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»Wie schrecklich man sich doch fühlt, wenn man angezogen geschlafen hat«, meinte Jill und setzte sich auf. »Ich dachte gerade, wie schön es doch ist, wenn man sich nicht erst anziehen muss«, sagte Eustachius.

»Und nicht waschen, nehme ich an«, entgegnete Jill zornig. Aber Eustachius war schon aufgestanden, hatte gegähnt, sich geschüttelt und war aus dem Wigwam gekrochen. Jill tat es ihm nach.

Was sie draußen vorfanden, war ganz anders als das, was sie am Tag zuvor von Narnia gesehen hatten. Sie befanden sich auf einer großen Ebene, die von unzähligen Wasserläufen in unzählige kleine Inseln zerschnitten wurde. Die Inseln waren mit grobem Gras bewachsen und von Schilf und Binsen gesäumt. Da und dort gab es riesige, mit Binsen bewachsene Flächen, wo sich ständig Wolken von Vögeln erhoben und senkten – Enten, Schnepfen, Rohrdommeln und Reiher. Viele vereinzelte Wigwams wie der, in dem sie die Nacht verbracht hatten, standen herum, doch sie lagen weit voneinander, denn Moorwackler sind gerne für sich.

Abgesehen von dem ein paar Kilometer entfernten Waldrand im Süden und im Westen war kein einziger Baum zu sehen. Am Horizont in Richtung Osten verlief sich der flache Sumpf in niedrige Sandhügel und an dem salzigen Geruch des Windes, der aus dieser Richtung blies, konnte man ablesen, dass dort das Meer lag. Im Norden sah man niedrige fahle Berge und stellenweise ragten dort Felsen auf. Alles andere war flacher Sumpf. An einem düsteren Abend wäre es ein niederdrückender Ort gewesen. Doch jetzt, unter der Morgensonne besehen, mit einem frischen Wind und einer von Vogelgesang erfüllten Luft, hatte diese Einsamkeit etwas Frisches und Gesundes an sich. Die Kinder fühlten, wie ihre Energie wuchs.

»Wo ist wohl dieser Dingsbums hin?«, fragte Jill.

»Der Moorwackler«, sagte Eustachius, als wäre er ziemlich stolz, dass er dieses Wort kannte. »Ich nehme an ... oh, das muss er sein.« Und dann sahen sie ihn beide. Er saß etwa fünfzig Meter entfernt mit dem Rücken zu ihnen und angelte. Zuerst hatte man ihn nicht gut erkennen können, weil er fast die gleiche Farbe hatte wie der Sumpf und weil er so ruhig dasaß.

»Ich glaube, wir gehen besser hin und reden mit ihm«, meinte Jill. Eustachius nickte. Sie waren beide ein wenig nervös.

Als sie näher kamen, wandte die Gestalt den Kopf und zeigte ihnen ein langes dünnes, bartloses Gesicht mit eingefallenen Wangen, einem fest geschlossenen Mund und einer scharfen Nase. Der Moorwackler trug einen hohen, wie ein Kirchturm nach oben spitz zulaufenden Hut mit einer riesigen breiten, flachen Krempe. Das lockige Haar, sofern man es Haar nennen konnte, das über seine großen Ohren hing, war grünlichgrau und die Locken waren nicht rund, sondern eher flach, wodurch sie aussahen wie winzige Schilfblätter. Sein Gesicht trug einen feierlichen Ausdruck, es war schlammfarben und man konnte sofort sehen, dass er das Leben für eine sehr ernste Sache hielt.

»Guten Morgen, meine lieben Gäste«, sagte er. »Obwohl ich mit gut nicht sagen will, dass es nicht noch Regen geben wird – oder vielleicht auch Schnee oder Nebel oder ein Gewitter. Ihr konntet nicht schlafen, nehme ich an.«

»Doch, doch«, erwiderte Jill. »Wir haben fantastisch geschlafen.«

»Ah«, machte der Moorwackler und schüttelte den Kopf. »Ich sehe, dass ihr das Beste aus dieser üblen Lage macht. Das ist recht. Ihr seid gut erzogen, ja, das seid ihr. Ihr habt gelernt, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.«

»Bitte, wir wissen nicht, wie du heißt«, sagte Eustachius.

»Trauerpfützler ist mein Name. Aber es macht nichts, wenn ihr ihn wieder vergesst. Ich kann ihn euch ja noch einmal sagen.«

Die Kinder setzten sich rechts und links von ihm hin. Jetzt sahen sie, dass er sehr lange Arme und Beine hatte, und so war er, wenn er aufstand, größer als die meisten Männer, obwohl sein Körper kaum größer war als der eines Zwergs. Die Finger an seinen Händen waren wie bei einem Frosch mit Häuten verbunden und genauso war es mit seinen bloßen Füßen, die er ins schlammige Wasser baumeln ließ. Er hatte erdfarbene Kleider an, die lose an ihm herabhingen.

»Ich versuche ein paar Aale zu fangen, um einen Aaleintopf zum Mittagessen zu kochen«, sagte Trauerpfützler. »Obwohl ich mich nicht wundern würde, wenn ich keinen einzigen finge. Und falls doch, so wird es euch vermutlich nicht schmecken.«

»Warum nicht?«, fragte Eustachius.

»Nun, es besteht kein Grund, warum euch unsere Speisen schmecken sollten, obwohl ich nicht bezweifle, dass ihr euch nichts anmerken lassen werdet. Trotzdem könntet ihr beiden währenddessen versuchen das Feuer anzuzünden – versuchen schadet ja nichts! Das Holz ist hinter dem Wigwam. Vielleicht ist es nass. Ihr könntet es im Wigwam anzünden, dann bekommen wir den ganzen Rauch in die Augen. Ihr könntet es auch draußen anzünden und dann fängt es an zu regnen und das Feuer verlöscht. Hier ist meine Zunderbüchse. Ihr wisst nicht, wie man damit umgeht, nehme ich an.«

Aber Eustachius hatte diese Dinge bei seinem letzten Abenteuer gelernt. Die Kinder rannten zusammen zurück zum Wigwam, fanden das Holz (es war vollkommen trocken) und es gelang ihnen, das Feuer ohne die üblichen Schwierigkeiten anzuzünden. Dann setzte sich Eustachius hin und bewachte es, während Jill sich aufmachte, um sich im nächsten Wasserlauf ein wenig zu waschen – was nicht sehr angenehm war. Dann setzte sie sich ans Feuer und Eustachius wusch sich. Danach fühlten sich beide viel frischer, aber sehr hungrig.

Bald darauf gesellte sich der Moorwackler zu ihnen.

Obwohl er gesagt hatte, er würde vermutlich nichts fangen, hatte er ungefähr ein Dutzend Aale mitgebracht, die er schon gehäutet und ausgenommen hatte. Er setzte einen großen Topf auf, schürte das Feuer und zündete seine Pfeife an. Die Moorwackler rauchen einen sehr eigenartigen schweren Tabak (manche sagen, sie würden ihn mit Schlamm mischen) und den Kindern fiel auf, dass der Rauch aus seiner Pfeife kaum in die Luft aufstieg. Er sickerte aus dem Pfeifenkopf heraus nach unten und zog wie Nebel am Boden entlang. Er war sehr dunkel und brachte Eustachius zum Husten.

»So«, sagte Trauerpfützler. »Die Aale müssen ewig lange kochen und sicher wird einer von euch vor Hunger ohnmächtig, bevor sie gar sind. Ich kannte ein kleines Mädchen – aber diese Geschichte erzähle ich euch lieber nicht. Sie könnte euch entmutigen und das will ich ganz und gar nicht. Damit ihr nicht an euren Hunger denkt, könnten wir ja über unsere Pläne reden.«

»Ja, tun wir das«, meinte Jill. »Kannst du uns helfen Prinz Rilian zu finden?«

Der Moorwackler zog seine Wangen nach innen, bis sie hohler waren, als man es für möglich gehalten hätte. »Nun, ich weiß nicht, ob ihr das helfen nennen könnt«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob da überhaupt jemand helfen kann. Es ist ganz klar, dass wir auf unserer Reise nach Norden nicht weit kommen werden, nicht zu dieser Jahreszeit, wo es ja bald Winter wird. Und es wird einen frühen Winter geben, so wie es aussieht. Aber davon dürft ihr euch nicht unterkriegen lassen. Wahrscheinlich wird uns bei all den Feinden, den Bergen, den Flüssen, die wir überqueren müssen, den falschen Wegen, die wir einschlagen werden, dem Hunger, den wir erleiden müssen, und den zerschundenen Füßen das Wetter kaum auffallen. Und wenn wir auch nicht weit genug kommen um etwas auszurichten, so werden wir doch weit genug kommen, um eine Ewigkeit für den Rückweg zu brauchen.«

Beiden Kindern war aufgefallen, dass er »wir« sagte und nicht »ihr«, und beide riefen im gleichen Augenblick: »Du kommst also mit uns?«

»O ja, natürlich. Eigentlich spricht nichts dagegen. Ich glaube nicht, dass wir den König in Narnia jemals wieder zu Gesicht bekommen werden, jetzt wo er zu anderen Ländern aufgebrochen ist: Und er hatte einen bösen Husten bei seiner Abreise. Und was Trumpkin betrifft – mit dem geht es bald zu Ende. Und nach diesem schrecklich trockenen Sommer wird es bestimmt eine schlechte Ernte geben. Und es würde mich nicht wundern, wenn uns ein Feind angriffe. Denkt an meine Worte.«