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Tuja stellte dem Herrscher Nefertari vor. Die junge Frau war wie gebannt, brachte kein Wort hervor und verneigte sich nur. Sethos beobachtete sie kurz und empfahl ihr dann größte Gewissenhaftigkeit bei der Ausübung ihrer Pflichten. Die Leitung des Hofstaats der großen königlichen Gemahlin erforderte hohen Einsatz und Verschwiegenheit. Nefertari zog sich zurück, ohne es gewagt zu haben, den König anzublicken.

»Du warst sehr streng mit ihr«, bemerkte Tuja.

»Sie ist noch sehr jung.«

»Hätte ich sie eingestellt, wenn sie nicht fähig wäre?«

»Sie verfügt über erstaunliche Fähigkeiten.«

»Gewünscht hatte sie sich, für ewig in der Abgeschiedenheit des Tempels zu dienen.«

»Wie gut ich sie verstehe! Da hast du ihr ein hartes Los auferlegt.«

»Das stimmt.«

»Mit welcher Absicht?«

»Ich weiß es selbst noch nicht. Als ich sie sah, erkannte ich in Nefertari eine ganz außergewöhnliche Frau. Sie wäre glücklich gewesen in der Abgeschiedenheit des Tempels, doch mein Gespür sagte mir, daß ihr etwas anderes vorbestimmt ist. Sollte ich mich geirrt haben, wird sie ihren Weg gehen.«

Ramses stellte seiner Mutter den goldgelben Hund Wächter und den nubischen Löwen Schlächter erstmals zusammen vor. Die beiden Gefährten des Regenten, die zu spüren schienen, daß ihnen hier eine Ehre zuteil wurde, benahmen sich mustergültig. Nachdem sie vom Koch der Königin zu fressen bekommen hatten, genossen sie das unvergleichliche Vergnügen eines Mittagschläfchens im Schatten einer Palme, wobei der Kopf des einen bei den Füßen des anderen lag.

»Es war eine Freude, euch drei zu sehen«, sagte Tuja, »aber was war dein wirklicher Anlaß?«

»Iset, die Schöne.«

»Habt ihr eure Verlobung gelöst?«

»Sie hat einen schweren Fehler begangen.«

»Ist ihr Vergehen so schlimm?«

»Sie hat die Königin Ägyptens verleumdet.«

»Inwiefern?«

»Indem sie dich beschuldigte, das Verschwinden des Königs eingefädelt zu haben, um seinen Platz einzunehmen.«

Ramses war verdutzt: seine Mutter schien belustigt.

»Nahezu die Gesamtheit der Höflinge und der edlen Damen waren der gleichen Meinung. Man sparte nicht mit Vorwürfen, weil ich keine Hilfstrupps aussandte. Dabei wußte ich, daß ihr unversehrt wart, Sethos und du. Trotz unserer Tempel und Rituale wissen nur sehr wenige, daß es möglich ist, über Zeit und Raum hinweg im Geiste verbunden zu sein.«

»Wird Iset angeklagt werden?«

»Ihr Verhalten war verständlich.«

»Bedrückt dich so viel Undankbarkeit und Ungerechtigkeit denn nicht?«

»Das ist das Wesen der Menschen. Wichtig ist nur, daß sie nicht das Land regiert.«

Eine junge Frau legte Sendschreiben auf ein niedriges Tischchen zur Linken der Königin und verschwand auch schon wieder, lautlos und unbemerkt. Ihre flüchtige Anwesenheit war wie ein Lichtstrahl im Blattwerk der Bäume gewesen.

»Wer ist sie?« fragte Ramses.

»Nefertari, meine neue Hofmeisterin.«

»Ich bin ihr schon früher begegnet. Wie hat sie eine so hohe Stellung erlangt?«

»Es hat sich einfach so ergeben. Sie war nach Memphis bestellt worden, um Priesterin im Hathor-Tempel zu werden, und dort fiel sie mir auf.«

»Aber das ist ja das Gegenteil ihrer Bestimmung, was du ihr nun anbietest!«

»Unsere jungen Mädchen werden in den Harims für die unterschiedlichsten Aufgaben ausgebildet.«

»So viel Verantwortung für eine so junge Frau!«

»Du selbst bist doch auch erst siebzehn Jahre alt. In des Königs wie auch in meinen Augen zählt einzig und allein, was das Herz und die Tatkraft zu leisten vermögen.«

Ramses war verwirrt. Nefertaris Schönheit schien aus einer anderen Welt zu stammen. Ihr kurzes Zugegensein hatte sich ihm eingeprägt wie ein Augenblick der Gnade.

»Beruhige Iset«, riet Tuja, »ich werde nicht Klage erheben gegen sie. Doch lernen soll sie, Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden. Wenn sie dazu nicht fähig ist, soll sie zumindest schweigen.«

DREIUNDVIERZIG

Seinem Amte gemäss festlich gekleidet, schritt Ramses an der Anlegestelle des Hafens mit dem Namen »Gute Reise« ungeduldig auf und ab. Das Stadtoberhaupt von Memphis, der Oberaufseher über die Schifffahrt, der für ausländische Gäste zuständige Beamte und eine beeindruckende Menge Wachen umringten ihn. In Kürze würden die zehn griechischen Schiffe hier anlegen.

Anfangs hatten die Küstenwachen einen Angriff befürchtet. Ein Teil der ägyptischen Kriegsflotte hatte sich sofort bereit gemacht, den Eindringling zurückzuschlagen. Doch die Fremden hatten ihre friedliche Absicht kundgetan und dem Wunsch Ausdruck verliehen, in Memphis anlegen zu dürfen und dem Pharao vorgestellt zu werden.

Mit Geleitbooten fuhren sie den Nil hinauf und erreichten am Ende eines windigen Vormittags die Hauptstadt. Hunderte von Schaulustigen waren voller Neugierde zu den Ufern geeilt. Dies war doch nicht der Zeitpunkt, wo fremdländische Gesandte mitsamt Gefolge ihre Abgaben zu entrichten pflegten! Aber diese prunkvollen Schiffe zeugten von Reichtum, das ließ sich nicht übersehen. Sollten die Ankömmlinge Sethos prächtige Geschenke machen wollen?

Geduld war nicht Ramses’ Stärke, und auch seine diplomatischen Fähigkeiten schienen ihm äußerst gering. Fremde willkommen zu heißen war ihm eine Last. Ameni hatte eine kleine Begrüßungsrede vorbereitet, doch sie klang so langweilig und beschwichtigend, daß Ramses die ersten Worte längst wieder vergessen hatte. Wäre Acha doch bloß hier, er hätte das alles spielend gemeistert!

Die griechischen Schiffe sahen recht mitgenommen aus. Da war viel auszubessern, bevor sie wieder auf hohe See gehen könnten. An einigen waren sogar Brandspuren zu erkennen. Die Überquerung des Mittelmeers dürfte nicht ganz ohne Zusammenstöße mit Seeräubern verlaufen sein.

Das Leitschiff legte geschickt an, obwohl ein Teil der Segel beschädigt war. Ein Steg wurde ausgeworfen, und dann trat Stille ein.

Wer landete da und wollte den Fuß auf ägyptischen Boden setzen?

Es erschien ein Mann von mittlerer Größe mit breiten Schultern, blondem Haar und nicht gerade ansprechenden Gesichtszügen. Er war etwa fünfzig Jahre alt, trug Rüstung und Beinschienen, hielt aber zum Zeichen seiner friedlichen Absichten seinen ehernen Helm vor die Brust.

Hinter ihm schritt eine große, schöne Frau mit weißen Armen. Sie war angetan mit einem Purpurmantel, und auf dem Kopf trug sie ein Diadem als Zeichen ihrer hohen Abstammung.

Das Paar kam den Steg herab und machte vor Ramses halt.

»Ich bin Ramses, Regent des Königreichs Ägypten, und heiße dich im Namen des Pharaos willkommen.«

»Ich bin Menelaos, Sohn des Atreus, König von Lakedämon, und dies ist meine Gemahlin Helena. Wir kommen aus der verfluchten Stadt Troja, die wir nach zehnjährigen harten Kämpfen besiegt und zerstört haben. Viele meiner Freunde sind tot, und der Sieg hat einen bitteren Beigeschmack. Wie du siehst, sind die mir noch verbliebenen Schiffe in schlechtem Zustand, meine Soldaten und meine Seeleute sind erschöpft. Wird Ägypten uns gestatten, neue Kräfte zu sammeln, bevor wir uns auf die Heimreise machen?«

»Die Antwort darauf gebührt allem dem Pharao.«

»Ist das eine verschleierte Verweigerung?«

»Offenheit ist meine Art.«

»Um so besser. Ich bin Krieger und habe schon viele Menschen getötet, du ganz sicher nicht.«

»Wie kann ich etwas beteuern, ohne es zu wissen?«

Die kleinen schwarzen Augen Menelaos’ funkelten vor Zorn.

»Wärest du einer meiner Untergebenen, hätte ich dir das Rückgrat schon gebrochen.«