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Der Zwilling lachte überrascht. »Lauter?« Er zog an der Zigarette und sah den Blonden an. »Habt ihr sie nach Mikrofonen durchsucht?«

»Ja, Chef, das Restaurant auch.«

»Sie werden also wirklich schwerhörig, Kefas? Wie wollen Sie und Ihre Frau dann … na, wie sollen wir das nennen? Soll die Blinde den Tauben leiten?«

Er sah sich mit hochgezogenen Augenbrauen um, und die vier Männer lachten.

»Sie lachen, weil sie Angst vor mir haben«, sagte der Große zu Sonny. »Haben Sie Angst, junger Mann?«

Sonny antwortete nicht.

Simon sah auf die Uhr.

Kari sah auf die Uhr. Sieben Uhr vierzehn. Parr hatte gesagt, sie müssten pünktlich sein.

»Hier ist es«, sagte Parr, zeigte auf den Namen an der Fassade, ging zur Tür des Restaurants und hielt sie für Kari auf.

In der Garderobe war es still und dunkel, aber aus dem angrenzenden Raum kamen Stimmen.

Parr nahm die Pistole aus dem Schulterhalfter und bedeutete Kari, dasselbe zu tun. Nach der Aktion in Enerhaugen hatte sie einen gewissen Ruf und deshalb hatte sie dem Polizeipräsidenten noch einmal gesagt, mit gefährlichen Aufträgen habe sie wenig Erfahrung. Er hatte erwidert, Simon habe darauf bestanden, dass gerade sie käme, außerdem reiche es in neun von zehn Fällen ohnehin aus, die Polizeimarke zu zeigen. Und in neunundneunzig von hundert Fällen, wenn die Marke zusammen mit einer Waffe präsentiert wurde. Trotzdem klopfte Karis Herz wild, während sie rasch auf die Tür des Speisesaals zugingen.

Als sie den Raum betraten, verstummten die Stimmen.

»Polizei!«, sagte Parr und richtete die Pistole auf die Männer an dem einzigen besetzten Tisch. Kari war zwei Schritte zur Seite getreten, die Waffe auf den größeren der Männer gerichtet. Einen Augenblick lang war es vollkommen still, bis auf Johnny Cashs Stimme, die mit »Give My Love To Rose« leise aus dem kleinen Lautsprecher kam, der zwischen dem Büfet und dem ausgestopften Kopf eines Stiers mit langen Hörnern hing. Anscheinend ein Steakhaus, das Frühstück servierte. Die beiden Männer am Tisch trugen hellgraue Anzüge und blickten sie überrascht an. Kari registrierte, dass doch noch mehr Leute in dem hellen Raum waren. An einem Tisch am Fenster saß ein älteres Ehepaar, das simultan einen Herzanfall zu bekommen schien. Sie waren am falschen Ort, dachte Kari. Das konnte unmöglich das Restaurant sein, in das Simon sie bestellt hatte. Doch dann wischte sich der kleinere der beiden Männer mit der Serviette den Mund ab und sagte:

»Danke, dass Sie persönlich kommen konnten, Herr Polizeipräsident. Ich versichere Ihnen, keiner von uns ist bewaffnet oder hat böse Absichten.«

»Wer sind Sie?«, bellte Parr.

»Mein Name ist Jan Øhre, ich bin Anwalt und vertrete diesen Herrn hier, Iver Iversen senior.« Er deutete auf den größeren Mann, und Kari bemerkte die Ähnlichkeit mit Iversen junior.

»Was tun Sie hier?«

»Dasselbe wie Sie, denke ich.«

»Ach ja? Mir wurden Kriminelle zum Frühstück versprochen.«

»Dieses Versprechen werden wir einhalten, Parr.«

»Nun«, sagte der Große. »Sie sollten Angst haben.«

Er nickte dem Blonden zu, der ein schmales Messer mit langer Klinge unter dem Gürtel hervorzog, einen Schritt vortrat und den Unterarm um den Kopf des Jungen legte, die Klinge drückte er gegen dessen Kehle.

»Hast du wirklich geglaubt, ich kümmere mich um das Kleingeld, das du mir geklaut hast, Lofthus? Das ist mir scheißegal. Ich habe Bo versprochen, dass er Hackfleisch aus dir machen kann. Das Geld und das Dope, das ich nie mehr wiedersehe, betrachte ich als gute Investition. Es motiviert, das ist doch klar. Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, am wenigsten tut es weh, wenn du uns sagst, was du mit Sylvester gemacht hast. Wir wollen ihn nämlich wie einen anständigen Christen beerdigen. Verstanden?«

Sonny schluckte, antwortete aber nicht.

Der Große schlug mit der Faust auf den Tisch, so dass die Gläser tanzten. »Hörst du jetzt auch schlecht?«

»Kann schon sein«, grinste der Blonde, der das Gesicht dicht am Ohr des Jungen hatte. »Buddha hat Ohropax im Ohr.«

Die anderen lachten.

Der Große schüttelte resigniert den Kopf, als er den Code des anderen Aktenkoffers einstellte.

»Also los, Bo, er gehört dir.« Mit einem Pling wurde der große Aktenkoffer aufgeklappt, aber die Männer waren zu sehr auf Bos Messer konzentriert, um den kleinen Metallstab zu bemerken, der aus dem Koffer auf den Steinboden gefallen war.

»Ihre kleine, kluge Mutter hatte in Vielem recht, aber nicht, was Sie angeht«, sagte Simon. »So eine Teufelsbrut wie Sie hätte sie niemals an ihre Brust lassen dürfen.«

»Was zum Henker …?«, sagte der Große. Die Männer drehten sich um. Im Koffer lag neben einer Uzi und einer Pistole ein olivgrüner Gegenstand, der wie der Griff eines Fahrradlenkers aussah.

Der Große blickte wieder auf und bemerkte gerade noch, wie Simon seine Sonnenbrille aufsetzte.

»Es stimmt, ich habe mit Simon Kefas abgesprochen, dass ich Sie hier mit meinem Klienten treffe«, sagte Jan Øhre. Er zeigte Pontius Parr seinen Anwaltsausweis. »Hat er Ihnen das nicht gesagt?«

»Nein«, sagte Pontius Parr. Kari sah ihm seine Wut und Verwirrung an.

Øhre wechselte einen Blick mit seinem Klienten. »Heißt das, Sie wissen nichts von unserer Vereinbarung?«

»Was für eine Vereinbarung?«

»Strafminderung?«

Parr schüttelte den Kopf. »Simon Kefas hat mir nur gesagt, ich bekäme ein paar Kriminelle auf dem Silbertablett serviert. Um was geht es hier eigentlich?«

Øhre wollte schon antworten, als Iver Iversen sich über den Tisch beugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Øhre nickte, und Iversen lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Kari sah ihn an. Er sieht verdammt fertig aus, dachte sie. Erschöpft, resigniert.

Øhre räusperte sich. »Hauptkommissar Kefas glaubt, gewisse … äh … Beweise gegen meinen Klienten und seine ver­storbene Frau zu haben. Es geht um eine Reihe von Immobiliengeschäften mit einem gewissen Levi Thou. Vielleicht besser bekannt unter seinem Spitznamen Zwilling.«

Thou, dachte Kari. Kein üblicher Name, trotzdem hatte sie ihn erst vor kurzem gehört. Von jemandem, der ihr vorgestellt worden war. Im Präsidium. Sicher nicht wichtig.

»Kefas hat angeblich auch Beweise für einen Auftragsmord, hinter dem Agnete Iversen stehen soll. Mit Rücksicht auf Iversens Sohn wollte er diese Beweise aber nicht liefern. Und was die Immobiliengeschäfte angeht, wollte er für den Fall, dass mein Klient gesteht und vor Gericht gegen Thou alias Zwilling aussagt, Strafminderung erwirken.«

Pontius Parr nahm seine rechteckige Brille ab und putzte sie mit dem Taschentuch. Kari war überrascht, wie kindlich blau seine Augen waren.

»Klingt nach einem Angebot, das wir honorieren könnten.«

»Gut«, sagte Øhre, öffnete die Mappe, die auf dem Stuhl neben ihm lag, nahm einen Umschlag heraus und schob ihn zu dem Polizeipräsidenten hinüber.

»Hier sind die Ausdrucke mit den Details aller Immobilientransaktionen, die vorgenommen wurden, um für Levi Thou Geld zu waschen. Iversen ist auch bereit, gegen Fredrik Ansgar auszusagen, der im Dezernat für Wirtschaftskriminalität dafür gesorgt hat, dass sich niemand diese Transaktionen genauer angesehen hat.«

Parr nahm den Umschlag entgegen und wog ihn in der Hand.

»Da ist etwas Hartes drin«, sagte er.

»Ein Speicherstick mit einer Tondatei, die der Hauptkommissar meinem Klienten telefonisch übermittelt hat, und den wir Ihnen auch aushändigen sollten.«

»Wissen Sie, was das für eine Datei ist?«

Øhre wechselte wieder einen Blick mit Iversen, der sich räusperte: »Darauf ist jemand zu hören. Hauptkommissar Kefas meinte, Sie wüssten dann schon, wer das ist.«

»Ich habe einen Laptop dabei, falls Sie gleich wissen wollen, wer es ist«, sagte Øhre.

Der geöffnete Koffer. Die Waffe. Die olivgrüne Granate.