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In seiner Freude merkte er nicht, wie der Wächter sich heranschlich und ihn mit einem Stockhieb zu Boden streckte. Den leblosen Körper warf er sich über die Schultern und legte ihn auf einer nahen Müllhalde ab, wo sich der Unrat des ganzen Viertels türmte und in den ersten Morgenstunden verbrannt werden würde.

Dieser Naseweis würde nicht mehr reden können.

VIERZEHN

Der für die strassenreinigung zuständige Beamte ging langsamen Schrittes durch die verschlafenen Gassen des nördlichen Stadtteils von Memphis, sein schlaftrunkenes Töchterchen an der Hand. Noch vor Sonnenaufgang mußte er die Müllhalden zwischen den Häuserblocks niederbrennen. Dieses tägliche Verbrennen von Abfall und Unrat war ein kluges Verfahren. Es hielt die Stadt sauber und entsprach den von der Verwaltung festgesetzten Reinlichkeitsvorschriften. Eine eintönige, doch recht gut bezahlte Arbeit, die zudem das Gefühl verlieh, den Mitmenschen nützlich zu sein.

Er kannte die zwei Familien am Ort, für die Reinlichkeit ein Fremdwort war. Mehrfach hatte er ihnen einen Verweis erteilt, doch nichts hatte sich geändert, jetzt würde er ihnen wohl eine Strafe aufbrummen müssen. Der Mensch ist eben ein träges Tier, murrte er und hob die Stoffpuppe auf, die das Töchterchen hatte fallen lassen. Er tröstete die Kleine, sobald seine Arbeit beendet sei, würde er ihr ein schönes Frühstück machen, und dann würden sie im Garten in der Nähe des Tempels der Göttin Neith im Schatten einer Tamariske ein Schläfchen halten.

Zum Glück war der Müllberg nicht allzu groß. Damit alles schnell brannte, entzündete er mit seiner Fackel gleich mehrere Brandherde.

»Papa… ich möchte die große Puppe dort haben.«

»Was sagst du?«

»Die große Puppe da drüben.«

Das Kind zeigte mit dem Finger auf eine menschliche Gestalt, ein Arm schaute aus dem Abfallhaufen hervor. Der Rauch verschleierte ihn.

»Ich will sie haben, Papa.«

Ärgerlich stapfte der Beamte in den Müllberg hinein, er wollte sich schließlich nicht die Füße verbrennen.

Ein Arm. Der gehörte ja einem Jungen! Vorsichtig legte er den leblosen Körper frei. Am Nacken klebte getrocknetes Blut.

Während der Heimfahrt hatte Ramses seinen Vater nicht mehr gesehen. Nicht das geringste fehlte in seinem Bordtagebuch, der Bericht würde in die königlichen Annalen eingehen, wo die Heldentaten aus Sethos’ sechstem Regierungsjahr für die Nachwelt festgehalten wurden. Der Prinz entledigte sich seines Schreibergewands, legte das Schreibgerät beiseite, plauderte mit der Schiffsbesatzung und legte selbst Hand an. So lernte er, Knoten zu machen, Segel aufzuziehen, ja sogar das Steuer zu bedienen. Vor allem aber machte er sich mit dem Wind vertraut. Hieß es denn nicht, der geheimnisvolle Gott Amun, dessen Aussehen niemand kannte, offenbare sich im Schwellen der Segel, wenn er die Schiffe in den sicheren Hafen trieb? Der Unsichtbare machte sich bemerkbar.

Der Kapitän fand Gefallen daran, weil der Sohn des Königs nicht auf seinen Stand pochte und jede Bevorzugung von sich wies. Daher unterwies er ihn in den tausenderlei Handgriffen, die ein Seemann beherrschen mußte. Ramses verzog keine Miene, er schrubbte das Deck und setzte sich, ohne mit der Wimper zu zucken, auf die Ruderbank. Die Fahrt gen Norden erforderte genaue Kenntnis der Strömung und eine mutige Besatzung.

Die Rückkehr von einer Expedition bot immer Anlaß für ein Freudenfest. Im Haupthafen von Memphis, der den vielsagenden Namen »Gute Reise« trug, drängten sich die Menschen. Sobald sie wieder Fuß auf ägyptischen Boden setzten, bekamen die Seeleute Blütenkränze und Schalen mit kühlem Bier gereicht. Man sang und tanzte ihnen zu Ehren und feierte ihren Mut und die Güte des Flusses, der sie geleitet hatte.

Anmutige Hände legten Ramses einen Kornblumenkranz um den Hals.

»Wird dieser Lohn einem Prinzen genügen?« fragte Iset, die Schöne, mit schalkhaftem Blick.

Ramses machte keine Ausflüchte.

»Du wirst verärgert über mich sein.«

Er nahm sie in den Arm, sie gab sich abweisend.

»Glaubst du, dich wiederzusehen genüge, deine Grobheit zu vergessen?«

»Warum nicht, da ich ja nicht schuldig bin?«

»Selbst bei überstürzter Abreise hättest du mich verständigen können.«

»Den Befehl des Pharaos auszuführen gestattet nicht den geringsten Verzug.«

»Willst du sagen, es…«

»Mein Vater hat mich zum Gebel Silsileh mitgenommen, und das war keine Strafe.«

Iset, die Schöne, gab sich zärtlich.

»Auf solch einer langen Reise in seiner Gesellschaft, da dürfte er dir etliches anvertraut haben.«

»Du irrst, ich war Schreiber, Steinhauer und Matrose.«

»Aus welchem Grund hat er dir dann diese Reise auferlegt?«

»Das weiß nur er allein.«

»Ich habe deinen Bruder gesehen, er hat mir gesagt, du habest deine Stellung verwirkt und würdest dich im Süden niederlassen und dort einen kümmerlichen Posten bekleiden.«

»In den Augen meines Bruders ist alles kümmerlich, nur nicht er selbst.«

»Aber nun bist du nach Memphis zurückgekehrt, und ich gehöre dir.«

»Du bist schön und klug; zwei für eine große königliche Gemahlin unerläßliche Bedingungen.«

»Chenar will mich noch immer heiraten.«

»Warum zögerst du? Es ist nicht klug, eine hohe Bestimmung zurückzuweisen.«

»Ich bin nicht klug, sondern verliebt in dich.«

»Die Zukunft…«

»Mich interessiert nur die Gegenwart. Meine Eltern sind auf dem Lande, das Haus ist leer, wäre es nicht bequemer als eine Schilfhütte?«

War es Liebe, diese unbändige Lust, die er mit Iset, der Schönen, teilte? Ramses fragte es sich vergeblich. Es war ihm genug, diese sinnliche Leidenschaft auszuleben, diese berauschenden Momente auszukosten, da ihre Körper sich so aufeinander einspielten, daß sie nur mehr ein einziges Wesen bildeten, das von einem Strudel fortgerissen wurde. Mit ihren Liebkosungen reizte und weckte seine Geliebte sein Begehren, das niemals versiegte. Wie schwer es doch war, sie zu verlassen, wenn sie nackt und sehnsüchtig dalag und ihm die Arme entgegenstreckte, um den Geliebten bei sich zu behalten!

Zum erstenmal hatte Iset, die Schöne, von Heirat gesprochen. Der störrische Prinz zeigte sich nicht begeistert. Sosehr ihm die Gefährtin gefiel, sowenig konnte er sich mit dem Gedanken, ein Paar zu bilden, anfreunden. Gewiß, sie waren bereits Mann und Frau, trotz ihres jugendlichen Alters, und niemand hätte sich ihrer Verbindung widersetzt. Aber Ramses hielt sich noch nicht für fähig, sich in ein Abenteuer dieser Art zu stürzen. Iset machte ihm keinerlei Vorwurf, nahm sich aber vor, ihn zu überzeugen. Je besser sie ihn kennenlernte, um so größeres Vertrauen setzte sie in ihn. Mochte er sich verhalten, wie sein Verstand es ihm gebot, sie würde ihrem Instinkt folgen. Ein Wesen, das so viel Liebe schenkte, war ein unersetzlicher Schatz, war kostbarer als jeglicher Reichtum.

Ramses begab sich ins Palastviertel, in die Stadtmitte. Ameni dürfte schon ungeduldig auf seine Rückkehr warten. Ob er seine Nachforschungen fortgesetzt und Ergebnisse erzielt hatte?

Ein Bewaffneter stand vor dem Eingang der Prinzengemächer.

»Was geht hier vor?«

»Bist du Prinz Ramses?«

»Ich bin es.«

»Dein Schreiber wurde überfallen, daher hat man mir befohlen, über ihn zu wachen.«

Ramses eilte zum Schlafzimmer seines Freundes.