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Ich zuckte die Achseln. »Es liegt an dir.«

»Ich bin dafür. Was hältst du von der Yarber?«

»Große Energie, schätze ich.«

»Ich auch. Also eine Vierergruppe für heute nacht?«

»Warum nicht?« sagte ich, und gerade in diesem Augenblick brachte Lombroso das Publikum mit einem ausgeklügelt polyethnisch-perversen Höhepunkt seiner Ankündigung Paul Quinns zu ohrenbetäubendem Gelächter.

Wir zollten dem Bürgermeister eine stehende Ovation, sauber dirigiert von Haig Mardikian auf der Estrade. Als ich mich wieder setzte, schickte ich Catalina Yarber ein Telegramm in Körpersprache, das Farbflecken auf ihre blassen Wangen zauberte. Sie grinste. Kleine, scharfe, gleichmäßige Zähne, dicht aneinander gesetzt: Botschaft erhalten. Abgemacht, abgemacht. Sundara und ich würden heute nacht also ein Abenteuer mit diesen beiden haben. Wir waren monogamer als die meisten Paare, daher unsere Zweiergruppen-Lizenz: die lärmenden vielköpfigen Haushalte mit dem Gezänk über privates Eigentum und den kommunalen Kinderhorden waren unsere Sache nicht. Aber Monogamie ist eine Sache und Keuschheit eine andere, und wenn erstere noch existiert, verwandelt allerdings durch die Evolutionen der Ära, so ist letztere doch so ausgestorben und verschwunden wie der Dinosaurier. Die Aussicht auf einen kleinen Waffengang mit der kraftvollen Ms. Yarber war mir angenehm. Und doch ertappte ich mich dabei, daß ich Friedman beneidete, wie ich stets Sundaras Partner der Nacht beneidete: Denn er würde die einzigartige Sundara haben, die für mich immer noch die begehrenswerteste aller Frauen war, und ich mußte mich mit jemandem begnügen, den ich begehrte, aber weniger begehrte als sie. Ein Maß der Liebe war das, nehme ich an, der Liebe in einer Beziehung, die andere Partner nicht ausschloß. Glücklicher Friedman! Es gibt nur ein erstes Mal mit einer Frau wie Sundara.

Dann redete Quinn. Er ist kein Komiker, und er machte nur ein paar flüchtige Witzchen, auf die seine Zuhörer taktvoll überreagierten; dann kam das ernste Geschäft, die Zukunft von New York City, die Zukunft der Vereinigten Staaten, die Zukunft der Menschheit im kommenden Jahrhundert. Das Jahr 2000, so sagte er uns, trägt großen symbolischen Wert: Im Wortsinne bezeichnet es die Ankunft eines Jahrtausends. Laßt uns, mit dem Wechsel der ersten Ziffer, reinen Tisch machen und aufs neue beginnen, eingedenk der Fehler der Vergangenheit, aber sie nicht wiederholend. Wir sind, sagte er, im zwanzigsten Jahrhundert durch die Feuerprobe gegangen, haben gewaltige Erschütterungen, Verwandlungen und Verletzungen ertragen; verschiedene Male sind wir dicht an die Zerstörung allen Lebens auf Erden herangekommen; wir haben der Möglichkeit weltweiter Hungersnot und weltweiter Armut ins Auge gesehen; wir haben uns töricht und vermeidbar in Jahrzehnte politischer Unsicherheit gestürzt; wir sind die Opfer unserer eigenen Gier und Angst, unseres Hasses und unserer Unwissenheit gewesen; aber nun, da die Energie der Sonnenreaktion selbst unter unserer Kontrolle ist, da das Bevölkerungswachstum stabil ist, da zwischen ökonomischem Wachstum und dem Schutz der Umwelt ein funktionsfähiges Gleichgewicht hergestellt wurde, ist die Zeit für die Errichtung der bestmöglichen Gesellschaft gekommen, einer Welt, in der Vernunft herrscht und Gerechtigkeit triumphiert, einer Welt, in der die volle Blüte der menschlichen Möglichkeiten sich entfalten kann.

Und so fort, eine glanzvolle Vision der bevorstehenden Epoche. Noble Rhetorik, besonders von einem New Yorker Bürgermeister, der traditionellerweise eher die Probleme des Schulsystems und die Forderungen der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes als das Schicksal der Menschheit im Kopf hat. Es wäre ein leichtes gewesen, die Rede als bloßen hübschen Bombast abzutun; aber nein, unmöglich, sie hatte eine Bedeutsamkeit, die über ihr Thema hinausging; denn was wir hörten, war der erste Trompetenstoß eines, der sich anschickte, ein Führer der Welt zu werden. Da stand er, wirkte einen halben Meter größer, als er war, sein Gesicht gerötet, die Augen hell, die Arme in jener charakteristischen Pose ruhender Kraft verschränkt, und rüttelte uns auf mit diesen Weckrufen:

»- Laßt uns, mit dem Wechsel der ersten Ziffer, reinen Tisch machen -«

»- wir sind durch die Feuerprobe gegangen -«

»- ist die Zeit für die Errichtung der bestmöglichen Gesellschaft gekommen -«

Die Bestmögliche Gesellschaft. Ich hörte es klicken und rauschen, und das Geräusch kam nicht so sehr vom Wechsel der ersten Ziffer als vom Hervortreten eines neuen politischen Slogans, und ich bedurfte keiner großen stochastischen Fähigkeiten, um zu ahnen, daß wir alle noch viel, viel mehr von der Bestmöglichen Gesellschaft hören würden, bevor Paul Quinn mit uns fertig war.

Verdammt, aber er war mitreißend! Ich fieberte darauf, weg und zu den Taten der Nacht zu kommen, und dennoch saß ich reglos, hingerissen, und ebenso erging es dem ganzen Publikum alkoholisierter Politiker und gestoneter Berühmtheiten, und selbst die Kellner unterbrachen ihr ewiges Geschepper mit dem Geschirr, als Quinns glorreiche Stimme durch den Saal rollte. Seit jener ersten Nacht auf Sarkisians Party hatte ich zugesehen, wie er stetig stärker wurde, fester, als ob sein Aufstieg zur Prominenz ihm seine eigene Selbsteinschätzung bekräftigt und jede Spur von Selbstbezweiflung, die noch in ihm gewesen sein mochte, hinweggebrannt hätte. Nun, da er im Scheinwerferlicht erstrahlte, schien er ein Gefäß kosmischer Energien; durch ihn hindurch und aus ihm hervor spielte eine unwiderstehliche Macht, die mich zutiefst erschütterte. Ein neuer Roosevelt? Ein neuer Kennedy? Ich zitterte. Ein neuer Karl der Große, ein neuer Mohammed, vielleicht ein neuer Dschingis-Khan.

Er schloß mit einer Floskel, und wir waren auf den Beinen und schrieen, Mardikians Choreographie war nicht mehr nötig; die Leute von den Medien rannten, ihre Kassetten abzuholen, die kaltäugigen Burschen aus den Clubhäusern schlugen sich in die Hände und redeten vom Weißen Haus, Frauen weinten, Quinn nahm, schwitzend, die Arme ausgebreitet, unsere Huldigung mit stiller Befriedigung entgegen, und ich spürte, wie das Dröhnen des Götzen zum ersten Mal durch diese Vereinigten Staaten ging.

Es dauerte eine weitere Stunde, bis Sundara, Friedman, Catalina und ich aus dem Hotel waren. Zum Hubschraubertaxi und schnell nach Hause. Merkwürdiges, befangenes Schweigen; alle vier sind wir darauf erpicht, zur Sache zu kommen, aber die gesellschaftlichen Konventionen dominieren vorerst, und wir täuschen Gelassenheit vor; außerdem hat Quinn uns überwältigt. Wir sind noch so voll von ihm, seinen klingenden Sätzen, seiner kraftvollen Gegenwart, daß wir alle vier zu Nullen geworden sind, stumpf, betäubt, ohne Selbst. Niemand ist zum Eröffnungszug fähig. Wir reden. Brandy, Bone; eine Führung durch das Apartment. Sundara und ich geben mit unseren Gemälden, Plastiken, unseren Kunstwerken der Primitiven, unserem Blick auf die Silhouette von Brooklyn an; allmählich fühlen wir uns etwas wohler miteinander, aber immer noch will keine sexuelle Spannung aufkommen; jene Stimmung erotischer Erwartung, die drei Stunden lang so aufregend gewachsen war, hatte sich unter der Wucht von Quinns Rede völlig verflüchtigt. War Hitler eine orgasmische Erfahrung? Cäsar? Wir räkeln uns auf dem dicken weißen Teppich. Mehr Brandy. Mehr Bone. Quinn, Quinn, Quinn: Statt Sex reden wir über Politik. Friedman streichelt schließlich, höchst unspontan, Sundaras Knöchel, dann wandert seine Hand ihre Wade hinauf. Es ist ein Signal. Wir werden die Erotik herbeizwingen. »Er muß nächstes Jahr kandidieren«, sagt Catalina Yarber und bewegt sich ostentativ so, daß sich der Schlitz in ihrem Rock weit öffnet und einen straffen Schenkel, goldene Locken enthüllt. »Leydecker hat die Nominierung praktisch in der Tasche«, meint Friedman und wird mutiger, liebkost Sundaras Brüste. Ich schalte den Lichtverwandlungsrheostat ein, im Raum breitet sich ein psychedelisches Schimmern aus. Um und um, in leisen, magischen Kreisen, tanzen die Hexenfeuer. Yarber bietet uns eine frische Röhre Bone an. »Aus Sikkim«, erklärt sie. »Der beste Stoff auf dem Markt.« Zu Friedman sagt sie: »Ich weiß, Leydecker führt; aber Quinn kann ihn zur Seite schieben, wenn er will. Wir können nicht noch vier Jahre auf ihn warten.« Ich hole einen tiefen Zug aus der Röhre, und der Stoff aus Sikkim setzt eine Schnelle-Brüter-Reaktion in meinem Hirn in Gang. »Nächstes Jahr ist noch zu früh«, sage ich. »Quinn war unglaublich heute Abend, aber ein Jahr reicht nicht aus, ihn dem ganzen Land einzubläuen. Mortonson wird sowieso todsicher wiedergewählt. Soll sich Leydecker nächstes Jahr ruhig aufreiben, Null-Vier führen wir dann Quinn ins Feld.« Ich hätte womöglich noch die ganze Strategie mit der Scheinbewerbung um die Vizepräsidentschaft ausgespuckt, aber Sundara und Friedman waren in die Schatten verschwunden, und Catalina interessierte sich nicht mehr für Politik.