»Was hat der Herr verlangt?» fragte Brustwehr.
»Keinen Mord, mein Bruder. Der Herr hat nie von mir verlangt, einen Menschen zu töten. Es war ein Teufel, den zu töten ich ausgesandt wurde. Ein Teufel in Menschengestalt, der in jenem Haus lebt.«
Tief in Gedanken versunken, schürzte Brustwehr die Lippen. »Der Junge ist nicht nur besessen, wollt Ihr das damit sagen? Es ist nichts, was Ihr einfach bannen könntet?«
»Ich habe es versucht, aber er hat über die Heilige Schrift gelacht und meine Worte des Exorzismus verhöhnt. Er ist nicht besessen, Brustwehr Gottes. Er ist die Brut des Teufels selbst.«
Brustwehr schüttelte den Kopf. »Meine Frau ist kein Teufel, und sie ist seine eigene Schwester.«
»Sie hat die Hexerei aufgegeben und ist daher gereinigt worden«, warf Thrower ein.
Brustwehr lachte kurz erbittert auf. »Das habe ich auch gedacht.«
Nun begriff Thrower, weshalb Brustwehr Zuflucht in der Kirche gesucht hatte: Sein eigenes Haus war befleckt worden.
»Brustwehr-Gottes, werdet Ihr mir dabei helfen, dieses Land, diese Stadt, dieses Haus, diese Familie von den bösen Einflüssen zu reinigen, die sie verdorben haben?«
»Wird das meine Frau retten?» fragte Brustwehr. »Wird es ihre Liebe zur Hexerei brechen?«
»Möglicherweise«, sagte Thrower. »Vielleicht hat der Herr uns zusammengeführt, damit wir beide unsere Häuser reinigen können.«
»Was immer es verlangen mag«, sagte Brustwehr, »gegen den Teufel bin ich auf Eurer Seite.«
15. Versprechungen
Der Hufschmied hörte zu, als Geschichtentauscher den Brief von Anfang bis Ende vorlas.
»Erinnert Ihr Euch an die Familie?» fragte Geschichtentauscher.
»Das tue ich«, sagte Makepeace Smith. »Der Friedhof hat beinahe mit ihrem ältesten Jungen angefangen. Ich habe seinen Leichnam mit eigenen Händen aus dem Fluß geholt.«
»Nun denn, werdet Ihr ihn also als Euren Lehrling aufnehmen?«
Ein Junge von vielleicht sechzehn Jahren kam mit einem Eimer voll Schnee in die Schmiede. Er musterte den Besucher, zog den Kopf ein und schritt zu dem Kühlfaß neben dem Herd hinüber.
»Ihr seht, daß ich bereits einen Lehrling habe«, sagte der Schmied.
»Der sieht mir schon recht groß aus«, meinte Geschichtentauscher.
»Er kommt voran«, bejahte der Schmied. »Stimmt es nicht, Bosey? Bist du bald bereit, auf eigene Faust weiterzumachen?«
Bosey lächelte ein wenig, unterdrückte es und nickte. »Jawohl, Sir«, sagte er.
»Ich bin kein leichter Meister«, meinte der Schmied.
»Alvin hat ein gutes Herz. Er wird hart für Euch arbeiten.«
»Aber wird er mir auch gehorchen? Ich liebe es, wenn man mir gehorcht.«
Geschichtentauscher blickte wieder Bosey an, der damit beschäftigt war, Schnee in das Faß zu schaufeln.
»Ich sagte schon, der Junge hat ein gutes Herz«, erwiderte Geschichtentauscher. »Er wird Euch gehorchen, wenn Ihr ihn gerecht behandelt.«
Der Schmied erwiderte seinen Blick. »Ich pflege gerecht zu sein und schlage die Jungen nicht, die ich aufnehme. Habe ich jemals Hand an dich gelegt, Bosey?«
»Niemals, Sir.«
»Seht Ihr, Geschichtentauscher. Ein Lehrling kann aus Furcht gehorchen oder aus Habgier, aber wenn ich ein guter Meister bin, dann gehorcht er mir, weil er weiß, daß er auf diese Weise etwas lernen wird.«
Geschichtentauscher grinste den Schmied an. »Es gibt keine Bezahlung«, sagte Geschichtentauscher. »Die wird sich der Junge selbst verdienen. Und er bekommt auch seine Schulausbildung.«
»Ein Schmied braucht keine Buchstaben, wie ich weiß.«
»Es wird nicht lange dauern, dann wird Hio Teil der Vereinigten Staaten werden«, sagte Geschichtentauscher. »Dann wird der Junge wählen müssen, schätze ich, und die Zeitungen lesen. Ein Mann, der nicht lesen kann, weiß immer nur, was andere Leute ihm erzählen.«
Makepeace Smith sah Geschichtentauscher mit einem beinahe verstohlenen Grinsen an. »Ach ja? Und seid nicht Ihr es, der mir das erzählt? Weiß ich das nicht also nur deshalb, weil andere Leute, nämlich Ihr, es mir erzählen?«
Geschichtentauscher lachte und nickte. Damit hatte der Schmied ins Schwarze getroffen. »Ich ziehe durch die Welt und erzähle Geschichten«, sagte Geschichtentauscher, »daher weiß ich, daß man mit dem Klang einer Stimme viel erreicht. Alvin liest schon sehr viel für sein Alter, da wird es ihm nicht schaden, ein bißchen die Schule zu schwänzen. Aber seine Ma besteht darauf, daß er lesen und schreiben und rechnen kann wie ein Gelehrter. Also müßt Ihr mir versprechen, daß Ihr Euch nicht gegen ihn und seine Ausbildung stellt, wenn er sie haben will, und dabei wollen wir es belassen.«
»Darauf habt Ihr mein Wort«, sagte Makepeace Smith. »Und das braucht Ihr auch nicht aufzuschreiben. Ein Mann, der sein Wort hält, braucht nicht zu lesen und zu schreiben. Aber ein Mann, der seine Versprechen erst aufschreiben muß, den muß man den ganzen Morgen im Auge behalten. Das ist eine Tatsache, wie ich weiß. Wir haben dieser Tage auch Rechtsanwälte in Hatrack.«
»Die Geißel der zivilisierten Menschheit«, meinte Geschichtentauscher. »Wenn jemand die Leute nicht mehr dazu bekommt, seine Lügen zu glauben, dann heuert er jemanden an, der für ihn berufsmäßig lügt.«
Darüber lachten sie beide, während hinter ihnen das Feuer in seinem Ziegelkamin brannte und draußen die Sonne auf halbgeschmolzenen Schnee herunter schien. Ein Kardinalvogel flog über den grasbewachsenen, mit Dung übersäten Boden vor der Schmiede. Für einen Moment blendete er Geschichtentauschers Augen, so erstaunlich wirkte sein Anblick vor den Weiß- und Brauntönen des Spätwinters.
In diesem Augenblick des Erstaunens über den Flug des Vogels wußte Geschichtentauscher plötzlich, daß es noch eine ganze Weile dauern würde, bevor der Entmacher den jungen Alvin hierherkommen ließ. Und wenn er kam, dann würde er wie ein Kardinalvogel außerhalb der Jahreszeit wirken, der die Leute hier überall verblüffte, die glauben würden, daß er ebenso natürlich sei wie ein fliegender Vogel, ohne zu wissen, welch ein Wunder jede einzelne Minute doch war, die der Vogel in der Luft blieb.
Geschichtentauscher schüttelte sich, und die Vision des Augenblicks verschwand wieder. »Dann ist es also abgemacht, und ich werde ihnen schreiben, daß sie den Jungen schicken sollen.«
»Ich erwarte ihn am ersten April. Nicht später!«
»Wenn Ihr von dem Jungen nicht verlangen wollt, daß er das Wetter beherrscht, solltet Ihr doch etwas beweglicher sein, was das Datum angeht.«
Der Schmied knurrte und winkte zum Abschied. Alles in allem eine erfolgreiche Begegnung. Geschichtentauscher ging mit einem guten Gefühl davon — er hatte seine Pflicht erfüllt. Es würde leicht sein, einem nach Westen ziehenden Siedler einen Brief mitzugeben — jede Woche zogen mehrere Wagen durch die Stadt Hatrack.
Obwohl es schon eine sehr lange Weile her war, seit er das letzte Mal hier durchgekommen war, kannte er noch den Weg von der Schmiede zum Gasthof. Es war eine vielbereiste Straße. Der Gasthof war sehr viel größer als früher, und ein Stück wegaufwärts gab es mehrere Geschäfte. Ein Ausrüster, ein Sattler, ein Schuster. Eben jene Art von Diensten, für die Reisende Verwendung hatten.
Kaum hatte er den Fuß auf die Veranda gesetzt, als sich die Tür öffnete und die alte Peg Guester herauskam, die Arme weit ausgebreitet, um ihn zu umarmen. »Ach, Geschichtentauscher, Ihr seid so lange fortgewesen, kommt herein, kommt nur herein!«
»Es ist schön, Euch wiederzusehen, Peg«, sagte er.
Horace Guester knurrte ihn hinter der Theke der Gastwirtschaft an, wo er gerade einige durstige Gäste bediente. »Was ich hier drin nicht gebrauchen kann, das ist noch so einen Abstinenzler, der bloß Tee trinkt!«