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»Das ist gütig von Euch, Sir.«

»Nicht der Rede wert«, erwiderte Alvin Miller. »Seid Ihr sicher, daß Ihr Euch nichts gebrochen habt? Ihr seid wirklich ziemlich hart auf die Steine geprallt.«

»Dann nehme ich an, daß Ihr wohl lieber nachsehen solltet, ob keiner von diesen Steinen zerbrochen ist, Sir.«

Alvin lachte wieder, klopfte ihm auf den Rücken und führte ihn zum Haus.

Und was für ein Haus das war! Nicht einmal in der Hölle hätte es mehr Gekreische und Gebrüll geben können. Miller versuchte, ihm alle Kinder einzeln vorzustellen. Doch seine vier älteren Töchter waren mit einem halben Dutzend Aufgaben so beschäftigt, wie man es sich nur denken konnte, jede von ihnen im Streit mit allen anderen, von einer Zankerei zur anderen wandernd, während ihre Arbeit sie von einem Zimmer ins andere führte. Das schreiende Baby war ein Enkelkind, ebenso die fünf Kleinkinder, die auf und unter dem Eßtisch Rundköpfe und Cavaliers spielten. Die Mutter, Faith, schien das laute Drumherum gar nicht zu bemerken, während sie in der Küche arbeitete. Gelegentlich streckte sie den Arm vor, um irgendein Kind zu knuffen, doch ansonsten ließ sie sich bei ihrem Werk nicht unterbrechen — und ebensowenig in ihrem ständigen Strom von Befehlen, Zurechtweisungen, Drohungen und Beschwerden. »Wie bewahrt Ihr Euch in alledem noch den Verstand?» fragte Geschichtentauscher sie.

»Verstand?» fragte sie ihn scharf. »Meint Ihr etwa, daß jemand, der Verstand hätte, so etwas ertragen könnte?«

Miller führte ihn in einen Nebenraum: »Euer Zimmer, solange Ihr bleiben wollt.«

Ein großes Bett stand da mit einem Federkissen und mehreren Decken, und die eine Wand grenzte an den Kamin, so daß es warm war. Ein solches Zimmer hatte man Geschichtentauscher während seiner ganzen Wanderschaft noch nie angeboten. »Versprecht mir nur, daß Euer Name in Wirklichkeit nicht Prokrustes ist«, sagte er.

Miller verstand die Anspielung nicht, doch das spielte keine Rolle, denn er deutete den Ausdruck auf Geschichtentauschers Gesicht richtig. »Geschichtentauscher, wir bringen unsere Gäste nicht im schlechtesten Zimmer unter, sondern im besten. Und jetzt will ich kein Wort mehr davon hören.«

»Dann müßt Ihr mich aber auch morgen für Euch arbeiten lassen.«

»Oh, es gibt viel zu tun, wenn Ihr geschickte Hände habt. Und wenn Ihr Euch nicht schämt, Frauenarbeit zu tun, so könnte meine Frau durchaus eine Hilfe gebrauchen. Wir werden sehen, was der Tag bringt.«

Mit diesen Worte verließ Miller den Raum und schloß die Tür hinter sich.

Die Tür dämpfte den Lärm des Hauses kaum, doch er glich einer Musik, die Geschichtentauscher zu hören nichts ausmachte. Es war erst Nachmittag, doch er nahm sein Bündel ab und zog die Stiefel aus, dann ließ er sich auf der Matratze nieder. Sie raschelte wie eine Strohzecke, es lag aber eine Federmatratze obenauf, so daß sie tief und weich war. Zudem war das Stroh frisch, und an den Herdsteinen hingen getrocknete Kräuter, die ihm den Geruch von Thymian und Rosmarin verliehen. Habe ich jemals in Philadelphia auf einem solch weichen Bett geruht? Oder vorher, in England? Nicht, seitdem ich meiner Mutter Schoß verlassen habe, dachte er.

Die Art, wie die geheimen Kräfte in diesem Haus eingesetzt wurden, wirkte keineswegs zurückhaltend; das Hexzeichen war ganz offen über die Tür gemalt worden. Er erkannte das Muster wieder. Es war kein Friedensstifter, mit dem jede Gewalttätigkeit in der Seele dessen, der hier schlief, gedämpft werden sollte, auch keine Warnung oder Abwehrzeichen. Nichts davon war dazu gedacht, das Haus vor dem Gast zu schützen oder den Gast vor dem Haus. Es war lediglich zur Bequemlichkeit hergestellt worden, zu nichts sonst. Und es war vollkommen, außerordentlich fein gemalt, in den genau richtigen Proportionen. Es war nicht einfach, ein genaues Hexzeichen zu malen, da es aus Dreiern bestand. Geschichtentauscher konnte sich nicht daran erinnern, daß er jemals ein so vollkommenes Zeichen gesehen hatte.

Daher überraschte es ihn auch nicht, wie er sich auf dem Bett ausstreckte, zu spüren, daß die Muskeln seines Körpers sich entspannten, als wollten dieses Bett und dieses Zimmer die Müdigkeit einer fünfundzwanzigjährigen Wanderschaft vertreiben. Ihm fiel ein, daß er darauf hoffte, im Tod einmal das Grab als ebenso bequem wie dieses Bett zu erfahren.

Als Alvin Junior ihn wachrüttelte, duftete das ganze Haus nach Salbei, Pfeffer und gedünstetem Rindfleisch. »Ihr habt Zeit, den Abort zu benutzen, Euch zu waschen und zum Essen zu kommen«, sagte der Junge.

»Ich muß wohl eingeschlafen sein«, erwiderte Geschichtentauscher.

»Dafür habe ich das Hexzeichen auch angebracht«, meinte der Junge. »Funktioniert gut, nicht?«

Dann rannte er aus dem Zimmer.

Fast im selben Augenblick hörte Geschichtentauscher, wie eines der Mädchen dem Jungen die allerschlimmsten Drohungen an den Kopf warf. Der Streit setzte sich mit vollster Lautstärke fort, während Geschichtentauscher hinaus zum Abort ging, und als er wieder eintrat, war das Geschrei noch immer im Gange — obwohl Geschichtentauscher glaubte, daß diesmal möglicherweise eine andere Schwester schrie.

»Ich schwöre, daß ich dir heute nacht im Schlaf ein Stinktier an die Fußsohlen nähen werde, Al Junior!«

Geschichtentauscher hatte schon oft Geschrei gehört. Manchmal war es eines der Liebe, manchmal eines des Hasses. Wenn es aus dem Haß geboren war, pflegte er so schnell zu verschwinden, wie er nur konnte. In diesem Haus jedoch konnte er bleiben.

Da er sich Hände und Gesicht gewaschen hatte, war er sauber genug, daß Goody Faith es ihm gestattete, die Brotlaibe zum Tisch zu tragen — »solange ihr das Brot nicht mit Eurem schmutzigen Hemd berührt«. Dann stellte Geschichtentauscher sich in die Reihe, die Schüssel in der Hand, während die ganze Familie in die Küche marschierte und mit dem größten Teil einer Sau unter sich verteilt, wieder hervorkam.

Faith, nicht Miller selbst forderte eines der Mädchen zum Gebet auf, und Geschichtentauscher bemerkte, daß Miller nicht einmal die Augen schloß, wenngleich alle Kinder die Köpfe gesenkt und die Hände gefaltet hatten. Es war, als sei das Gebet etwas, das er zwar duldete, aber nicht ermunterte. Ohne danach fragen zu müssen, begriff Geschichtentauscher, daß Alvin Miller und der Prediger unten in der prächtigen weißen Kirche überhaupt nicht gut miteinander auskamen. Geschichtentauscher kam zu dem Schluß, daß Miller möglicherweise sogar ein Sprichwort aus seinem Buch schätzen würde: »So wie die Raupe sich die schönsten Blätter aussucht, um darauf ihre Eier zu legen, so legt der Priester seinen Fluch auf die schönsten Freuden.«

Zu Geschichtentauschers Überraschung verlief das Mahl keineswegs so laut und turbulent. Jedes Kind berichtete, was es an diesem Tag getan hatte, und alle hörten zu, manchmal Rat oder Lob aussprechend. Schließlich, als der Eintopf verzehrt war und Geschichtentauscher mit einem Stück Brot die letzten Reste in seiner Schüssel aufsaugte, wandte Miller sich ihm zu, so wie er sich an alle anderen in der Familie gewandt hatte.

»Und Euer Tag, Geschichtentauscher. Habt Ihr ihn gut verbracht?«

»Ich bin vor dem Mittag einige Meilen gewandert und habe einen Baum bestiegen«, erzählte Geschichtentauscher. »Dann sah ich einen Kirchturm, der mich zu einer Stadt führte. Dort fürchtete sich ein Christenmensch vor meinen verborgenen Kräften, obgleich er keine von ihnen sah, und ebenso ein Prediger, wenngleich dieser behauptete, daß er nicht glaubte, daß ich welche hätte. Aber ich suchte weiter nach einer Mahlzeit und nach einem Bett sowie nach einer Gelegenheit, mir beides durch Arbeit zu verdienen, und eine Frau sagte, daß die Leute am Ende eines bestimmten Wagenpfads mich aufnehmen würden.«

»Das war wohl unsere Tochter Eleanor«, meinte Faith.

»Ja«, erwiderte Geschichtentauscher. »Ich sehe jetzt, daß sie die Augen ihrer Mutter hat, die immer gelassen sind, egal, was gerade geschieht.«

»Nein, Freund«, widersprach Faith, »es ist nur, daß diese Augen Zeiten geschaut haben, seit denen es nicht mehr einfach ist, mich aus der Ruhe zu bringen.«