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Das Schimmern und das Glitzern verschwanden. Die Kirche war wieder still. Brustwehr wollte auf Thrower zulaufen und ihn fragen: Was habt Ihr gesehen! Was war es für eine Vision! War es eine Prophezeiung?

Aber Thrower machte nicht den Eindruck, als würde er jetzt gerne Fragen beantworten. Er sah aus, als wünschte er zu sterben. Ganz langsam schritt der Prediger von dem Altar fort. Er schlenderte zwischen den Bänken umher, stieß manchmal dagegen, achtete nicht darauf, wohin sein Körper sich bewegte, es war ihm gleichgültig. Schließlich hielt er vor dem Fenster inne, mit dem Gesicht dem Glas zugewandt, doch Brustwehr wußte, daß er nichts sah, er stand einfach nur da, die Augen weit geöffnet, sah aus wie der Tod.

Reverend Thrower hob die rechte Hand, die Finger gespreizt, und legte seine Handfläche auf eine Glasscheibe.

Er drückte zu. Er drückte und schob so fest, daß Brustwehr glaubte, das Glas müsse jeden Moment zerspringen. »Hört auf!» schrie Brustwehr. »Ihr werdet Euch schneiden!«

Thrower gab nicht einmal das leiseste Anzeichen, daß er ihn gehört hatte, sondern drückte weiter seine Hand gegen das Fenster. Brustwehr begann, auf ihn zuzugehen. Muß diesen Mann doch aufhalten, bevor er das Glas zerbricht und sich den Arm aufschneidet.

Mit einem Krachen zerbrach die Scheibe. Throwers Arm fuhr bis zur Schulter hindurch. Der Prediger lächelte. Er zog seinen Arm wieder ein Stück in die Kirche hinein und stieß seine Hand in die Glasscherben im Fensterrahmen.

Brustwehr versuchte, Thrower vom Fenster fortzureißen, doch der Mann hatte eine Kraft an sich, wie Brustwehr sie noch nie erlebt hatte. Schließlich mußte er ihn zu Boden werfen. Überall war Blut verspritzt. Brustwehr packte Throwers Arm, der von oben bis unten mit Blut besudelt war. Der Priester versuchte, sich von ihm fortzurollen. Brustwehr hatte keine Wahl. Zum ersten Mal, seit er ein Christenmensch geworden war, ballte er die Hand zur Faust, hieb sie Thrower unter das Kinn und schlug ihn ohnmächtig.

Muß die Blutung aufhalten, dachte Brustwehr. Doch zuerst mußte er das Glas herausholen. Manche der großen Stücke ragten gut sichtbar aus dem Fleisch, er brauchte sie nur herauszuziehen. Doch andere, kleinere Scherben zumeist saßen tief; sie waren kaum zu erkennen und außerdem schleimig von Blut, so daß er sie auch kaum zu fassen bekam. Doch endlich hatte er alles Glas entfernt, das er finden konnte. Zum Glück strömte aus keiner der Wunden Blut. Brustwehr zog sein Hemd aus, so daß er nun bis zur Hüfte nackt war, während durch das zerbrochene Fenster der kalte Wind hereinwehte, doch er bemerkte es kaum. Er riß das Hemd einfach in Streifen, um damit die Wunde zu verbinden. Dann setzte er sich und wartete darauf, daß Thrower erwachte.

Thrower stellte überrascht fest, daß er nicht tot war. Er lag mit dem Rücken auf einem harten Boden, mit einem schweren Tuch bedeckt. Sein Kopf schmerzte. Sein Arm schmerzte noch schlimmer. Er erinnerte sich, wie er versucht hatte, diesen Arm zu zerschneiden, und er wußte, daß er es erneut versuchen mußte, doch konnte er nicht mehr denselben Todeswunsch in sich wecken, den er zuvor empfunden hatte. Selbst wenn er sich an den Besucher in der Gestalt der großen Echse erinnerte, vermochte Thrower sich nicht daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte. Er wußte nur, daß es das schlimmste Gefühl der Welt gewesen war.

Sein Arm war fest verbunden. Aber wer hatte ihn verbunden?

Er hörte das Geräusch, wie wenn ein feuchter Lappen gegen Holz geschleudert wurde. Im Winterzwielicht, das durch das Fenster trat, konnte er jemanden erkennen, der die Wand wusch. Eine der Fensterscheiben war mit einem Stück Holz verdeckt.

»Wer ist da?» fragte Thrower. »Wer seid Ihr?«

»Nur ich.«

»Brustwehr-Gottes.«

»Dabei, die Wände abzuwaschen. Das ist nämlich eine Kirche und kein Schlachthaus.«

Natürlich mußte alles voll Blut sein. »Tut mir leid«, sagte Thrower.

»Das Saubermachen macht mir nicht aus«, sagte Brustwehr. »Ich glaube, ich habe alles Glas aus Eurem Arm entfernt.«

»Ihr seid nackt«, bemerkte Thrower.

»Euer Arm trägt jetzt mein Hemd.«

»Ihr müßt frieren.«

»Vielleicht habe ich in der Nacht gefroren, aber jetzt habe ich das Fenster abgedeckt und den Ofen aufgeheizt. Ihr aber seht totenbleich aus.«

Thrower versuchte, sich aufzusetzen, doch es gelang ihm nicht. Er war zu schwach; sein Arm schmerzte sehr.

Brustwehr drückte ihn zurück. »Also Ihr bleibt jetzt schön liegen, Reverend Thrower. Legt Euch einfach zurück. Ihr habt sehr viel durchgemacht.«

»Ja.«

»Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen, aber ich war hier in der Kirche, als Ihr hereinkamt. Ich habe neben dem Ofen geschlafen — meine Frau hat mich nämlich aus dem Haus geworfen. Ich bin heute schon zweimal hinausgeworfen worden.«

Er lachte, ohne wirklich fröhlich zu sein. »Und da habe ich Euch gesehen.«

»Gesehen?«

»Ihr hattet eine Vision, nicht wahr?«

»Habt Ihr ihn gesehen?«

»Ich habe nicht viel gesehen. Hauptsächlich Euch, aber ab und zu ist etwas aufgeblitzt, wenn Ihr versteht, was ich meine. Es lief um die Wände.«

»Ihr habt es gesehen«, sagte Thrower. »Ach, Brustwehr, es war entsetzlich, es war wunderschön.«

»Habt Ihr Gott geschaut?«

»Gott geschaut? Gott besitzt keinen Leib, den man schauen kann, Brustwehr. Nein, ich habe einen Engel geschaut, den Engel der Züchtigung. Gewiß war es dies, was Pharao sah, den Todesengel, der durch die Städte Ägyptens zog und die Erstgeborenen holte.«

»Oh«, sagte Brustwehr verwirrt. »Hätte ich Euch denn dann lieber sterben lassen sollen?«

»Wenn ich hätte sterben sollen, so hättet Ihr mich nicht retten können«, sagte Thrower. »Weil Ihr mich gerettet habt, weil Ihr im Augenblick meiner Verzweiflung hier wart, ist dies ein sicheres Zeichen, daß ich leben soll. Ich wurde gezüchtigt, aber nicht vernichtet. Brustwehr Gottes, ich habe noch eine Chance.«

Brustwehr nickte, aber Thrower konnte sehen, daß er sich wegen irgend etwas Sorgen machte. »Was ist denn?» fragte Thrower. »Was ist es, das ihr mich fragen wollt?«

Brustwehrs Augen weiteten sich. »Könnt Ihr etwa hören, was ich denke?«

»Wenn ich es könnte, brauchte ich Euch nicht zu fragen.«

Brustwehr lächelte. »Schätze nicht.«

»Ich werde Euch sagen, was Ihr wissen wollt, so ich kann.«

»Ich habe Euch beten hören«, sagte Brustwehr. Er wartete, als wäre dies schon die Frage.

Doch Thrower wußte nicht genau, wie er die Worte deuten sollte. »Ich war verzweifelt, weil ich vor dem Herrn versagt hatte. Mir wurde eine Mission aufgetragen, doch im entscheidenden Moment ward mein Herz von Zweifeln erfüllt.«

Mit seiner gesunden Hand griff er nach Brustwehr und packte ihn. »Brustwehr-Gottes«, sagte er, »laßt nie den Zweifel in Euer Herz ein. Stellt niemals etwas in Frage, von dem Ihr wißt, daß es wahr ist. Das ist das Tor, durch welches Ihr es dem Satan gestattet, Zutritt und Macht über Euch zu erlangen.«

Doch das war nicht die Antwort auf Brustwehrs Frage.

»Fragt mich, was Ihr mich fragen wollt«, sagte Thrower, »wenn ich kann, will ich Euch die Wahrheit sagen.«

»Ihr habt über das Töten gebetet«, sagte Brustwehr.

Thrower hatte nie daran gedacht, irgend jemandem von der Bürde zu erzählen, die der Herr ihm auferlegt hatte. Doch wenn der Herr nicht gewollt hätte, daß Brustwehr dieses Geheimnis erfuhr, so hätte Er es auch nicht gestattet, daß der Mann ihn hier in der Kirche hätte hören können. »Ich glaube«, sagte Thrower, »daß es Gott der Herr war, der Euch zu mir geführt hat. Ich bin schwach, Brustwehr, und ich habe in dem versagt, was der Herr von mir verlangte. Doch nun erkenne ich, daß Ihr, ein Mann des Glaubens, mir als Freund und Helfer gesandt wurdet.«