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»Nein, wirklich nicht.«

»Du hast nur noch Augen für Nefertari. Verständlicherweise. Zum Glück jedoch hast du mich. Ich wache und horche.«

»Und was hörst du?«

»Beunruhigendes Gerede. Man versucht dein Ansehen zu untergraben.«

»Trägt Chenar die Schuld daran?«

»Dein Bruder befleißigt sich erstaunlicher Zurückhaltung seit einigen Monaten. Im Gegenzug wird aber das abschätzige Gemunkel bei Hofe immer lauter.«

»Das ist lästig, aber unwichtig.«

»Da bin ich aber anderer Meinung.«

»All diese Schwätzer werde ich schon das Schweigen lehren!«

»Das wissen sie«, bemerkte Ameni. »Darum werden sie sich gegen dich auflehnen.«

»Außerhalb der Palasthallen oder der Empfangssäle ihrer prächtigen Villen haben sie keinen Funken Mut.«

»Da magst du recht haben, doch ich fürchte, sie werden sich gegen dich verbünden.«

»Sethos hat seinen Nachfolger bestimmt. Alles übrige ist Geschwätz.«

»Glaubst du, Chenar verzichtet freiwillig auf den Thron?«

»Du sagst doch selbst, daß er gefügig geworden ist.«

»Genau das beunruhigt mich. Es paßt so gar nicht zu ihm!«

»Du machst dir zu viele Sorgen, mein Freund. Sethos schützt uns.«

»Solange er lebt«, dachte Ameni bei sich. Er war entschlossen, Ramses zu warnen, denn die Stimmung wurde immer unbehaglicher.

FÜNFZIG

Ramses’ und Nefertaris tochter hatte nur zwei Monate gelebt. Das schwächliche Kind, das auch nicht essen wollte, war ins Reich der Schatten heimgekehrt. Der Kummer der jungen Frau hatte den Ärzten viel Sorge bereitet. Drei Wochen lang hatte Sethos ihr täglich die Hände aufgelegt, um ihr die notwendige Kraft zu verleihen, diesen Schmerz zu überwinden.

Der Regent leistete seiner Gemahlin hilfreichen Beistand. Kein Ton der Klage kam über Nefertaris Lippen. Allzugern raffte der Tod Neugeborene dahin, ungeachtet ihrer Herkunft. Aus ihrer Liebe zu Ramses würde ein neues Kind entstehen.

Der kleine Kha war gesund. Eine Amme nahm sich seiner an, während Iset, die Schöne, in den höheren Kreisen Thebens mehr und mehr Fuß faßte. Sie hatte ein offenes Ohr für die Klagen Dolentes und ihres Gatten und wunderte sich über Ramses’ ungerechte Entscheidung. In der großen Stadt des Südens fürchtete man seine Thronbesteigung, denn er galt als Despot, der sich um das Gesetz der Maat recht wenig scherte. Iset erhob zwar Einwände, doch angesichts der vielen Klagen verschlug es ihr die Sprache. War ihr Geliebter wirklich ein machtbesessener Tyrann, ein völlig gefühlloses Ungeheuer?

Abermals fielen ihr Chenars Worte ein.

Sethos gönnte sich keine Ruhe mehr. Sobald seine Verpflichtungen es ihm erlaubten, ließ er Ramses kommen. Im Garten des Palastes führten Vater und Sohn lange Gespräche. Sethos, der am Schreiben keinerlei Gefallen fand, vermittelte seine Lehren lieber mündlich. So mancher König vor ihm hatte »Lehren« verfaßt und seinem Nachfolger Weisungen für das Regierungsamt hinterlassen. Er sprach lieber. Der Junge sollte den Worten des Alten lauschen.

»Genügen wird dieses Wissen nicht«, mahnte er, »aber es ist doch immerhin so viel wert wie Schild und Schwert für einen Fußsoldaten. Du wirst dich verteidigen und angreifen können. Zeiten des Glücks wird jeder sich selbst zuschreiben, doch sobald Unglück hereinbricht, wirst du der einzig Schuldige sein. Wenn dir ein Fehler unterläuft, suche die Schuld nur bei dir, bei keinem anderen, und dann berichtige ihn. Die gerechte Ausübung der Macht ist die ständige Berichtigung des Denkens und Handelns. Es ist an der Zeit, daß ich dir eine Aufgabe übertrage, die du an meiner Stelle bewältigen mußt.«

Diese Ankündigung erfreute Ramses ganz und gar nicht. Für lange Zeit hätte er seinem Vater noch weiter zuhören mögen.

»Ein kleines nubisches Dorf begehrt auf gegen die Verwaltung des Vizekönigs. Die mir zugegangenen Berichte sind wirr. Begib dich vor Ort und fälle eine Entscheidung im Namen des Pharaos.«

Nubien war wieder so betörend, daß Ramses beinahe vergessen hätte, daß er diese Reise nicht zur Erquickung unternahm. Nichts lastete auf seinen Schultern, die laue Luft, das Rascheln des Windes in den Dumpalmen, der Ocker der Wüste und das Rot der Felsen stimmten seine Seele heiter. Fast war er versucht, die Soldaten nach Ägypten zurückzuschicken und allein einzutauchen in diese herrliche Landschaft.

Doch der Vizekönig von Nubien verneigte sich vor ihm, wortreich und beflissen.

»Haben meine Berichte euch Klarheit verschafft?«

»Sethos befand sie als verworren.«

»Die Lage ist aber doch klar! Dieses Dorf hat sich aufgelehnt. Es muß ausgerottet werden.«

»Hattest du Verluste zu beklagen?«

»Nein, dank meiner Vorsicht. Ich wartete auf dein Kommen.«

»Warum bist du nicht sofort eingeschritten?«

Der Vizekönig geriet ins Stammeln.

»Was weiß man denn? Wenn sie sehr zahlreich sind, dann…«

»Bring mich hin!«

»Ich habe eine Erfrischung vorbereitet und…«

»Gehen wir.«

»Bei dieser Hitze? Ich dachte, zu späterer Stunde sei es vielleicht angenehmer.«

Ramses’ Wagen fuhr bereits los.

Das kleine nubische Dorf schlummerte im Schatten eines Palmenhains am Ufer des Nils. Die Männer melkten die Kühe, die Frauen bereiteten das Essen zu, und Kinder badeten nackt im Fluß. Magere Hunde schliefen vor den Hütten.

Die ägyptischen Soldaten waren auf die umhegenden Hügel ausgeschwärmt. Ihre zahlenmäßige Überlegenheit war gewaltig.

»Wo stecken die Aufrührer?« fragte Ramses den Vizekönig.

»Das sind diese da. Sie geben sich jetzt nur friedlich, trau ihnen nicht!«

Der Aufklärungstrupp meldete, daß weit und breit kein nubischer Krieger auszumachen sei.

»Der Dorfälteste verweigert mir den Gehorsam«, beteuerte der Vizekönig, »das muß streng geahndet werden, sonst weitet sich der Aufruhr auf andere Stämme aus. Wir müssen einen Überraschungsangriff durchführen und sie niedermetzeln, um ein sichtbares Zeichen zu setzen für alle Nubier.«

Eine Frau bemerkte als erste die ägyptischen Soldaten. Sie schrie auf, die Kinder kamen aus dem Wasser und flüchteten sich in die Hütten, unter den Schutz der Mütter. Die Männer bewaffneten sich mit Bogen, Pfeilen und Speeren und sammelten sich in der Dorfmitte.

»Sieh nur!« rief der Vizekönig. »Habe ich nicht wahr gesprochen?«

Der Dorfälteste trat vor. Zwei lange Straußenfedern steckten in seinem Kraushaar, und auf der Brust trug er ein Wehrgehänge. Er sah beeindruckend aus. In der Rechten hielt er einen vier Ellen langen Speer, der mit Bändern verziert war.

»Er wird das Zeichen zum Angriff geben«, warnte der Vizekönig. »Unsere Bogenschützen müßten ihn an den Boden nageln!«

»Ich erteile die Befehle«, erinnerte ihn Ramses, »keiner von euch macht eine bedrohliche Bewegung, verstanden!?«

»Aber was gedenkst du zu tun?«

Ramses nahm Helm, Harnisch und Beinschienen ab, legte Schwert und Dolch nieder und schritt den felsigen Abhang hinab.

»Majestät!« schrie der Vizekönig. »Kehr um, er wird dich töten!«

Den Blick auf den Nubier gerichtet, setzte der Regent gleichmäßig Fuß vor Fuß. Der etwa sechzig Jahre alte Mann war hager, fast knochig.

Als er seinen Speer emporhob, glaubte auch Ramses, daß er unüberlegt sich einer Gefahr ausgesetzt hatte. Aber war ein nubischer Stammeshäuptling gefährlicher als ein wilder Stier?

»Wer bist du?«

»Ramses, Sohn Sethos’ und Regent Ägyptens.«

Der Nubier senkte seine Waffe.

»Ich bin der Oberste meines Stammes.«

»Das wirst du bleiben, solange du das Gesetz der Maat achtest.«

»Der Vizekönig, unser Beschützer, hat es gebrochen.«

»Das ist eine schwere Anschuldigung.«