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Im Halbschlaf sann der junge Schreiber darüber nach, daß er sich vielleicht einen Stock verschaffen müßte. Vielleicht müßte er ja kämpfen?

»Hast du schon aufgegeben?«

Ameni öffnete die Augen und fuhr hoch.

Da stand Setaou vor ihm, mit fünf Eseln, die mit Wasserschläuchen und allem, was man für den Kampf gegen die Wüste brauchte, beladen waren.

ZWEIUNDVIERZIG

Iset, die schöne, stürmte herein, während Chenar und einige Würdenträger sich an Rinderbraten mit würziger Soße ergötzten.

»Wie könnt ihr euch den Bauch vollschlagen, während Ägypten in Gefahr ist!«

Die Würdenträger blickten betreten drein. Chenar erhob sich, entschuldigte sich und verließ mit der jungen Frau den Speisesaal.

»Was soll dieser Überfall?«

»Laß meinen Arm los!«

»Du untergräbst deinen Ruf. Weißt du nicht, daß meine Gäste hohe Persönlichkeiten sind?«

»Ich pfeif darauf!«

»Warum diese Aufregung?«

»Weißt du denn nicht, daß Sethos und Ramses in der östlichen Wüste verschollen sind?«

»Die Königin ist anderer Ansicht.«

Iset, die Schöne, war entwaffnet.

»Die Meinung der Königin…«

»Meine Mutter ist überzeugt, daß der Pharao nicht in Gefahr ist.«

»Aber kein Mensch hat irgendwelche Nachricht!«

»Du erzählst mir nichts Neues.«

»Du mußt Truppen ausheben und sie suchen gehen.«

»Etwas gegen den Willen meiner Mutter zu tun wäre ein unverzeihlicher Fehltritt.«

»Weiß sie denn etwas?«

»Sie spürt es.«

Die junge Frau riß die Augen auf.

»Soll das ein übler Scherz sein?«

»Die Wahrheit, liebe Iset, das ist nichts als die Wahrheit.«

»Was bedeutet dieses unvorstellbare Verhalten?«

»Daß bei Abwesenheit des Pharaos die Königin regiert und wir gehorchen.«

Chenar war nicht unzufrieden. Die aufgeregte und besorgte Iset würde den schlimmsten Gerüchten über Tuja neue Nahrung geben. Der hohe Rat müßte sie um Erklärungen bitten, ihr Ruf würde Schaden leiden, und schließlich würde man ihn ersuchen, die Leitung der Staatsgeschäfte zu übernehmen.

Ramses marschierte an der Spitze des Trupps, der heimwärts zog aus der östlichen Wüste. Sie hatten eine Kapelle und Häuser für die Goldgräber gebaut, die dadurch bessere Arbeitsbedingungen erhielten. Die vom König entdeckte Wasserader würde den Brunnen über Jahre hinweg speisen. Die Esel waren mit Säcken voll feinstem Gold beladen. Kein Mann war zu Tode gekommen. Der Pharao und der Regent waren stolz, den Trupp vollzählig nach Hause zu bringen. Einige humpelten und freuten sich auf ein paar Wochen Ruhe nach der Rückkehr. Ein Grubenarbeiter, den ein schwarzer Skorpion gestochen hatte, wurde auf einer Bahre getragen. Er hatte hohes Fieber und Schmerzen in der Brust, was den begleitenden Feldscher beunruhigte.

Als Ramses über eine Anhöhe kam, erblickte er in der Ferne einen winzigen grünen Fleck.

Die ersten Felder am Rande der Wüste! Er wandte sich um und verkündete die gute Nachricht. Freudenrufe stiegen zum Himmel auf.

Ein Wachmann mit Adlerblick wies mit dem Finger auf eine Felskuppe.

»Eine winzige Karawane kommt auf uns zu.«

Ramses sammelte sich, sah zuerst nur leblose Gesteinsblöcke, doch dann erkannte auch er ein paar Esel und zwei Reiter.

»Das ist sehr ungewöhnlich«, sagte der Wachmann. »Ich möchte schwören, daß es Diebe sind, die in die Wüste zu entkommen suchen. Fangen wir sie ab.«

Ein Teil des Trupps schwärmte aus.

Kurz danach führten sie dem Regenten die zwei Gefangenen vor. Setaou wetterte, Ameni war einer Ohnmacht nahe.

»Ich wußte, daß ich dich finden würde«, hauchte er Ramses ins Ohr, während Setaou sich schon um den vom Skorpion gebissenen Grubenarbeiter kümmerte.

Chenar war der erste, der seinen Vater und seinen Bruder beglückwünschte. Sie hatten wahrlich eine Leistung vollbracht, die in die Annalen eingehen würde. Chenar erbot sich, die Schilderung zu übernehmen, doch Sethos übertrug diese Aufgabe Ramses, der wiederum Ameni hinzuziehen würde, da dieser jedes Wort sorgfältig abwägen und im Stil auch den richtigen Ton finden würde. Alle, die an der Expedition teilgenommen hatten, berichteten bereitwilligst von dem Wunder, das der Pharao vollbracht hatte und das sie vor einem grauenvollen Tod bewahrt hatte.

Nur Ameni stimmte nicht ein in den allgemeinen Jubel. Ramses hielt seine angegriffene Gesundheit für die Ursache seiner trüben Stimmung, doch er wollte es genauer wissen.

»Was für ein Kummer nagt an dir?«

Auf diese Frage war der junge Schreiber gefaßt gewesen. Nur wenn er die Wahrheit sagte, konnte er sich wieder frei fühlen.

»Ich habe an deiner Mutter gezweifelt und geglaubt, sie wolle die Macht an sich reißen.«

Ramses lachte schallend.

»Dieses ewige Arbeiten tut dir nicht gut, mein Freund. Ich werde dich zwingen müssen, auch mal an der frischen Luft spazierenzugehen.«

»Da sie es ablehnte, einen Hilfstrupp auszusenden…«

»Weißt du denn nicht, daß zwischen dem Pharao und der großen königlichen Gemahlin unsichtbare Bande bestehen?«

»Ich werde es mir merken, das kannst du mir glauben.«

»Da ist noch etwas Befremdliches, das mich überrascht. Wieso ist Iset noch nicht da, um mich zärtlich zu empfangen?«

Ameni senkte den Kopf.

»Sie hat sich genauso schuldig gemacht wie ich.«

»Welchen Fehler hat sie begangen?«

»Sie hat auch geglaubt, deine Mutter führe etwas im Schilde, und das hat sie scharf verurteilt und schmählich angeprangert.«

»Laß sie holen.«

»Wir haben uns vom Schein trügen lassen, wir…«

»Laß sie holen.«

Iset, die Schöne, vergaß sich zu schminken und warf sich Ramses zu Füßen.

»Verzeih mir, ich flehe dich an!«

Ihr offenes Haar fiel über ihre feingliedrigen Arme, mit denen sie die Fesseln des Geliebten umschlang.

»Ich war so besorgt, so aufgewühlt…«

»War das ein Grund, meine Mutter solcher Torheit zu verdächtigen und, was schlimmer wiegt, ihren Namen zu beschmutzen?«

»Verzeih mir.«

Iset weinte.

Ramses hob sie auf, sie preßte sich an ihn und schluchzte an seiner Schulter weiter.

»Zu wem hast du gesprochen?« fragte er streng.

»Mal hier, mal da, ich weiß es nicht mehr. Ich war wahnsinnig vor Angst, ich wollte erreichen, daß man dich suchen ging.«

»Grundlose Beschuldigungen könnten dich vor das Gericht des Wesirs bringen. Sollte man dir nachweisen, daß du den hohen Namen beleidigt hast, droht dir Kerker oder Verbannung.«

Iset schluchzte jämmerlich. Mit der Kraft der Verzweiflung klammerte sie sich an Ramses.

»Ich werde für dich eintreten, da dein Kummer glaubhaft ist.«

Gleich nach seiner Rückkehr hatte der Pharao das Steuer wieder übernommen, das Tuja stets, wenn er abwesend war, mit kundigen Händen lenkte. Die hohen Amtsinhaber vertrauten der Königin, denn ihr war tägliche Arbeit wichtiger als politisches Ränkespiel, dem nur allzu viele Höflinge huldigten. War Sethos gezwungen, den Vorsitz in der Regierungsversammlung abzutreten, konnte er dies unbesorgt tun. Er wußte, daß seine Gemahlin ihn nicht verraten und das Land mit Besonnenheit und Scharfsinn lenken würde.

Gewiß, auch Ramses hätte er mit Regierungsgeschäften betrauen können, doch der König zog es vor, ihn nach und nach Einblick gewinnen zu lassen, ihm seine Erfahrung durch Eindrücke zu vermitteln und seinen Sohn nicht einfach auszusetzen auf dem eng gesteckten Kampfplatz der Macht, wo so viele Fallstricke ausgelegt waren.

Stark war Ramses, er besaß auch innere Größe. Er hatte das Zeug zum Herrschen und Gegnern jedweder Gestalt die Stirn zu bieten, aber wäre er fähig, die erdrückende Einsamkeit eines Pharaos zu ertragen? Um ihn darauf vorzubereiten, mußte Sethos ihm noch viele geistige Prüfungen auferlegen. Es lag noch ein gutes Stück Weges vor ihm.