Выбрать главу

Der Wildeste schwenkte hohnlachend ein Messer.

»Du bist von schöner Gestalt, aber ein Unfall wird dich entstellen.«

Ramses hatte nie gegen einen Bewaffneten gekämpft.

»Ein Unfall, im Beisein von Zeugen… Sogar der Kleine da wird sich auf unsere Seite schlagen, um seine Haut zu retten.«

Der Prinz ließ das Messer mit der kurzen Klinge nicht aus den Augen. Bedrohlich umkreiste der Stallknecht Ramses, der sich nicht von der Stelle rührte. Der Hund wollte seinen Herrn verteidigen.

»Platz, Wächter!«

»Du liebst also dieses abscheuliche Tier. Es ist so häßlich, daß es nicht verdient zu leben.«

»Nimm dir zuerst den vor, der stärker ist als du.«

»Du bist ganz schön eingenommen von dir selbst!«

Die Klinge streifte Ramses’ Wange. Mit einem Fußtritt gegen das Handgelenk versuchte er, den Stallknecht zu entwaffnen, aber er traf ihn nur flüchtig.

»Du bist hartnäckig, aber allein!«

Die anderen zogen ihre Messer.

Ramses empfand keine Furcht. In seinem Innersten entwickelte sich eine Kraft, von der er bisher nichts wußte, eine rasende Wut gegen Ungerechtigkeit und Feigheit.

Bevor seine Gegner sich abstimmen konnten, rannte er zwei von ihnen um, wobei er ganz knapp den rachsüchtigen Klingen entging.

»Hört auf, Kameraden!« rief ein Stallbursche.

Eine Sänfte wurde soeben durch das Tor der Stallungen getragen. Die Pracht des Tragsessels bezeugte den Rang dessen, der darauf saß. Den Rücken gegen eine hohe Lehne gestützt, die Füße auf einem Schemelchen, den Kopf von einem Sonnenschirm geschützt, betupfte sich die hohe Persönlichkeit mit einem duftenden Tuch die Stirn. Mit seinen fast zwanzig Jahren, dem runden, fast schon mondförmigen Gesicht, den prallen Wangen, den kleinen braunen Augen, den dicken und lüsternen Lippen lastete der wohlgenährte und jeder körperlichen Ertüchtigung abholde Adlige schwer auf den Schultern seiner Träger, die aufgrund ihrer Geschwindigkeit sich reichen Lohn verdienten.

Die Stallburschen nahmen Reißaus. Ramses bot dem Ankömmling die Stirn, während sein Hund aufmunternd Amenis Bein leckte.

»Ramses! Schon wieder in den Stallungen… Man könnte meinen, die Gesellschaft der Tiere sei dir die liebste.«

»Was führt meinen Bruder Chenar an diesen verrufenen Ort?«

»Ich sehe hier im Auftrag des Pharaos nach dem Rechten. Einem zukünftigen König darf nichts unbekannt sein im Reich.«

»Der Himmel hat dich geschickt.«

»Glaubst du?«

»Würdest du zögern, ein Unrecht zu bereinigen?«

»Worum geht es?«

»Um diesen jungen Schreiber, Ameni. Er wurde von sechs Stallburschen gewaltsam hierhergeschleift und gequält.«

Chenar lächelte.

»Mein armer Ramses, du bist wirklich nicht auf dem laufenden!

Sollte dein junger Freund dir die Strafe, die ihn traf, verheimlicht haben?«

Sprachlos wandte Ramses sich zu Ameni um.

»Dieser Schreiberlehrling hat sich erkühnt, den Fehler eines seiner Vorgesetzten zu berichtigen, der sich unverzüglich beklagt hat ob solch ungebührlichen Hochmuts. Ich befand daraufhin, daß ein Aufenthalt in den Stallungen diesem kleinen Protzer nur guttun könne. Pferdeäpfel und Futter schleppen wird ihm das Rückgrat schon krümmen.«

»Dafür fehlt Ameni die Kraft.«

Chenar befahl den Trägern, den Sessel abzusetzen. Sofort war sein Sandalenträger mit einem Schemel zur Stelle, beschuhte seinem Herrn die Füße und half ihm auf.

»Gehen wir ein Stück«, befahl Chenar, »ich muß mit dir reden, unter vier Augen.«

Ramses überließ Ameni Wächters Obhut.

Die Brüder taten ein paar Schritte unter einen gefliesten Vorbau, der Schutz vor der Sonne bot, die der sehr hellhäutige Chenar verabscheute.

Zwei unterschiedlichere Männer konnte man sich kaum vorstellen. Chenar war klein, untersetzt, dicklich und glich schon jetzt einem vom guten Essen allzu fett gewordenen Würdenträger. Ramses war groß, gelenkig und muskulös, im strahlenden Glanz seiner Jugend. Die Stimme des ersteren war salbungsvoll und unsicher, die des zweiten klangvoll und klar. Sie hatten nichts gemeinsam, außer daß sie die Söhne des Pharaos waren.

»Mach deinen Beschluß rückgängig«, forderte Ramses.

»Vergiß diese Mißgeburt, und reden wir über ernsthafte Dinge. Solltest du nicht so schnell wie möglich die Hauptstadt verlassen?«

»Das hat niemand von mir verlangt.«

»Nun, dann ist’s jetzt soweit.«

»Wieso sollte ich dir gehorchen?«

»Solltest du vergessen haben, welche Stellung ich bekleide und welche du?«

»Soll ich mich dazu beglückwünschen, daß wir Brüder sind?«

»Spiel mir gegenüber nicht den Spitzfindigen, und begnüge dich damit, zu laufen, zu schwimmen und deine Kräfte zu erproben. Eines Tages, wenn es meinem Vater und mir behagt, wirst du vielleicht einen Posten in der Armee erhalten. Unser Land zu verteidigen ist eine ehrenvolle Aufgabe. Für einen Jungen wie dich ist die Luft von Memphis nur schädlich.«

»In diesen letzten Wochen begann ich, mich daran zu gewöhnen.«

»Brich nicht unnötig Streit vom Zaun, und zwinge mich nicht, ein scharfes Urteil unseres Vaters herbeizuführen. Bereite unauffällig deine Abreise vor, und verschwinde sang- und klanglos. In zwei oder drei Wochen werde ich dir deinen Bestimmungsort nennen.«

»Und Ameni?«

»Ich sagte bereits, vergiß deinen elenden kleinen Spitzel. Ich hasse es, mich zu wiederholen. Noch ein letztes: versuch nicht, Iset, die Schöne, wiederzusehen. Du hast vergessen, daß sie die Besiegten verachtet.«

ACHT

Die audienzen der Königin Tuja waren anstrengend gewesen. In Abwesenheit ihres Gemahls, der die Verteidigungslinien der nordöstlichen Grenze inspizierte, hatte sie den Wesir, den Schatzmeister, zwei Provinzvorsteher und einen Archivschreiber empfangen. So vieles war dringlich zu erledigen, wollte man Fehlern vorbeugen.

Sethos mußte sich mehr und mehr dem Aufruhr in den Gemeinwesen östlich der Grenzen und in Syrisch-Palästina widmen, die von den Hethitern aufgestachelt wurden. Im allgemeinen genügte ein Besuch des Pharaos, um die Zaunkönige, die auch mitreden wollten, zu beruhigen.

Tuja, Tochter eines Offiziers der Wagenmeisterei, war weder königlichen Geblüts noch adeliger Abstammung, hatte sich aber bei Hofe und im Volk aufgrund ihrer Fähigkeiten schnell durchgesetzt. Sie besaß eine natürliche Eleganz. Ihr schlanker Körper, ihre großen, streng und durchdringend blickenden mandelförmigen Augen, ihre schmale und gerade Nase, dies alles verlieh ihr ein herrschaftliches Aussehen. Sie duldete keinerlei Vertraulichkeit; wie ihrem Gemahl schuldete man auch ihr Respekt. Dem ägyptischen Hof seinen Glanz zu bewahren war ihr Hauptanliegen. Verantwortungsvoll nahm sie ihre Aufgaben wahr, denn davon hingen der Ruhm des Landes und das Wohl des Volkes ab.

Der Gedanke, daß sie jetzt gleich Ramses, ihren Lieblingssohn, sehen würde, ließ ihre Müdigkeit verfliegen. Obwohl sie ihn im Palastgarten empfangen wollte, trug sie noch ihr langes Leinengewand mit der Goldborte, den kurzen, über den Schultern gefältelten Überwurf, die sechsreihige Amethysthalskette und die Perücke mit den Zöpfen, die gleichmäßig herabfielen und alle gleich dick geflochten waren. Wie gern wandelte sie zwischen diesen Akazien, Weiden und Granatapfelbäumen, zu deren Füßen Kornblumen, Maßliebchen und Rittersporn wuchsen! Konnte man sich eine schönere göttliche Schöpfung denken als einen Garten, wo alle pflanzlichen Geschöpfe über die Jahreszeiten hinweg das Lob der Götter sangen? Jeden Morgen und jeden Abend gönnte Tuja sich ein Weilchen Besinnung in diesem Paradies, bevor sie sich den Pflichten ihres Amtes zuwandte.

Als Ramses auf sie zukam, stutzte die Königin. In wenigen Monaten war aus ihm ein Mann von bemerkenswerter Schönheit geworden. Bei seinem Anblick drängte sich eine Empfindung auf: Kraft. Gewiß, Gang und Gehabe verrieten noch ein wenig den Jüngling, aber die Unbekümmertheit des Kindes war verschwunden.