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Der Aufbruch des Heers in einen Feldzug bot Anlaß zu einem Fest. Die Bevölkerung erhielt einen arbeitsfreien Tag und ertränkte ihre Sorgen wie immer in Bier. Wer zweifelte denn ernsthaft an Sethos’ Sieg?

Trotz seines persönlichen Triumphs war Chenar nicht frei von Angst. Im Kampf konnte es immer auch den besten Soldaten treffen. Der Gedanke, er könne verwundet oder verunstaltet werden, verursachte ihm Übelkeit. An der Front würde er vor allem darauf bedacht sein, sich selbst zu schützen, und die gefährlichen Aufgaben lieber anderen überlassen.

Wieder einmal war das Glück auf seiner Seite, denn während dieses Feldzugs würde er Gelegenheit haben, mit seinem Vater zu sprechen und seine Zukunft zu entwerfen. Diese Aussicht lohnte die Anstrengung, wenn es auch hart war, auf die Annehmlichkeiten des Palastlebens zu verzichten.

Ramses’ Enttäuschung war das beste Antriebsmittel.

Dieser Haufen Provinzler mißfiel Bakhen. Wenn Krieg drohte, wurden Soldaten ausgebildet, Freiwillige, die von Heldentaten in lernen Ländern träumten. Doch dieser Trupp grobschlächtiger Bauerntölpel würde über die Vororte von Memphis nicht hinauskommen und schleunigst auf die Felder zurückkehren. Bakhen, der Aufseher der Stallungen des ganzen Königreichs, mußte eben auch junge Rekruten ausbilden.

Mit seiner tiefen und heiseren Stimme befahl er ihnen, einen Sack Steine vom Boden zu heben, ihn sich auf die rechte Schulter zu schwingen und an den Kasernenmauern entlangzulaufen, bis er Einhalt gebot.

So ging das Aussieben zwar brutal, aber schnell vonstatten. Die meisten hatten ihre Kräfte falsch eingeschätzt. Atemlos setzten sie ihre Last ab. Bakhen geduldete sich ein Weilchen und brach den Drill ab, als noch etwa fünfzig Anwärter im Rennen waren.

Erstaunt vermeinte er einen von ihnen schon einmal gesehen zu haben. Er war gut einen Kopf größer als seine Kameraden und offensichtlich noch erstaunlich frisch.

»Prinz Ramses! Dem Platz ist nicht hier.«

»Ich möchte diese Ausbildung durchstehen und meine Befähigung bestätigt bekommen.«

»Aber so etwas brauchst du doch nicht! Es genügt, daß du…«

»Auf Papyrus kann man keinen Soldaten ausbilden, das weißt du selbst am besten!«

Überrumpelt drehte Bakhen an den Lederbändern, die seine Armmuskeln noch betonten.

»Das ist eine heikle…«

»Hast du etwa Angst, Bakhen?«

»Ich und Angst? Also, angetreten!«

Drei endlose Tage lang drillte Bakhen die Männer und forderte dabei ihre Kräfte bis aufs äußerste. Dann sonderte er die zwanzig Zähesten aus: Ramses war unter ihnen.

Am vierten Tag begann die Ausbildung an den Waffen: Knüppel, Kurzschwert, Schild. Bakhen gab nur ein paar Hinweise und hetzte die jungen Männer gegeneinander.

Sobald einer von ihnen am Arm verletzt wurde, legte Ramses sein Schwert auf den Boden. Die Kameraden machten es ihm nach.

»Was fällt euch ein?« brüllte Bakhen. »Los, weiter! Sonst könnt ihr gleich das Feld räumen!«

Die Rekruten beugten sich den Forderungen des Ausbilders, Schwächlinge und Tolpatsche wurden ausgesondert. Am Ende blieben nur zwölf Freiwillige übrig, die er für fähig hielt, Berufssoldaten zu werden.

Ramses hielt durch, zehn Tage Drill hatten seine Begeisterung nicht zu schmälern vermocht.

»Ich brauche einen Offizier«, erklärte Bakhen am Morgen des elften Tages.

Mit einer Ausnahme bewiesen alle Kandidaten gleiches Geschick im Umgang mit dem Akazienholzbogen, dessen Pfeile in gerader Linie hundert Ellen weit flogen.

Bakhen war zufrieden und erstaunt und zeigte ihnen daraufhin einen sehr großen Bogen, dessen Innenseite mit Horn überzogen war. Dann brachte er in dreihundert Ellen Entfernung von den Schützen eine Kupferplatte an.

»Nehmt diese Waffe und durchbohrt diese Scheibe.«

Den meisten gelang es nicht einmal, den Bogen zu spannen. Zweien gelang ein Schuß, doch ihre Pfeile flogen nicht weiter als zweihundert Ellen.

Ramses trat als letzter an, spöttisch von Bakhen beäugt. Drei Pfeile standen ihm zu, wie seinen Kameraden.

»Ein Prinz sollte sich nie der Lächerlichkeit preisgeben. Es haben schon Stärkere als du versagt.«

Ramses hatte nur Augen für die Zielscheibe, nichts anderes war ihm mehr wichtig.

Den Bogen zu spannen verlangte schon unermeßliche Kräfte; mit schmerzenden Muskeln bezwang er die Sehne aus Ochsendarm.

Der erste Pfeil schoß links am Ziel vorbei. Bakhen lachte höhnisch.

Ramses hielt den Atem an und schoß den zweiten Pfeil ab. Er flog über die Kupferscheibe hinaus.

»Dein letzter Versuch«, verkündete Bakhen.

Der Prinz schloß die Lider und hielt sie eine Weile fest geschlossen, um sich das Ziel innerlich vor Augen zu führen. Er redete sich ein, es sei ganz nah und er selbst sei nun der Pfeil, der den heftigen Wunsch verspüre, sich mit dem Kupfer zu vereinen.

Der letzte Schuß kam einer Befreiung gleich. Der Pfeil sirrte durch die Luft wie eine kampflustige Hornisse und durchbohrte die Scheibe.

Die Rekruten beklatschten den Sieger, Ramses gab Bakhen den Bogen zurück.

»Noch eine letzte Prüfung«, befand der Ausbilder, »ein Ringkampf, bei dem du gegen mich antreten wirst.«

»Gehört das dazu?«

»Bei mir gehört es dazu. Solltest du Angst haben, gegen mich anzutreten?«

»Ernenne mich zum Offizier.«

»Schlag dich, beweise, daß du fähig bist, gegen einen echten Soldaten anzutreten!«

Ramses war zwar größer als Bakhen, aber nicht so muskulös und längst nicht so geübt. Daher mußte er auf die Schnelligkeit seiner Reflexe setzen. Der Ausbilder griff ohne Vorwarnung an, der Prinz wich aus, und Bakhens Faust streifte seine linke Schulter. Fünfmal nacheinander gingen die Angriffe des Ausbilders ms Leere, dann gelang es ihm, das linke Bein seines Gegners zu packen und ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mit einem Fußtritt ins Gesicht befreite Ramses sich jedoch und hieb mit der Handkante auf Bakhens Nacken ein.

Ramses glaubte den Zweikampf schon gewonnen, als Bakhen, wütend und in seinem Stolz verletzt, auf die Beine sprang und seinen gesenkten Kopf dem Prinzen in die Brust rammte.

Iset, die Schöne, betupfte die Brust ihres Geliebten mit einem Balsam, der den Schmerz sogleich linderte.

»Besitze ich nicht heilende Hände?«

»Wie dumm ich war«, murmelte Ramses.

»Dieses Ungeheuer hätte dich töten können.«

»Er tat nur seine Arbeit. Ich habe einen Fehler gemacht, weil ich glaubte, ihn besiegt zu haben. An der Front wäre ich jetzt längst tot.«

Isets Hände wurden noch zärtlicher und noch leidenschaftlicher.

»Ich bin so glücklich, daß du hiergeblieben bist! Krieg ist ein Greuel.«

»Manchmal ist er notwendig.«

»Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich liebe.«

Mit der Geschmeidigkeit einer Katze legte sich die junge Frau über ihren Geliebten.

»Vergiß Kampf und Gewalt, bin ich denn nicht viel angenehmer?«

Ramses stieß sie nicht zurück und ließ der Lust, die sie ihm schenkte, freien Lauf. Dabei empfand er noch ein tieferes Glück, von dem er nichts sagte: er hatte sein Offizierspatent erworben.

ZWEIUNDZWANZIG

Die heimkehr der ägyptischen Armee wurde prunkvoll gefeiert. Im Palast hatte man ihr Vorankommen angstvoll verfolgt. Die Libanesen hatten nur wenige Tage Widerstand geleistet und sehr bald dem Pharao ihre unverbrüchliche Treue und ihre unbeirrbare Ergebenheit bekundet. Als Tribut hatte Sethos Zedern erster Güte gefordert, um neue Masten vor den Tempeln zu errichten und etliche Götterbarken anfertigen zu lassen, die in der Prozession mitgeführt werden sollten. Einstimmig erklärten die Fürsten des Libanon den Pharao zur Inkarnation von Re, dem göttlichen Licht, das auch ihnen Leben spendete.