Während der einleitenden Phase, in der Bone geraucht und Cocktails getrunken wurden, zog Sundara mehr Aufmerksamkeit auf sich als irgendeiner der anwesenden Senatoren, Gouverneure und Bürgermeister, Quinn eingeschlossen. Das war zum Teil eine Sache der Neugier, da jedermann auf der politischen Bühne New Yorks von meiner exotischen Frau gehört, nur wenige sie aber kennen gelernt hatten; zum anderen Teil aber lag es daran, daß sie mit Sicherheit die schönste Frau im Saal war. Sandara war weder überrascht noch fühlte sie sich belästigt. Schließlich ist sie ihr ganzes Leben lang schön gewesen und hat Zeit gehabt, sich an die Wirkungen ihres Aussehens zu gewöhnen. Und sie hatte sich auch nicht gerade angezogen wie jemand, den es stört, angestarrt zu werden. Sie hatte ein regelrechtes Haremsgewand gewählt, dunkel, lose, fließend, das ihren Körper von den Zehen bis zur Kehle bedeckte; darunter war sie nackt, und wenn sie vor einer Lichtquelle vorbeiging, war sie überwältigend. Wie eine leuchtende, funkelnde Motte glühte sie in der Mitte des riesigen Ballsaals, geschmeidig und elegant, dunkel und geheimnisvoll, ihr ebenholzschwarzes Haar schimmerte und blitzte, Ahnungen von Brüsten und Flanken folterten die Betrachter. Oh, sie hatte einen glorreichen Abend! Quinn kam herüber, um uns zu begrüßen, und er und Sundara verwandelten eine keusche Umarmung mit Kuß in einen erlesenen Pas-de-deux sexueller Ausstrahlungskraft, der einige unserer älteren Staatsmänner nach Luft schnappen und erröten und ihre Kragen öffnen ließ. Sogar Quinns Frau Laraine, ob ihres Gioconda-Lächelns berühmt, sah einen Augenblick lang ein ganz klein bißchen verdattert aus, obwohl sie die sicherste aller Politikerehen führt, die ich kenne. (Oder amüsierte sie sich nur über Quinns Glut? Oh, dieses undurchsichtige Feixen!)
Sundara verströmte nach wie vor purstes Kama Sutra, als wir unsere Plätze entnahmen… Lamont Friedman, der an dem runden Tisch ihr gegenüber saß, ruckte und bebte, als ihre Augen sich begegneten, und starrte sie mit wütender Intensität an, während die Muskeln seines langen, dünnen Halses wie verrückt zuckten. Gleichzeitig starrte — etwas zurückhaltender, aber nicht weniger intensiv — Friedmans Gefährtin des Abends, Ms. Yarber, ebenfalls Sundara an.
Friedman. Er war ungefähr neunundzwanzig, gespenstisch dünn, vielleicht zwei Meter dreißig groß, mit grotesk vortretendem Adamsapfel und unglaublichen, krankhaft hervorquellenden Augen; eine dicke Masse wirren braunen Haars umschloß seinen Kopf wie eine wollige Kreatur von einem anderen Planeten, die ihn angriff. Er hatte Harvard mit dem Ruf eines Geldzauberers absolviert und war, nachdem er mit neunzehn in der Wall Street eingezogen war, zum Hohenpriester einer Gruppe irrer Finanziers geworden, die sich Asgard Equities nannte und durch eine Serie blitzartiger Coups — Optionsstöße, Scheinangebote, doppelte Stellagengeschäfte und eine Vielzahl anderer Methoden, die ich nur vage begreife — innerhalb von fünf Jahren die Kontrolle über ein Milliarden-Dollar-Reich mit ausgedehntem Besitz auf jedem Kontinent außer der Antarktis erwarb. (Und wundern würde es mich nicht, wenn Asgard auch die Konzession für Zollerhebung in der Meerenge von McMurdo hätte.)
Ms. Yarber war eine kleine, blonde Person, ungefähr dreißig, mager und ein wenig spitzgesichtig, energiegeladen, mit flinken Augen und dünnen Lippen. Ihr jungenhaft kurzes Haar fiel in spärlichen Strähnen über ihre hohe, vorwitzige Stirn. Ihr Gesicht war kaum geschminkt, nur eine schwache blaue Linie lief um ihren Mund, und ihre Kleidung war karg — ein strohfarbenes Hemd und ein gerader, einfacher, knielanger brauner Rock. Das wirkte zurückhaltend, geradezu asketisch, aber sie hatte, wie ich beim Hinsetzen bemerkt hatte, ihr überwiegend asexuelles Erscheinungsbild mit einer verblüffenden erotischen Note raffiniert ausgeglichen: Ihr Rock war nämlich auf der linken Seite von Hüfte bis Saum auf eine Spanne von vielleicht zwanzig Zentimetern vollständig offen; wenn sie sich bewegte, wurden ein glatt glänzendes, muskulöses Bein, ein weicher, goldbrauner Schenkel und ein Stück vom Gesäß sichtbar. In der Mitte des Schenkels, befestigt mit einer dünnen silbernen Kette, trug sie das kleine, abstrakte Medaillon des Transit-Glaubens.
Und also zum Diner. Das übliche Aufgebot für Festessen: Furchtsalat, Consommé, Filet aus Soja-Fleisch, gedünstete Erbsen und Karotten, flaschenweise Kalifornischer Burgunder, klumpiger Alaska-Pudding, dies alles mit größtmöglichem Geklirr und kleinstmöglicher Anmut von steingesichtigen Mitgliedern unterdrückter Minderheiten serviert. Weder das Essen noch die Dekoration waren geschmackvoll, aber das störte niemanden; wir waren alle so hoch auf unserem Dope, daß das Mahl Ambrosia und der Saal Walhalla waren. Während wir uns unterhielten und aßen, wanderte eine Schar politischer Profis der niederen Ränge von Tisch zu Tisch, klopfte auf Schultern und schüttelte Hände in ach so herzlicher Begrüßung, und darüber hinaus mußten wir eine Prozession wichtigtuerischer Politikerfrauen ertragen, die zumeist in den Sechzigern waren, plump, grotesk nach der jüngsten Mode gekleidet, und im Umherwandern ihre Nähe zu den Mächtigen und Berühmten auskosteten. Der Lärmpegel mußte um 20db über dem der Niagarafälle liegen. Fontänen wütenden Gelächters spritzten von diesem oder jenem Tisch, wenn irgendein silbermähniger Jurist oder verehrter Gesetzgeber seinen neuesten schlüpfrigen Republikaner/Schwulen/Schwarzen/Puerto/Juden/Iren/Italiener/Arzt/Anwalt/Rabbi/Priester/Politikerinnen/Mafia-Witz im besten 1965er Stil von sich gab. Ich fühlte mich, wie ich mich bei solchen Anlässen immer gefühlt hatte: wie ein Besucher aus der Mongolei, den es ohne Redensartenlexikon in ein unbekanntes amerikanisches Stammesritual verschlagen hatte. Ohne die Röhrchen mit erstklassigem Bone, die ständig herumgereicht wurden, hätte es leicht unerträglich sein können; die Neue Demokratische Partei mag am Wein sparen, aber sie weiß, wie man an gutes Dope kommt.
Als die Zeit für die Reden gekommen war, ungefähr um halb zehn, hatte sich ein Ritual innerhalb des Rituals entfaltet: Lamont Friedman blitzte fast verzweifelte Signale des Verlangens zu Sundara hinüber, und Catalina Yarber hatte sich, obwohl sie sich eindeutig ebenfalls zu Sundara hingezogen fühlte, in kühler, emotionsloser, nichtverbaler Manier mir angeboten.
Als der Zeremonienmeister — Lombroso war es, dem es brillant gelang, gleichzeitig elegant und primitiv zu sein — sich dem Kernstück seiner Aufgabe näherte — er wechselte jetzt zwischen spöttischen Seitenhieben auf die hervorragendsten der anwesenden Parteimitglieder und pflichtgemäßen Klageliedern auf die traditionellen Märtyrer Roosevelt, Kennedy, Kennedy, King, Roswell und Gottfried hin und her —, beugte sich Sundara zu mir und flüsterte: »Hast du Friedman beobachtet?«
»Der leidet schwer an einem Steifen, würde ich sagen.«
»Ich dachte, Genies wären etwas raffinierter.«
»Vielleicht denkt er, die am wenigsten raffinierte Methode wäre die raffinierteste Methode«, schlug ich vor.
»Nun, ich finde, er benimmt sich pubertär.«
»Da hat er wohl Pech gehabt.«
»Oh, nein«, sagte Sundara. »Ich finde ihn attraktiv. Sonderbar, aber nicht abstoßend, verstehst du? Schon fast faszinierend.«
»Dann ist die direkte Methode für ihn erfolgreich. Siehst du? Er ist ein Genie.«
Sundara lachte. »Die Yarber hat’s auf dich abgesehen. Ist sie auch ein Genie?«
»Ich glaube, mein Liebling, in Wirklichkeit will sie dich. Das nennt man die indirekte Methode.«
»Was möchtest du machen?«