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»Er hat sich aufgemacht um seinen Vater, den König, in Feeneden zu begrüßen«, antwortete der Faun, dessen Name Goldrenner war. »Das Schiff Seiner Majestät wird jeden Augenblick im Hafen erwartet. Anscheinend hat der König gleich zu Beginn seiner Reise Aslan getroffen – ob im Traum oder von Angesicht zu Angesicht, weiß ich nicht – und Aslan schickte ihn zurück und sagte ihm, er fände bei seiner Rückkehr seinen lange verschollenen Sohn in Narnia vor.«

Eustachius war inzwischen aufgestanden und machte sich mit Jill zusammen daran, Goldrenner bei der Bereitung des Frühstücks zu helfen. Trauerpfützler wurde befohlen im Bett zu bleiben. Ein Zentaur namens Wolkengeburt, ein berühmter Heiler oder (wie Goldrenner ihn nannte) ein »Arzt«, traf ein um sich seinen verbrannten Fuß anzusehen.

»Ah«, bemerkte Trauerpfützler in einem Tonfall, den man fast zufrieden nennen konnte. »Er will mir sicher das Bein amputieren, sollte mich nicht wundern. Ihr werdet schon sehen.« Aber er blieb recht gern im Bett.

Zum Frühstück gab es Rühreier und Toast und Eustachius fiel darüber her, als hätte er seit Wochen nichts zu sich genommen.

»Sohn Adams«, sagte der Faun und schaute fast ehrfürchtig zu, wie Eustachius riesige Bissen hinunterschlang. «So sehr braucht ihr euch auch wieder nicht zu beeilen. Ich glaube nicht, dass die Zentauren mit ihrem Frühstück schon fertig sind.«

»Dann müssen sie aber sehr spät aufgestanden sein«, meinte Eustachius. »Ich wette, es ist schon nach zehn.«

»O nein!«, widersprach Goldrenner. »Sie sind schon vor dem Hellwerden aufgestanden.«

»Dann müssen sie aber ewig lange mit dem Frühstück gewartet haben«, sagte Eustachius.

»Nein, das haben sie nicht«, erklärte Goldrenner. »Sie haben sofort nach dem Aufwachen angefangen.«

»Meine Güte!«, rief Eustachius. »Essen sie so ein großes Frühstück?«

»Verstehst du denn nicht, Sohn Adams? Ein Zentaur hat zwei Mägen, einen Menschenmagen und einen Pferdemagen. Und natürlich wollen beide ein Frühstück. Also isst er zuerst einmal Porridge und gebratene Eier mit Speck und ein Omelett und kalten Schinken und Toast und Marmelade und dazu trinkt er Kaffee und Bier. Danach widmet er sich seinem Pferdemagen, weidet eine Stunde oder so und schließt dann das Mahl mit einem Eimer Wasser, etwas Hafer und einem Sack Zucker ab. Aus diesem Grund ist es so eine ernste Angelegenheit, einen Zentauren übers Wochenende einzuladen. Wirklich eine ernste Angelegenheit.«

In diesem Augenblick hörte man Pferdehufe gegen den Felsen am Höhleneingang klopfen. Die Kinder sahen auf. Die beiden Zentauren standen wartend da, senkten den Kopf ein wenig und schauten in die Höhle herein. Dem einen hing ein schwarzer und dem anderen ein goldener Bart über die stattliche, unbekleidete Brust. Die Kinder grüßten sehr höflich und beendeten rasch ihr Frühstück. Niemand, der einen Zentauren sieht, findet diesen komisch. Zentauren sind feierliche, majestätische Geschöpfe, voll alter Weisheiten, die sie von den Sternen lernen, und es ist nicht einfach, sie zum Lachen zu bringen oder ihnen Angst einzujagen; aber ihr Zorn ist schrecklich wie eine Flutwelle, wenn er erst einmal da ist.

»Leb wohl, lieber Trauerpfützler«, sagte Jill und ging hinüber zum Bett des Moorwacklers. »Es tut mir Leid, dass wir dich einen Miesmacher genannt haben.«

»Mir auch«, erklärte Eustachius. »Du warst der beste Freund, den man sich denken kann.«

»Und ich hoffe, dass wir uns wieder sehen werden«, fügte Jill hinzu.

»Das ist recht unwahrscheinlich, nehme ich an«, entgegnete Trauerpfützler. »Ich glaube auch nicht, dass ich meinen alten Wigwam jemals wieder sehen werde. Und dieser Prinz ist zwar ein netter Kerl, aber glaubt ihr, dass er sehr kräftig ist? Sicher ist seine Gesundheit von der langen Gefangenschaft unter der Erde ruiniert – sollte mich nicht wundern. Er sieht so aus, als könnte es jeden Tag mit ihm zu Ende gehen.«

»Trauerpfützler«, sagte Jill. »Du bist wirklich ein furchtbarer Schwindler. Du hörst dich so traurig an wie ein Totengräber und dabei glaube ich, dass du vollkommen glücklich bist. Und du redest, als wärst du ein Hasenfuß, dabei bist du so mutig wie ein – wie ein Löwe.«

»Nun, da wir gerade von Beerdigungen reden ...«, begann Trauerpfützler. Doch Jill, die hörte, wie die Zentauren hinter ihr mit den Hufen klopften, bereitete ihm eine große Überraschung. Sie warf die Arme um seinen Hals und küsste sein schlammgraues Gesicht, während Eustachius ihm die Hand schüttelte. Dann rannten die beiden Kinder zu den Zentauren. Der Moorwackler ließ sich auf sein Bett zurücksinken und meinte: »Also so was! Dass sie das tut, hätte ich mir nie träumen lassen, obwohl ich ja wirklich ein gut aussehender Kerl bin.«

Ein Ritt auf dem Rücken eines Zentauren ist zweifellos eine große Ehre (und außer Jill und Eustachius lebt in unserer heutigen Welt wohl niemand, dem diese Ehre je zuteil wurde), aber so ein Ritt ist sehr unbequem. Denn niemand, dem sein Leben lieb ist, würde es wagen, einem Zentauren einen Sattel anzulegen, und ohne Sattel zu reiten ist kein Honiglecken, vor allem wenn man – wie Eustachius – überhaupt nicht reiten kann. Auf eine feierliche, wohlwollende Art und Weise waren die Zentauren sehr entgegenkommend, und während sie durch die narnianischen Wälder galoppierten, erzählten sie den Kindern (ohne den Kopf umzuwenden) von den Eigenschaften der Kräuter und Wurzeln, dem Einfluss der Planeten, den neun Namen Aslans und ihrer Bedeutung und ähnlichen Sachen. Aber so wund und durchgerüttelt die beiden Menschenkinder anschließend auch waren, heute gäben sie alles dafür, diese Reise noch einmal erleben zu dürfen: die Schneisen und Hänge noch einmal zu sehen, funkelnd vom Schnee der letzten Nacht, den Kaninchen und Eichhörnchen und Vögeln noch einmal zu begegnen, die ihnen einen guten Morgen wünschten, noch einmal narnianische Luft zu atmen und die Stimmen der narnianischen Bäume zu hören.

Sie kamen weit unterhalb der letzten Brücke (die in dem behaglichen, rot gedeckten Städtchen Beruna liegt) zum Fluss hinunter, der im winterlichen Sonnenschein hell und blau dahinfloss. Sie wurden in einer flachen Barke vom Fährmann übergesetzt. Danach ritten sie am südlichen Ufer des Flusses entlang und kamen schon bald in Feeneden an. Und bei ihrer Ankunft sahen sie dasselbe leuchtende Schiff wie damals, als sie zum ersten Mal den Fuß auf Narnia gesetzt hatten, wie einen riesigen Vogel den Fluss hinaufgleiten. Wieder war der ganze Hofstaat auf der Grünfläche zwischen Schloss und Kai versammelt, um König Kaspian zu Hause willkommen zu heißen. Rilian, der seine schwarze Kleidung abgelegt hatte und jetzt einen scharlachroten Umhang über einer silbernen Rüstung trug, stand barhäuptig nahe am Rand des Wassers um seinen Vater in Empfang zu nehmen; und der Zwerg Trumpkin saß neben ihm in seinem kleinen Eselskarren. Die Kinder sahen, dass es keine Möglichkeit gab, durch die riesige Menge zum Prinzen vorzustoßen, und sowieso waren sie ihm gegenüber jetzt ein wenig befangen. So fragten sie die Zentauren, ob sie noch ein wenig auf ihren Rücken sitzen bleiben dürften, um so über die Köpfe der Höflinge hinweg alles zu sehen. Und die Zentauren gestatteten es ihnen.

Vom Deck des Schiffes schallte ein Tusch aus silbernen Trompeten über das Wasser. Die Seeleute warfen ein Tau, Ratten (Sprechende Ratten natürlich) banden es an Land fest und dann wurde das Schiff hereingezogen. Musiker, die irgendwo in der Menge versteckt standen, begannen einen feierlichen Triumphmarsch zu spielen. Und schon bald wurde die Königsgaleone angelegt und die Ratten rannten den Laufsteg hinauf an Bord.

Jill hatte erwartet, der König würde gleich über den Laufsteg herunterkommen. Aber es schien irgendeine Verzögerung zu geben. Ein blassgesichtiger Lord kam an Land und verbeugte sich vor dem Prinzen und vor Trumpkin. Die drei steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander. Die Musik spielte weiter, aber man spürte, dass alle unruhig wurden. Dann erschienen vier Ritter an Bord, die eine Last trugen und sehr langsam gingen. Als sie den Laufsteg herunterkamen, konnte man erkennen, was sie da trugen: Es war der alte König, der sehr blass und regungslos auf einem Bett lag. Sie stellten ihn ab. Der Prinz kniete sich neben ihm nieder und umarmte ihn. Man konnte sehen, wie König Kaspian die Hand hob um seinen Sohn zu segnen. Und alle jubelten, doch es war nur ein halbherziges Jubeln, denn alle spürten, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Dann fiel der Kopf des Königs plötzlich zurück auf das Kissen, die Musik brach ab und es herrschte Totenstille. Der Prinz, der noch immer am Bett des Königs kniete, legte seinen Kopf darauf und weinte.