düsterer Miene einher. So sah man ihn fast immer, sowohl an Bord eines Schiffes, wie an Land, selbst bei den Schmausereien auf der Tortuga. Die beiden Piraten kannten schon seine Gewohnheiten und hüteten sich, ihn zu fragen oder aus seinen Gedanken herauszureißen. So marschierten sie zwischen Palmen, Schlingpflanzen und Tieren wohl zwei Stunden lang, bis Carmaux bei einem Gebüsch seltsamer Gewächse stehenblieb. Sie hatten lederartige Blätter, die, wenn der Wind wehte, sonderbare Töne hervorbrachten.