In Gedanken vertieft bemerkte er nicht, daß er nicht auf die Farm von Peter McCoy flußabwärts zuging, wo ihn in der alten Blockhütte sein Bett erwartete. Statt dessen schritt er die Anhöhe zum Kirchengebäude empor. Erst als er ein paar Kerzen entzündet hatte, begriff er, daß er tatsächlich vorhatte, die Nacht hier zu verbringen. Diese halbfertige Kirche war sein Zuhause wie kein anderer Ort auf Erden. Der harzige Geruch erweckte in ihm das Verlangen, Hymnen zu singen, die er noch niemals gehört hatte, und so saß er summend da, die Seiten des Alten Testaments umblätternd, ohne überhaupt wahrzunehmen, daß das Papier mit Worten bedruckt war.
Er hörte sie erst, als sie den Holzboden betraten. Dann hob er den Blick und sah zu seiner Überraschung Mistress Faith, gefolgt von den achtzehnjährigen Zwillingen Wastenot und Wantnot. Die beiden Jungen trugen eine große Holzkiste. Es dauerte einen Augenblick, bevor er begriff, daß die Kiste einen Altar darstellen sollte. Es war ein recht schöner Altar, wunderschön gebeizt, das Holz war so eng verfugt, daß jeder Schrankmacher stolz darauf gewesen wäre. Und in die Bretter, die den oberen Teil des Altars umgaben, waren zwei Kreuzreihen eingebrannt.
»Wo wollt Ihr ihn hinhaben?» fragte Wastenot.
»Vater hat gesagt, wir sollen ihn heute abend herbringen, jetzt, da die Wände und das Dach fertig sind.«
»Vater?» fragte Thrower.
»Er hat ihn ausdrücklich für Euch angefertigt«, sagte Wastenot. »Und der kleine Al hat die Kreuze selbst eingebrannt, weil er hier ja nicht mehr weiter arbeiten durfte.«
Inzwischen stand Thrower bei ihnen und konnte genauer feststellen, daß der Altar liebevoll angefertigt worden war. So ein Werk hätte er von Alvin Miller am wenigsten erwartet. Und die vollkommen gleichmäßigen Kreuze sahen überhaupt nicht wie die Arbeit eines sechsjährigen Kindes aus.
»Hierhin«, sagte er und führte sie an die Stelle, wo er sich den Altar vorgestellt hatte. Auf dem hellen Holzboden wirkte der dunkel gebeizte Altar so vollkommen, daß Thrower die Tränen in die Augen traten. »Sagt ihnen, daß er wunderschön ist.«
Faith und die Jungen lächelten so breit, wie sie nur konnten. »Ihr seht also, daß er nicht Euer Feind ist«, sagte Faith, und Thrower konnte nur zustimmend nicken.
»Ich bin auch nicht sein Feind«, entgegnete er. Und er sagte nicht: Ich werde ihn mit Liebe und Geduld besiegen, aber ich werde siegen, und dieser Altar ist ein sicheres Zeichen dafür, daß er sich im tiefsten Inneren seines Herzens heimlich danach sehnt, daß ich ihn von der Finsternis der Unwissenheit erlöse.
Sie hielten sich nicht lange auf, sondern schritten schnell durch die Nacht wieder zurück nach Hause. Thrower stellte seine Kerze auf den Boden neben den Altar — niemals darauf, da das nach Papismus aussehen würde — und kniete zu einem Danksagungsgebet nieder. Die Kirche war weitgehend fertig, und schon stand ein wunderschöner Altar darin, erbaut von dem Mann, den er am meisten gefürchtet hatte, die Kreuze eingebrannt von dem seltsamen Kind, das den zwanghaften Aberglauben dieser unwissenden Menschen am stärksten symbolisierte.
»Du bist so voller Stolz«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Er drehte sich um, lächelte bereits, denn er war immer froh, wenn der Besucher erschien. Aber der Besucher lächelte nicht. »So voller Stolz.«
»Verzeiht mir«, sagte Thrower. »Ich bereue es bereits. Und dennoch — kann ich denn etwas gegen meine Freude ausrichten angesichts dessen, welch großes Werk hier begonnen wurde?«
Der Besucher berührte sanft den Altar, seine Finger suchten die Kreuze. »Das hat er gemacht, nicht wahr?«
»Alvin Miller.«
»Und der Junge?«
»Die Kreuze. Ich hatte schon so sehr befürchtet, daß sie Diener des Teufels sein könnten…«
Der Besucher musterte ihn scharf. »Und weil sie nun einen Altar gebaut haben, meinst du, das würde das Gegenteil beweisen?«
Ein Schauer der Furcht durchlief ihn, und Thrower flüsterte: »Ich glaubte nicht, daß der Teufel das Zeichen des Kreuzes benutzen könnte…«
»Du bist eben so abergläubisch wie alle anderen«, erwiderte der Besucher kühl. »Die Papisten bekreuzigen sich die ganze Zeit. Glaubst du, das wäre ein Zauber gegen den Teufel?«
»Wie soll ich dann überhaupt irgend etwas wissen können?» fragte Thrower. »Wenn der Teufel einen Altar herstellen und ein Kreuz ziehen kann…«
»Nein, Thrower, mein lieber Sohn, es sind keine Teufel, weder der eine noch der andere. Du wirst den Teufel schon erkennen, wenn du ihn siehst. Wo andere Menschen Haare auf dem Kopf haben, hat der Teufel die Hörner eines Stiers. Wo andere Menschen Füße haben, besitzt der Teufel die gespaltenen Hufe eines Ziegenbocks. Wo andere Menschen Hände besitzen, hat der Teufel die großen Pranken eines Bären. Und einer Sache sei dir sicher: Wenn er kommt, wird er keine Altäre für dich bauen.«
Dann legte der Besucher beide Hände auf den Altar. »Das ist jetzt mein Altar«, sagte er, »egal, wer ihn gebaut hat, ich kann ihn zu meinem Zwecke nutzen.«
Thrower weinte vor Erleichterung. »Jetzt ist er geweiht, Ihr habt ihn geheiligt.«
Und er streckte eine Hand vor, um den Altar zu berühren.
»Halt!» flüsterte der Besucher. Obwohl es beinahe ohne Stimme geschah, besaß sein Wort die Kraft, die Wände zum Beben zu bringen. »Hör mich erst an«, sagte er.
»Ich höre Euch immer zu«, erwiderte Thrower. »Obwohl ich nicht weiß, weshalb Ihr einen solch unwürdigen Wurm wie mich dazu auserwählt haben solltet.«
»Selbst ein Wurm kann durch die Berührung des Fingers Gottes wachsen«, sagte der Besucher. »Nein, versteh mich nicht falsch — ich bin nicht der Herr der Heerscharen. Bete mich nicht an.«
Doch Thrower konnte sich nicht beherrschen. Er weinte vor Hingabe, kniete vor diesem weisen und mächtigen Engel nieder. Ja, ein Engel, daran hegte Thrower keinen Zweifel, obwohl der Besucher keine Flügel besaß und Kleider trug, wie man sie im Parlament erwartet hätte.
»Der Mann, der den Altar erbaut hat, ist verwirrt. Nach Mord steht ihm der Sinn, und wenn er hinreichend herausgefordert wird, wird dieser Drang hervortreten. Und der Junge, der die Kreuze gemacht hat, ist tatsächlich so außergewöhnlich, wie du glaubst. Doch ist er bisher noch keinem Leben zum Guten oder zum Bösen geweiht worden. Beide Pfade liegen noch offen vor ihm, und er ist noch offen für jede Beeinflussung. Verstehst du mich?«
»Ist das meine Arbeit?» fragte Thrower. »Soll ich alles andere vergessen und mich der Aufgabe ergeben, das Kind der Rechtschaffenheit zuzuführen?«
»Wenn du allzu ergeben wirkst, werden seine Eltern dich ablehnen. Statt dessen solltest du dein Amt so ausüben, wie du es vorhattest. Doch in deinem Herzen wirst du alles auf dieses außergewöhnliche Kind ausrichten, um es für meine Sache zu gewinnen. Denn wenn er vierzehn Jahre geworden ist und mir immer noch nicht dient, werde ich ihn vernichten.«
Schon der bloße Gedanke, daß Alvin Junior etwas zustoßen oder daß er getötet werden könnte, war für Thrower unerträglich. Er erfüllte ihn mit einem solchen Gefühl des Verlusts, wie es kein Vater und keine Mutter hätte empfinden können. »Ich werde alles tun, was ein schwacher Mensch vermag, um das Kind zu retten«, rief er, und die Qual verwandelte seine Stimme beinahe in einen Schrei.
Der Besucher nickte, lächelte sein schönes und liebevolles Lächeln und streckte Thrower die Hand entgegen. »Ich vertraue dir«, sagte er leise. Seine Stimme war wie heilendes Wasser auf einer brennenden Wunde. »Ich weiß, daß du Gutes tun wirst. Und was den Teufel angeht, so brauchst du ihn nicht zu fürchten.«