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»Und ich würde eher für dich als für Brustwehr stimmen«, meinte Geschichtentauscher.

David grunzte. Er fuhr damit fort, Seil um die Kerben der Schlittenhölzer zu wickeln und sie miteinander zu verschnüren. Geschichtentauscher tat das gleiche auf der anderen Seite. Als er die beiden Seilenden miteinander verbinden wollte, unterbrach ihn Measure: »Wartet mal, ich hole Al Junior.«

Im Laufschritt eilte Measure die Anhöhe zum Steinbruch empor.

Geschichtentauscher ließ die Seilenden fallen. »Alvin Junior macht die Knoten? Ich hätte eigentlich gedacht, daß erwachsene Männer wie ihr sie fester hinbekommt.«

David grinste. »Er hat ein Talent dafür.«

»Hat sonst niemand von euch Talente?» fragte Geschichtentauscher.

»Ein paar.«

»David hat ein Talent für Damen«, meinte Calm.

»Calm hat tanzende Füße beim Heufest. Gibt auch keinen, der so fiedelt wie er«, sagte David. »Ist zwar manchmal ein bißchen schräg, aber er hält den Geigenbogen ganz schön beschäftigt.«

»Measure ist ein präziser Schütze«, sagte Calm. »Er hat ein Auge für Dinge, die so weit weg sind, daß die meisten Leute sie gar nicht sehen können.«

»Wir haben unsere Talente«, meinte David. »Die Zwillinge haben eine Art, zu wissen, wann sich Ärger zusammenbraut, und dafür, dort immer gerade rechtzeitig aufzutauchen.«

»Und Pa, der baut Sachen zusammen. Wenn wir Möbel bauen, lassen wir ihn alle Fugen machen.«

»Die Frauen haben Frauentalente.«

»Aber«, fügte Calm hinzu, »so einen wie Al Junior gibt es kein zweites Mal.«

David nickte ernst. »Es ist nur, Geschichtentauscher, daß er nichts davon zu wissen scheint. Ich meine, er ist irgendwie immer überrascht, wenn alles gutgeht. Er ist richtig stolz, wenn wir ihm eine Aufgabe geben.«

»Er ist ein guter Junge«, meinte Calm.

»Ein bißchen tolpatschig«, sagte David.

»Nicht tolpatschig«, widersprach Calm. »Meistens ist es ja nicht seine Schuld.«

»Sagen wir einfach, daß in seiner Gegenwart Unfälle eben öfter vorkommen.«

»Ich würde nicht sagen, daß er ein Unglücksrabe wäre oder so«, meinte Calm.

»Nein, Unglücksrabe würde ich nicht sagen.«

Geschichtentauscher bemerkte, daß sie tatsächlich beide das Wort ›Unglücksrabe‹ gesagt hatten. Natürlich sagte er nichts, denn schließlich war es ja die dritte Stimme, die ein Unglück wahr werden ließ. Sein Schweigen war die beste Abwehr gegen ein mögliches Unglück. Die beiden Brüder begriffen und schwiegen ebenfalls.

Nach einer Weile kam Measure mit Al Junior den Hügel herab. Geschichtentauscher wagte es nicht, die dritte Stimme zu sein, da er zuvor am Gespräch teilgenommen hatte. Doch es würde noch schlimmer sein, wenn Alvin als nächster sprach, da er ja mit einem Unglücksraben in Verbindung gebracht worden war. Daher hielt Geschichtentauscher seinen Blick auf Measure gerichtet und hob die Augenbrauen, um Measure anzuzeigen, daß von ihm eine Antwort erwartet wurde.

Measure beantwortete die Frage, von der er glaubte, daß Geschichtentauscher sie ihm gestellt hatte. »Oh, Pa ist oben am Fels. Hält Wache.«

Geschichtentauscher hörte, wie David und Calm erleichtert aufseufzten. Die dritte Stimme hatte keinen Unglücksraben im Sinn gehabt, so daß Alvin Junior in Sicherheit war.

Nun konnte Geschichtentauscher sich ungehindert fragen, weshalb Miller meinte, im Steinbruch Wache halten zu müssen. »Was soll einem Felsen schon passieren? Ich habe noch nie gehört, daß die Roten Steine stehlen würden.«

Measure zwinkerte. »Manchmal können mächtig seltsame Dinge passieren, vor allem mit Mühlsteinen.«

Alvin scherzte jetzt mit David und Calm, während er die Knoten band. Er strengte sich an, um sie so fest wie möglich zu bekommen, doch Geschichtentauscher sah, daß sein Talent sich nicht im Knoten selbst offenbarte. Während Al Junior die Seile verschnürte, schienen sie sich wie von allein ins Holz zu winden, und zwar in allen Kerben, was den ganzen Schlitten fester zusammenzog.

»Das ist fest genug, um auch als Floß dienen zu können«, sagte Al Junior und machte einen Schritt zurück, um sein eigenes Werk zu bewundern.

»Na ja, diesmal treibt es auf fester Erde«, meinte Measure. »Pa sagt, daß er in Wasser nicht einmal mehr hineinpissen wird.«

Da die Sonne im Westen allmählich unterging, begannen sie, ein Feuer zu entfachen. Den Tag über hatte die Arbeit sie warmgehalten, doch in der Nacht würden sie ein Feuer brauchen, um die Tiere abzuwehren und die Kälte zu ertragen.

Miller kam nicht herunter, nicht einmal zum Abendessen, und als Calm aufstand, um seinem Vater auf dem Hügel das Essen zu bringen, erbot sich Geschichtentauscher, mitzukommen.

»Ich weiß nicht«, erwiderte Calm. »Das braucht Ihr wirklich nicht.«

»Ich möchte aber.«

»Pa — er hat es nicht gern, wenn sich viele Leute zu einer solchen Zeit am Felsen versammeln.«

Calm wirkte ein wenig verlegen. »Er ist ein Müller, und es ist sein Stein, der dort gehauen wird.«

»Ich bin nicht viele Leute«, erwiderte Geschichtentauscher. Calm sagte nichts mehr, und Geschichtentauscher folgte ihm den Fels hinauf.

Unterwegs kamen sie an zwei Stellen vorbei, wo früher schon Gestein gehauen worden war. Die Brocken aus behauenem Gestein hatte man dazu verwendet, um eine glatte Rampe vom Felsen hinunter zu bauen. Die Schnitte im Stein waren fast vollkommen rund. Geschichtentauscher hatte schon viele behauene und beschnittene Steine gesehen, doch nie solche — vollkommen rund, mitten in der Felswand. Meistens schlug man ein Stück heraus und rundete es erst am Boden ab. Calm ging seinetwegen nicht langsamer, so daß Geschichtentauscher keine Gelegenheit hatte, noch genauer hinzusehen, doch soweit er das beurteilen konnte, gab es keine Möglichkeit, wie der Steinhauer in diesem Steinbruch die Rückseite des Steins hatte schneiden können.

An der neuen Stelle sah es ganz genauso aus. Miller rechte gerade Steinsplitter zu einer ebenen Rampe vor dem Mühlstein zusammen. Geschichtentauscher ging ein Stück zurück und musterte in den letzten Flecken des Tageslichts die Felswand. Ganz allein arbeitend, hatte Al Junior an einem einzigen Tag die Vorderseite des Mühlsteins glattgehauen. Der Stein war praktisch poliert, noch immer an der Felswand hängend. Darüber hinaus war sogar schon das Mittelloch hineingeschnitten worden, um den Hauptschaft der Mühlenmaschine aufzunehmen. Es war vollends ausgehauen. Und auf der ganzen Welt gab es keine Möglichkeit, wie jemand einen Meißel anbringen konnte, um die Rückseite abzuschlagen.

»Das ist aber ein ordentliches Talent, das der Junge da hat«, meinte Geschichtentauscher.

Miller nickte zustimmend.

»Habe gehört, daß Ihr die Nacht hier oben verbringen wollt«, sagte Geschichtentauscher.

»Richtig gehört.«

»Würde Euch Gesellschaft stören?» fragte Geschichtentauscher.

Calm rollte die Augen.

Doch nach einer kleinen Weile zuckte Miller die Schultern. »Wie Ihr wollt.«

Calm blickte Geschichtentauscher mit weiten Augen an und hob die Augenbrauen, als wollte er sagen, daß es immer noch Zeichen und Wunder gäbe.

Nachdem Calm Millers Essen abgestellt hatte, ging er wieder davon. Miller legte den Rechen beiseite. »Habt Ihr schon gegessen?«

»Ich gehe Holz sammeln für das Feuer«, erwiderte Geschichtentauscher. »Solange es noch etwas hell ist. Eßt Ihr erst einmal.«

»Paßt auf Schlangen auf«, sagte Miller. »Die meisten haben sich zwar schon zum Winter zurückgezogen, aber man kann nie wissen.«

Geschichtentauscher achtete auf Schlangen, bekam aber keine zu sehen.

Schon bald hatten sie ein gutes Feuer, das die ganze Nacht brennen würde.

Im Licht des Feuers lagen sie in ihre Decken gehüllt. Geschichtentauscher fiel auf, daß Miller ein paar Ellen von dem Steinbruch entfernt weicheren Boden hätte finden können. Doch anscheinend war es von größter Wichtigkeit, den Mühlstein im Auge zu behalten.