Выбрать главу

Ich würde lieber tausend harte und bittere Wahrheiten hören, hatte er gesagt, doch Kleinpeggy wußte, daß es eine Wahrheit gab, die er niemals hören wollte, daher behielt sie sie für sich. Sie würde sie ihm nie entgegenschreien, selbst wenn es ihn dazu brächte, die Haselgerte zu zerbrechen, denn immer, wenn sie daran dachte, etwas über diese Dame zu sagen, sah sie vor ihrem geistigen Auge ihren Vater als Toten, und das war etwas, was sie niemals in Wirklichkeit sehen wollte.

Außerdem hatte die Dame, die sein Herzensfeuer heimsuchte, gar keine Kleider an, und Kleinpeggy wußte, daß sie mit Sicherheit gehauen werden würde, wenn sie von nackten Leuten sprach.

Also nahm sie die Hiebe entgegen und weinte. Papa verließ dann sofort den Raum, und Mama kam zurück, um das Frühstück für den Schmied, die Gäste und die Knechte zuzubereiten, doch keiner von beiden sagte auch nur ein Wort zu ihr, ganz so, als wenn man sie überhaupt nicht bemerkte. Eine Weile lang weinte sie daher noch stärker und lauter, doch auch das half nicht. Schließlich nahm sie ihren Bugy aus dem Nähkasten und lief ganz steif und voller Schmerzen hinaus zu Altpapis Blockhütte und weckte ihn.

Er hörte sich ihre Geschichte an, wie er es immer tat.

»Ich weiß auch, was mit Bloody Mary los ist«, sagte er, »und ich habe deinem Papa mindestens fünfzigmal gesagt, er soll diesem Huhn den Hals umdrehen. Das ist ein verrückter Vogel. Einmal in der Woche dreht sie durch und zerbricht ihre eigenen Eier, sogar diejenigen, die sie brüten könnte. Bringt ihre eigenen Küken um. Das ist doch ein Verrückter, wer seine eigene Verwandtschaft umbringt.«

»Papa möchte mich umbringen«, sagte Kleinpeggy.

»Ich schätze, wenn du noch gehen kannst, ist es doch nicht ganz so schlimm.«

»Ich kann aber nicht mehr viel gehen.«

»Nein, ich sehe schon, daß man dich fast zum Krüppel geschlagen hat«, sagte Altpapi. »Aber ich will dir was sagen: so, wie ich das sehe, sind deine Mama und dein Papa hauptsächlich aufeinander böse. Warum verschwindest du nicht einfach für ein paar Stunden?«

»Ich wünschte, ich könnte mich in einen Vogel verwandeln und fliegen.«

»Aber das nächstbeste«, sagte Altpapi, »ist, einen geheimen Ort zu haben, wo dich niemand findet. Hast du so ein Versteck? Nein, sag es mir nicht — es macht alles zunichte, wenn du auch nur einem einzigen anderen Menschen davon erzählst. Begib dich einfach für eine Weile dorthin. Solange es ein sicherer Ort ist, nicht draußen in den Wäldern, wo ein Roter dir dein hübsches Haar rauben könnte, und kein Ort irgendwo hoch oben, wo du herunterfallen könntest, und kein so winziger Ort, wo du möglicherweise feststecken könntest.«

»Er ist groß und tief und nicht in den Wäldern«, erwiderte Kleinpeggy.

»Dann geh dorthin, Maggie.«

Kleinpeggy schnitt dieselbe Grimasse, die sie immer schnitt, wenn Altpapi sie so nannte. Sie hielt Bugy hoch und sagte mit Bugys quiekender, hoher Stimme: »Ihr Name ist Peggy.«

»Geh dorthin, Piggy, wenn dir das besser gefällt…«

Kleinpeggy schlug Bugy über Altpapis Knie.

»Eines Tages macht Bugy das einmal zu oft, dann zieht er sich einen Bruch zu und stirbt«, sagte Altpapi.

Aber Bugy tanzte in seinem Gesicht herum und sagte beharrlich: »Nicht Piggy, Peggyl«

»Das ist schon richtig, Puggy, begib dich an diesen geheimen Ort, und wenn irgend jemand kommt und sagt: Wir müssen dieses Mädchen finden, werde ich sagen: Ich weiß, wo sie ist; sie wird schon zurückkommen, wenn sie dazu bereit ist.«

Kleinpeggy rannte zur Tür der Blockhütte, dann blieb sie stehen und drehte sich um. »Altpapi, du bist der netteste Erwachsene auf der ganzen Welt.«

»Dein Papa sieht mich etwas anders, aber das hat alles nur mit einer anderen Haselgerte zu tun, die ich einmal zu oft benutzt habe. Und nun lauf.«

Bevor sie die Tür schloß, hielt sie noch einmal an. »Du bist der einzige nette Erwachsene!«

Sie rief es ganz laut und hoffte beinahe, daß man es im Haus hören könnte. Dann war sie auch schon verschwunden, war durch den Garten geschossen, vorbei an der Kuhweide, den Hügel hinauf in den Wald, und dann über den Pfad zum Bachhaus.

2. Siedler

Diese Leute hatten einen guten Wagen und zwei gute Pferde, die ihn zogen. Man konnte sogar meinen, daß sie wohlhabend waren, wenn man bedachte, daß sie sechs große Jungen besaßen, von Mannsgröße bis hinunter zu Zwillingen; sie hatten bisher mehr in ihrem Leben durchgemacht, als ihrem Dutzend Jahre entsprach. Ganz zu schweigen von einer großen Tochter und einem ganzen Schwarm kleiner Mädchen. Eine große Familie. Richtig wohlhabend, wenn man nicht wußte, daß sie vor nicht einmal einem Jahr eine Mühle besessen und in einem großen Haus auf einer Strombank im Westen von New Hampshire gelebt hatten. Sie waren weit in der Welt herumgekommen, und dieser Wagen war alles, was ihnen geblieben war. Doch sie waren hoffnungsfroh, zogen gen Westen über den Hio offenem Land entgegen, das zu besiedeln jedermann freistand. Für eine Familie mit Geschick und Tatkraft würde es auch gutes Land sein, solange das Wetter auf ihrer Seite blieb und die Roten sie nicht überfielen und alle Rechtsanwälte und Bankiers in New England blieben.

Der Vater war ein großer Mann, ein wenig dick allerdings, was kein Wunder war, da Müller meist den ganzen Tag herumstanden. Doch würde er wieder abnehmen und seine Muskeln einsetzen müssen, wenn sie erst ihre neue Heimstatt in den tiefen Wäldern erreicht hatten. Er machte sich ohnehin nicht viele Sorgen deswegen — er fürchtete sich nicht vor harter Arbeit. Was ihm heute Sorgen machte, war seine Frau Faith. Ihr Baby mußte bald kommen, das wußte er. Nicht, daß sie jemals davon sprach. Über solche Dinge redeten Frauen nicht mit Männern. Doch er konnte sich ausrechnen, wie viele Monate es her war. Außerdem hatte sie ihm während der Mittagsrast zugeflüstert: »Alvin Miller, wenn es unterwegs ein Gasthaus geben sollte oder auch nur eine kleine, verfallene Blockhütte, könnte ich wohl etwas Ruhe gebrauchen.«

Man brauchte kein Philosoph sein, um sie zu verstehen. Und nach sechs Söhnen und sechs Töchtern hätte er schon Ziegelsteine in seinem Gehirn haben müssen, um nicht zu begreifen, wie es um sie stand.

Also schickte er den ältesten Jungen, Vigor, den Weg voran, um das Land zu erkunden.

Man merkte, daß sie aus New England kamen, denn der Junge nahm kein Gewehr mit. Hätte es unterwegs einen Krieger gegeben, der junge Mann wäre niemals zurückgekommen, und die Tatsache, daß er mit all seinem Haar zurückkehrte, war Beweis dafür, daß kein Roter ihn ausgemacht hatte — die Franzosen in Detroit bezahlten mit Schnaps für englische Skalpe, und wenn ein Roter einen Weißen allein in den Wäldern ohne Muskete erblickte, nahm er sich den Skalp des Mannes. So hätte ein rechtschaffener Vater vielleicht denken können, daß das Glück endlich seine Familie wieder heimsuchte. Doch da diese Yankees überhaupt nicht wußten, daß der Weg unsicher war, dachte Alvin Miller keine Minute über sein Glück nach.

Vigor sprach von einem Gasthaus in drei Meilen Entfernung; eine gute Nachricht, außer daß zwischen ihnen und dieser Herberge ein Fluß lag. Ein ziemlich erbärmlicher Fluß, und die Furt war seicht, doch Alvin Miller hatte gelernt, Wasser niemals zu trauen. Egal wie friedlich es aussehen mochte, es versuchte stets nach einem zu greifen und einen zu packen. Fast hätte er Faith mitgeteilt, daß sie die Nacht am Flußufer verbringen würden, doch da stieß sie ein allerleisestes Stöhnen hervor, und in diesem Augenblick wußte er, daß dieses Vorhaben keine Chance hatte. Faith hatte ihm ein Dutzend lebender Kinder geboren, aber seit dem letzten waren vier Jahre vergangen. Vielen Frauen bekam es nicht, so spät noch ein Baby zu gebären. Einige Frauen starben bei der Geburt. Ein gutes Gasthaus bedeutete auch Frauen, die bei der Geburt Hilfe leisten konnten, also mußten sie es mit dem Fluß versuchen.