Cally sah ihn nur an. In seinen Augen erkannte er Feindseligkeit. Anscheinend hatte der Junge etwas dagegen, daß sein Lehrer ihm hier in seinem Heim bei der Arbeit zusah.
»Du machst das gut«, sagte Thrower und versuchte, den Jungen zu besänftigen. Cally erwiderte nichts, sondern kritzelte weiter Wörter.
Brustwehr kam sofort zum Thema. »Mutter Faith, wir kommen wegen Alvin. Ihr wißt, wie ich zur Hexerei stehe, aber ich habe zuvor noch nie ein Wort gegen das gesagt, was ihr in Eurem Heim tut. Ich habe mir immer gesagt, daß das Eure Sache sei und nicht meine. Aber dieser Junge muß nun den Preis für das Böse zahlen, daß Ihr hier geduldet habt. Er hat sein Bein verzaubert, und jetzt ist ein Teufel in ihm und tötet ihn, und ich habe Reverend Thrower mitgebracht, um ihm diesen Teufel auszutreiben.«
Goody Faith wirkte völlig überrascht. »In diesem Haus gibt es keinen Teufel.«
Arme Frau, dachte Thrower, wenn du nur wüßtest, wie lange hier schon ein Teufel wohnt. »Es ist möglich, sich so sehr an die Anwesenheit eines Teufels zu gewöhnen, daß man sie überhaupt nicht mehr bemerkt.«
Eine Tür an der Treppe ging auf, und Mr. Miller trat ins Zimmer. »Nicht mit mir«, sagte er zu irgend jemandem in dem dahinterliegenden Zimmer. »Ich werde kein Messer an den Jungen anlegen.«
Als Cally die Stimme seines Vaters hörte, sprang er auf und lief auf ihn zu. »Brustwehr hat den ollen Thrower mitgebracht, Papa, um den Teufel umzubringen.«
Mr. Miller drehte sich um und schaute die Besucher an, als würde er sie kaum erkennen.
»Ich habe gute, kräftige Zauber auf dieses Haus gelegt«, sagte Goody Faith.
»Diese Zauber sind Einladungen an den Teufel«, sagte Brustwehr. »Ihr meint, daß sie Euer Haus schützten, tatsächlich aber vertreiben sie den Herrn.«
»Hier ist kein Teufel hereingekommen«, beharrte sie.
»Nicht von allein«, erwiderte Brustwehr. »Ihr habt ihn mit Eurer Zauberei herbeigerufen. Ihr habt den Heiligen Geist mit Eurer Hexerei und Eurem Götzenkult aus dem Haus vertrieben und ebenso alles Gute, so daß die Teufel ganz natürlich eindringen. Sie kommen immer, wenn sie auch nur die leiseste Möglichkeit sehen, Unheil zu stiften.«
Thrower machte sich schon ein wenig Sorgen, daß Brustwehr zuviel über Dinge redete, die er nicht wirklich verstand. Es wäre besser gewesen, wenn er einfach nur gefragt hätte, ob Thrower an Alvins Bett für den Jungen beten dürfe.
Und was immer auch in Mr. Millers Kopf gerade vorgehen mochte, so war es doch deutlich zu erkennen, daß dies nicht unbedingt die beste Zeit war, um den Mann zu provozieren. Langsam schritt er auf Brustwehr zu. »Wollt Ihr etwa behaupten, daß das, was in das Haus eines Mannes eindringt, um Unheil zu stiften, der Teufel ist?«
»Ich gebe nur Zeugnis als jemand, der den Herrn Jesus Christus liebt«, begann Brustwehr, doch bevor er weitersprechen konnte, hatte Miller ihn an den Schultern gepackt und ihn zur Tür umgedreht.
»Jemand sollte besser diese Tür aufmachen!» brüllte Miller. »Sonst bekommt sie gleich ein mächtig riesiges Loch in die Mitte«
»Was glaubst du, was du da tust, Alvin Miller!» rief seine Frau.
»Eine Teufelsaustreibung!» rief Miller. Inzwischen hatte Cally die Tür aufgeschwungen, und Miller schob seinen Schwiegersohn bis an den Rand der Veranda und warf ihn in den Schnee. Dann verschloß Miller die Tür, ohne auf die Schreie draußen zu achten.
»Was für ein großer Mann du doch bist«, sagte Goody Faith höhnisch. »Den Mann deiner eigenen Tochter hinauszuwerfen!«
»Ich habe nur etwas getan, von dem er behauptete, daß der Herr es haben wolle«, erwiderte Miller. Dann richtete er seinen Blick auf den Pastor.
»Brustwehr hat nicht in meinem Namen gesprochen«, sagte Thrower milde.
»Wenn du Hand an einen Mann Gottes legen solltest«, sagte Goody Faith, »dann wirst du den Rest deines Lebens in einem kalten Bett schlafen.«
»Würde nicht im Traum daran denken, den Mann auch nur anzurühren«, sagte Miller. »Aber so, wie ich es sehe, bleibe ich von seinem Haus fern, da sollte er auch aus meinem bleiben.«
»Ihr mögt vielleicht nicht an die Macht des Gebetes glauben«, sagte Thrower.
»Schätze, das hängt wohl davon ab, wer das Beten erledigt und wer das Zuhören«, meinte Miller.
»Und doch«, sagte Thrower, »glaubt Eure Frau an die Religion Jesu Christi, in der ich zum Geistlichen berufen und geweiht wurde. Es ist ihr Glaube, und mein Glaube auch, daß es der Genesung des Jungen dienen könnte, wenn ich an seinem Bett betete.«
»Wenn Ihr in Eurem Gebet auch so geschwollen daherredet«, meinte Miller, »dann wird es ein Wunder sein, wenn der Herr überhaupt weiß, wovon Ihr da sprecht.«
»Und wenn Ihr auch nicht glauben mögt, daß ein solches Gebet helfen könnte«, fuhr Thrower fort, »So kann es doch gewiß nicht schaden, nicht wahr?«
Miller wandte den Blick von Thrower zu seiner Frau hinüber und dann wieder zurück. Thrower zweifelte nicht im geringsten daran, daß er schon längst neben Brustwehr-Gottes im Schnee liegen würde, wenn Faith nicht anwesend wäre. Doch Faith war da und hatte schon die Drohung der Lysistrata ausgesprochen. Ein Mann bekam keine vierzehn Kinder, wenn das Bett seiner Frau nicht anziehend auf ihn wirkte. Miller gab nach. »Geht hinein«, sagte er. »Aber belästigt den Jungen nicht zu lange.«
Thrower nickte gnädig. »Nur ein paar Stunden«, sagte er.
»Minuten!» beharrte Miller. Doch Thrower war bereits auf die Tür neben der Treppe zugegangen, und Miller machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Er würde Stunden mit dem Jungen zur Verfügung haben, wenn er es wollte. Er schloß die Tür hinter sich. Es hatte keinen Zweck, es zuzulassen, daß irgendeiner dieser Heiden sich einmischte.
»Alvin«, sagte er.
Der Junge lag ausgestreckt unter einer Decke, auf seiner Stirn perlte Schweiß. Seine Augen waren geschlossen. Doch nach einer Weile öffnete er den Mund ein wenig. »Reverend Thrower«, flüsterte er.
»Ja«, erwiderte Thrower. »Alvin, ich bin gekommen, um für dich zu beten, damit der Herr deinen Körper von dem Teufel befreie, der dich krank macht.«
Nach einer weiteren Pause, als würde es eine Weile dauern, bis Throwers Worte zu ihm durchgedrungen waren, antwortete Alvin: »Das ist kein Teufel.«
»Man kann kaum erwarten, daß ein Kind sich in religiösen Dingen gut auskennt«, meinte Thrower. »Aber ich muß dir mitteilen, daß nur jene Genesung erfahren, die auch den Glauben haben, geheilt zu werden.«
Dann verbrachte er einige Minuten damit, die Geschichte von der Tochter des Zenturio und von der Frau zu erzählen, die blutete und nur das Tuch des Erlösers berührte. »Du erinnerst dich, was er zu ihr sagte. Dein Glaube hat dich gesund gemacht, sagte er. Und deshalb, Alvin Miller, muß dein Glaube stark sein, bevor der Herr dich gesund machen kann.«
Der Junge antwortete nicht. Da Thrower seine beachtliche Redegabe beim Erzählen beider Geschichten eingesetzt hatte, ärgerte ihn die Möglichkeit ein bißchen, daß der Junge vielleicht eingeschlafen sei. Etwas unsanft berührte er ihn an der Schulter.
Alvin zuckte zusammen. »Ich habe Euch gehört«, murmelte er.
Es war nicht gut, daß der Junge immer noch so mürrisch war, nachdem er das lichtspendende Wort des Herrn vernommen hatte. »Nun?» fragte Thrower. »Glaubst du?«
»An was?» murmelte der Junge.
»An das Evangelium! An den Gott, der dich heilen würde, wenn du nur dein Herz erweichen ließest!«
»Glaube an Gott«, flüsterte er.
Thrower kannte die Geschichte seiner Religion viel zu gut, um nicht genauere Erklärungen hören zu wollen. Es genügte nicht, den Glauben an eine Gottheit zu bekennen. Es gab so viele Gottheiten, und alle bis auf eine waren falsch. »An welchen Gott glaubst du, Al Junior?«
»Gott«, sagte der Junge.
»Sogar die heidnischen Mohren beten den schwarzen Stein von Mekka an und nennen ihn Gott! Glaubst du an den wahren Gott? Nein, ich verstehe, du bist zu schwach und fiebrig, um deinen Glauben erklären zu können. Ich werde dir helfen, junger Alvin. Ich werde dir Fragen stellen, und du antwortest einfach mit ja oder nein.«