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Faith blickte ihm in die Augen, als wollte sie abschätzen, ob er es ertragen würde, die Wahrheit zu hören. »Mein Herr, Eure törichte Predigt«, sagte sie.

»Töricht?«

»Natürlich können Sie es gar nicht anders wissen, da Sie aus England stammen und…«

»Aus Schottland, Mistress Faith.«

»Und da sie ja auf Schulen erzogen wurden, wo man nicht viel von…«

»An der Universität von Edinburgh. Nicht besser wissen? Also, ich…«

»Von Zaubern und Zeichen, Sprüchen und Beschwörungen und dergleichen.«

»Ich weiß sehr wohl, daß die Behauptung, solch finstere Kräfte zu benutzen, in den Ländern des Lordprotektors ein schweres Vergehen darstellt, das mit dem Feuertod bestraft wird, wiewohl Eure Lordschaft in seiner Barmherzigkeit diejenigen nur verbannt, die…«

»Na, seht Ihr, genau das meine ich!» erwiderte sie triumphierend. »Dann bringt man Euch so was ja wohl kaum auf der Universität bei, nicht wahr? Aber wir leben hier nun einmal so, und es gleich Aberglauben zu nennen…«

»Ich habe es Hysterie genannt.«

»Das ändert nichts an der Tatsache, daß es funktioniert.«

»Ich habe durchaus begriffen, daß Ihr glaubt, es würde funktionieren«, antwortete Thrower geduldig. »Aber alles auf der Welt ist entweder eine Frage der Wunder oder der Wissenschaft. In früheren Zeiten kamen die Wunder von Gott, aber diese Zeiten sind vorbei. Heute müssen wir uns an die Wissenschaft und nicht an die Magie wenden, wenn wir Werkzeuge erhalten wollen, mit denen wir die Welt verändern können.«

An ihrer starren Miene erkannte Thrower, daß er nicht viel Eindruck auf sie machte.

»Wissenschaft!» sagte sie. »So wie das Betasten von Kopfhöckern?«

Er bezweifelte, daß sie sich sonderlich viel Mühe gegeben hatte, ihre Verachtung zu verbergen. »Die Phrenologie«, erwiderte er kühl, »ist noch eine sehr junge Wissenschaft, und sie hat gewiß auch noch viele Mängel, aber ich versuche, festzustellen…«

Sie lachte auf — ein mädchenhaftes Lachen, das sie sehr viel jünger erscheinen ließ als eine Frau, die vierzehn Kinder geboren hatte. »Verzeiht, Reverend Thrower, aber mir fiel gerade ein, wie Measure es ›mit der Rute nach Gehirnen suchen‹ nannte und wie er meinte, daß Ihr damit in dieser Gegend wohl nur wenig Erfolg haben würdet.«

Wahre Worte, dachte Reverend Thrower, aber er war klug genug, um es nicht auszusprechen. »Mistress Faith, ich habe gesprochen, wie ich es tat, damit die Leute begreifen, daß es in der Welt von heute überlegenere Denkweisen gibt und daß wir uns nicht länger von den Illusionen fesseln lassen müssen, die…«

Doch es hatte keinen Zweck. Ihre Geduld war am Ende. »Mein Junge wird gleich noch einen Stoß von einem Holzbalken abbekommen, wenn er die anderen Jungen nicht in Frieden läßt, Reverend, also müßt Ihr mich wohl entschuldigen.«

Und dann ging sie, um sich auf den sechsjährigen Alvin und den dreijährigen Calvin zu stürzen wie die Geißel Gottes persönlich. Kaum jemand konnte so laut und leidenschaftlich schimpfen wie sie. Auch er konnte sie noch schreien hören, obschon der Wind in entgegengesetzte Richtung blies.

Welche Ignoranz, dachte Thrower bei sich. Ich werde hier nicht nur als Mann Gottes unter Fast-Heiden gebraucht, sondern auch als Mann der Wissenschaft unter abergläubischen Toren. Irgend jemand flüstert einen Fluch, und dann, sechs Monate später, geschieht irgend etwas Schlimmes mit dem Opfer — das tut es immer, jedem widerfährt mindestens zweimal im Jahr etwas Schlimmes —, und dann sind sie völlig sicher, daß ihr Fluch eine böse Wirkung hatte. Post hoc ergo propter hoc.

In Britannien lernten die Studenten schon im Trivium, solche elementaren Fehler der Logik zu vermeiden. Hier dagegen war so etwas eine Lebensart. Der Lordprotektor hatte völlig recht, jene zu bestrafen, die in Britannien die magischen Künste ausübten, wenngleich es Thrower lieber gewesen wäre, wenn er es wegen Dummheit und nicht wegen Ketzerei getan hätte. Es als Ketzerei zu behandeln, verlieh der Sache viel zuviel Gewicht, so als wäre sie etwas, vor dem man sich eher fürchten mußte, anstatt sie zu verachten.

Vor drei Jahren, gleich nachdem ihm der Doktor der Theologie verliehen worden war, hatte Thrower plötzlich erkannt, wieviel Schaden der Lordprotektor tatsächlich anrichtete. Er erinnerte sich daran als einen Wendepunkt seines Lebens; denn war es nicht auch das erste Mal gewesen, daß der Besucher zu ihm gekommen war? Es war in seinem kleinen Zimmer im Pfarrhaus von St. James Church in Belfast gewesen, wo er als Priester in Stellung war, seine erste Stelle nach der Ordination. Er hatte gerade eine Weltkarte betrachtet, als sein Blick auf Amerika geschweift war, dorthin, wo Pennsylvania deutlich eingezeichnet gewesen war, wie es sich von den holländischen und schwedischen Kolonien nach Westen erstreckte, bis sich die Grenzlinien in dem seltsamen Land jenseits des Mizzipy verliefen. Es war, als sei die Karte zum Leben erwacht, und er hatte die Menschenflut geschaut, die in der Neuen Welt eintraf. Gute Puritaner, loyale Kirchenmänner und seriöse Kaufleute gingen alle nach New England; Papisten, Royalisten und Taugenichtse aller Art begaben sich in das rebellische Sklavenland von Virginia, Carolina und Jacobia, die sogenannten Kronkolonien. Die Sorte von Leuten, die dann, wenn sie erst einmal ihren Platz gefunden hatten, für immer dort blieben.

Doch nach Pennsylvania gingen andere Menschen: Deutsche, Holländer, Schweden und Hugenotten flohen aus ihren Heimatländern und verwandelten die Kolonie Pennsylvania in einen Abfallkübel, gefüllt mit dem schlimmsten menschlichen Abschaum des Kontinents. Und was noch schlimmer war — sie blieben nicht dort. Diese törichten Leute gingen in Philadelphia an Land, stellten fest, daß die besiedelten — Thrower nannte sie nicht die »zivilisierten» — Teile Pennsylvanias für sie zu übervölkert waren und begaben sich gen Westen ins Land der Roten, um sich dort eine Farm aufzubauen. Was tat es schon, daß der Lordprotektor ihnen ausdrücklich untersagte, sich dort anzusiedeln! Was scherten sich solche Heiden schon um das Gesetz! Land war es, was sie begehrten, so als würde der bloße Besitz von Erde einen Bauern gleich zu einem Edelmann machen.

Dann hatte sich Throwers Vision von Amerika aus dem Düsteren ins wahrhaft Finstere verwandelt. In seiner Vision sah er vorher, wie der König von Frankreich jenen abscheulichen korsischen Obristen Bonaparte nach Kanada entsenden würde, wo seine Leute von der französischen Festungsstadt Detroit aus die Roten aufwiegeln würden. Die Roten würden über die Siedler herfallen und sie vernichten; zwar mochten sie nur Abschaum sein, doch immerhin waren sie überwiegend englischer Abschaum, und die Vision von der wilden Brutalität der Roten ließ Throwers Haut sich zusammenziehen.

Doch selbst wenn die Engländer siegten, würde das Amerika westlich der Appalachees niemals christliches Land werden. Entweder bekämen es die verdammten papistischen Franzosen und Spanier, oder die ebenso verdammten heidnischen Roten behielten es, oder die heruntergekommenste Sorte von Engländern siedelte dort und würde sich um Christus und den Lordprotektor einen Teufel scheren. Somit würde ein weiterer Kontinent dem Herrn Jesus Christus verlorengehen. Es war eine solch grauenhafte Vision gewesen, daß Thrower laut aufgeschrien hatte, in dem Glauben, daß niemand ihn in seinem kleinen Zimmer würde hören können.

Aber es hatte ihn doch jemand gehört. »Das ist ein Lebenswerk für einen Gottesmann«, hatte eine Stimme hinter ihm gesagt. Thrower war sofort erschrocken herumgefahren; doch die Stimme war sanft und warmherzig gewesen und das Gesicht alt und gütig. Thrower hatte sich sofort keinen Augenblick lang mehr gefürchtet, trotz der Tatsache, daß Tür und Fenster fest verschlossen gewesen waren, so daß kein Mensch in seine Kammer hätte eintreten können.